Mercedes ist doch zu schlagen
Max Verstappen siegt in Silverstone – Teilzeitfahrer Nico Hülkenberg verpasst Podium
(SID/dpa) - Mercedes ist tatsächlich schlagbar! Doch Sebastian Vettel hatte damit rein gar nichts zu tun. Das kommt zwar längst nicht mehr überraschend, doch während Red-Bull-Hoffnung Max Verstappen die Mercedes-Siegesserie im fünften Saisonrennen der Formel 1 in Silverstone durchbrach und Teilzeitkraft Nico Hülkenberg im skandalumwitterten Racing Point Siebter wurde, ist Vettel im Ferrari an einem neuen Tiefpunkt angelangt.
Nach dem Frust-Erlebnis von Silverstone motzte Vettel unverhohlen und kritisierte sogar seinen FerrariRennstall. Ein Blitz-Dreher und eine verpatzte Reifenstrategie zerstörten das Rennen des viermaligen Formel-1-Weltmeisters vollends. „Ihr wisst, dass ihr es verbockt habt. Es gab keinen Grund, mich reinzuholen. Das war auch anders besprochen“, meckerte der Hesse nach seinem ersten verfrühten Boxenstopp, der ihn beim Jubiläumsrennen der Formel 1 in heftigen Verkehr zurückschickte. „Nach dem ersten Stopp war dann Quark, von da an haben wir keinen guten Job gemacht, was die Strategie betrifft.“Vettels junger Teamkollege Charles Leclerc zeigte mit Platz vier mal wieder, was auch mit einem unterlegenen Ferrari möglich sein kann. „Für mich fühlt es sich an wie ein Sieg“, sagte der Monegasse.
Der tatsächliche Gewinner aber war Verstappen. Der Niederländer schockte im taktisch geführten Rennen mit seinem ersten Formel-1-Saisonsieg Branchenprimus Mercedes. Mit einer meisterhaften Reifenstrategie verwies der Red-Bull-Mann am Sonntag das in diesem Jahr erstmals geschlagene Mercedes-Duo Lewis Hamilton und Valtteri Bottas auf die Plätze zwei und drei. „Das hatte ich so nicht erwartet. Aber wir hatten einen großartigen Tag, eine tolle Strategie“, frohlockte Verstappen nach seinem neunten Grand-Prix-Sieg, der ihn in der Fahrer-WM zum ersten Hamilton-Verfolger mit allerdings schon 30 Punkten Rückstand machte. Der britische Titelverteidiger hatte in der Heimat erneut Probleme mit den Reifen. „Die Blasenbildung war absolut unerwartet“, klagte Hamilton, nachdem ihm vor einer Woche sogar ein Gummi geplatzt war. Der Weltmeister aus England, der auf seiner Heimstrecke bereits siebenmal gewann, hatte wie auch der frustrierte Finne Bottas mit stark abbauenden Reifen zu kämpfen – die schwarzen Pirelli in Kombination mit hohen Streckentemperaturen scheinen die große und womöglich einzige Schwäche des Mercedes zu sein.
Vertretungsfahrer Hülkenberg verpasste zwar in seinem zweiten Aushilfseinatz für Racing Point das Podium, lieferte aber hinter Teamkollege Lance Stroll mit Platz sieben eine beachtliche Vorstellung ab. „Ich hatte eine Riesenblase hinten links, hatte massive Vibrationen. Wir sind quasi in einen dritten Stopp gezwungen worden“, meinte Hülkenberg über die Schlussphase. Es sei nicht das erwünschte „Märchen“, aber zumindest eine „solide Leistung“. Kommende Woche reist er weiter nach Barcelona, um sich bereitzuhalten, sollte er erneut Sergio Pérez ersetzen müssen, der wegen eines positiven Corona-Tests zwei Rennen auslassen musste.
Doch trotz aller sportlichen Leistungen auf der Strecke: Ausgerechnet an dem Wochenende, an dem die Motorsport-Königsklasse an den ersten Grand Prix ihrer Geschichte am 13. Mai 1950 in Silverstone erinnerte, gab die Formel 1 ein schlechtes Bild ab. Der vergiftete Streit um das angeblich illegale Kopieren von Bauteilen bei Racing Point überschattete die Tage in England. Racing Point wurde am Freitag mit einer Geldstrafe von 400 000 Euro und dem Abzug von 15 WM-Punkten in der Konstrukteurswertung belegt. Das Team fühlt sich zu Unrecht bestraft. Doch auch vier der zehn restlichen Rennställe wollen in Berufung gehen. Ferrari, McLaren, Williams und Renault wollen Grundsätzliches geklärt haben. „Es geht um das ganze Konzept des Kopierens. Dürfen wir oder dürfen wir nicht ein ganzes Konzept kopieren“, stellte Binotto eine maßgebliche Frage in den Raum.