„Wir haben seit März Berufsverbot“
Schlagersängerin Alexandra Hofmann über Corona und die verheerenden Folgen für die Konzertbranche
- Anita und Alexandra Hofmann stehen seit Jahrzehnten auf der Bühne. Doch Corona hat den zwei Schwestern eine Zwangspause beschert – und auch vielen Menschen, die hinter den Kulissen der Konzertbranche tätig sind. Im Interview mit Daniel Drescher spricht Alexandra Hofmann über die Folgen der Pandemie, Kreativität und Fankontakt im Lockdown – und darüber, wie es war, selbst infiziert zu sein.
Frau Hofmann, Konzerthallen dicht, Auftritte abgesagt: Corona stellt auch die Veranstaltungsbranche auf den Kopf. Wie erleben Sie diese turbulente Zeit?
Für uns sind die Auftritte nahezu komplett weggebrochen, und zwar ab 17. März. Zu dem Zeitpunkt waren wir gerade auf Tournee und in Magdeburg in einem Hotel. Die Technik war schon aufgebaut und beim Frühstück haben wir erfahren, dass die Tour abgebrochen wird. Dann haben wir die Termine optimistisch in den Juli verlegt, was bekanntlich nicht funktioniert hat. Und seither sind die gesamten Veranstaltungen verschoben, abgesagt wurden zum Glück nur wenige. Wir sind daraufhin etwas kreativ geworden und haben hier mal ein Autokonzert gegeben und da mal einen Auslandsauftritt gehabt. Aber das ist nichts im Vergleich. Es ist unser Beruf, auf der Bühne zu stehen, wir machen das seit 32 Jahren. Der direkte Kontakt mit den Fans ist immer das Wichtigste. Dass wir bei dem Autokonzert keine Autogramme schreiben konnten, das war das Schlimmste für mich.
Alternative Ansätze wie das Autokonzert können „richtige“Auftritte nur bedingt ersetzen, oder?
Ja. Wir hätten jetzt im November einen wirklich guten Monat gehabt. Geplant hatten wir unter anderem einen Auftritt auf einem Schiff und ein Unplugged-Konzert, das live vom SWR übertragen worden wäre. Auf diese vielen schöne Auftritte hatten wir uns sehr gefreut. Das ist fast so, als ob man einem Kind einen Lolli hinhält, es darf einmal dran lecken und dann nimmt man ihm den Lutscher ganz schnell wieder weg. Wir haben bei uns im Mittelbau eine Bühne aufgebaut und die Sofas raus, durch die vielen Tourneen haben wir relativ viel Deko und Bühnenelemente. Und in diesem Setting haben wir jetzt zwei Konzerte gestreamt. Das macht Spaß, man hat mega Licht, Nebel und Effekte und wir können singen und Musik machen, aber es ist halt kein Publikum da. In einer großen Halle sieht man auch nicht jeden im Publikum. Aber man spürt die Menschen, man hört sie. Am Anfang des Lockdowns waren wir sehr kreativ. Damit es unseren Fans gut geht, sind wir auf Dächern, Balkons und in Wohnzimmern aufgetreten. Man darf nicht vergessen, dass wir hier auf dem Land wohnen, hier gibt es viele Familien, aber wir singen ja auch für Menschen, die in der Stadt wohnen, vielleicht alleinstehend sind. Die waren eingesperrt, konnten nirgends essen gehen, die sind richtig vereinsamt.
Die Corona-Maßnahmen treffen die Veranstaltungsbranche insgesamt. Till Brönner hat in seinem Video kürzlich deutlich gemacht, wie viele Menschen in dieser Branche arbeiten. Wie geht es den Menschen, die hinter den Kulissen tätig sind?
Wenn ich an Tontechniker denke, an Beleuchter ..., denen geht es richtig schlecht. Es macht mich so traurig, wenn man sieht, dass manche ihr Auto verkaufen müssen, viele leben von der Hand in den Mund, auch Musiker, die jetzt eben nicht so große Rücklagen haben. Drei Monate packt jeder mal, aber wir haben ja seit März Berufsverbot. Ich schäme mich, diesen Satz zu sagen, aber: Unser Techniker ist am Anfang von Corona vom Baum gefallen, hat sich den Fuß gebrochen und musste operiert werden. Ich hab zu ihm gesagt, sorry, aber einen besseren Zeitpunkt hättest du dir nicht aussuchen können. So war er jetzt wenigstens über die Krankheit abgesichert. Das ist schon traurig, wenn man es so sagen muss. Bei manchen Musikern bekommen wir mit, dass sie anfangen, den Wohnwagen zu verkaufen, um die Zeit zu überleben oder zu überbrücken. Und auf die Schnelle einen anderen Job zu finden, ist nicht einfach. Es sind ja auch andere Berufszweige betroffen, Restaurants sind zu. Weich mal aus, wenn es ganz viele Sparten trifft. An unserer Branche hängen so viele Menschen, Reiseunternehmen etwa, die die Fans zu
Konzerten bringen, oder Caterer. Staatliche Hilfe bekommen fast nur die, die Angestellte haben. Welcher Musiker hat denn Angestellte? Oder wenn es um angemietete Geschäftsräume geht, bekommt man auch staatliche Hilfen. Aber die Musiker, die ich kenne, wohnen zu Hause und verfügen nicht über solche Räumlichkeiten.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen? Tut die Regierung genug für die Veranstaltungsbranche?
Es ist ja nicht nur die Veranstaltungsbranche. Wenn ich mir jetzt hier in Meßkirch anschaue, wie die Gastronomen aufgerüstet haben, Plexiglaswände und was die alles gemacht haben. Über den Sommer konnten sie dann ihre Puffer wieder etwas auffüllen, weil das Wetter so gut war, und jetzt ist alles wieder zu. Wenn die Kultur stirbt, das wäre ... Wenn Herr Spahn von systemrelevanten Berufen spricht – also so ganz system-irrelevant ist unsere Branche nicht. Wir brauchen Tontechniker, wir brauchen die Menschen in diesen Berufen. Es gibt ja inzwischen Aktionen wie Alarmstufe Rot oder Sang- und Klanglos, bei der etwa Orchester auf die Bühne gehen und minutenlang still sind. Dadurch bekommt das Thema mehr Aufmerksamkeit.
Was denken Sie, wie schwer die Schäden sein werden, die die Veranstaltungsbranche erleidet?
In der Branche gehen viele vor die Hunde. Ich bin von Haus aus ein optimistischer Mensch. Wenn ich Tag und Nacht mit Angst lebe, ändere ich die Situation nicht und hab mir mein Leben noch zusätzlich versaut. Aber das kann man nicht schönreden. Bereits jetzt gibt es Agenturen und Technikfirmen, die können nicht mehr aufmachen. Ich kenne Musikgruppen – ich möchte keine Namen nennen –, die aufhören mussten, weil es nicht mehr geht. Wie sollen Musikagenturen ihre Leute bezahlen, oder Caterer, Sicherheitsfirmen und viele andere? Das macht mich traurig, weil wir mit vielen jahrelang zusammengearbeitet haben und ich weiß, wie viel Leidenschaft da drinsteckt, wie viel die Leute vor ein paar Jahren noch investiert haben. Und man hat ja gedacht, dass ein paar Veranstaltungen möglich sind, wenn man die Hygienekonzepte einhält. Auch die Veranstalter haben dafür investiert, solche Konzerte muss man beispielsweise stärker bewerben als sonst, damit die Menschen wissen, dass die Sicherheitskonzepte eingehalten werden. Und jetzt wird alles abgesagt und sie sitzen auf den Kosten. Die zahlt niemand zurück.
Aber eine Welt ohne Konzerte und ohne Veranstaltungsbranche ist doch unvorstellbar, oder?
Das will ich mir auch nicht vorstellen, aber man darf nicht die Augen davor verschließen. Man muss einfach mal überlegen, was alles mit Musik unterlegt ist. Das sind Filme, das ist Radio ... das muss man sich mal wegdenken. Es ist ja nicht so, dass das automatisch weiterlebt. Das gibt es nur, weil Musiker diese Musik erschaffen und weil Techniker sie aufnehmen.
Sie sind für Ihre enge Beziehung zu Ihrer Fangemeinde bekannt. Welche Rückmeldungen gibt es da?
Wir geben vielen Fans, die alleine oder krank sind, etwas, wo sie das alles vergessen können. In Musik und Konzerten finden sie etwas, um besser durch den grauen Alltag zu kommen oder Sorgen hinter sich zu lassen. Wir haben auch viele Fans, bei denen ein Partner verstorben ist. Es gibt so viele, die Halt suchen. Für die sind wir auch weiter da, aber wir können eben nur eine begrenzte Zahl von Streamingkonzerten geben, davon kann mein Techniker nicht leben. Die bringen halt nichts ein. Social Media ist für uns durch Corona noch wichtiger geworden, wir skypen auch mal mit Fans oder machen andere vergleichbare Aktionen. So versuchen wir, den Kontakt aufrechtzuerhalten.
Sie haben dieses Jahr gleich zwei neue Alben veröffentlicht.
Ja, wo sollen wir denn hin mit unserer Energie? Wir sitzen zu Hause und sind ins Energiefässchen gefallen, wir sind ohnehin energiegeladener als andere Künstler. Ein Album ist derzeit der einzige Weg, wie man bei den Fans zu Hause sein kann.
Die Alben sind demnach auch im Lockdown entstanden?
Ja, unter sehr erschwerten Bedingungen. Das Video zu einem Lied haben wir mit dem Handy auf dem Acker gedreht, dafür haben wir extra einen Flügel dorthin getragen. Auch, dass die Landesgrenzen teils geschlossen waren, hat die Aufnahmen nicht einfacher gemacht. Ein Produzent lebt in Dänemark. Mega-schwierig. Hotels hatten zu, es war einfach schwierig. Deshalb auch der Titel „Wilde Zeiten“. Normalerweise nehmen wir ein Album in einem Rutsch auf. Aber man wusste ja nie, wo was möglich ist und wir haben uns eben nicht auf einen Ort verlassen. Wir hatten mehrere Stationen gewählt, um einen Ersatz zu haben, falls eine andere ausfällt.
Die übliche Tour zum Album muss auch noch warten, oder?
Bei „Wilde Zeiten“, das im Sommer erschienen ist, hatten wir wenigstens eine Rundfunkreise, bei „Wilde Zeiten 2.0“, das am Freitag, 6. November, erschienen ist, konnten wir gar nichts machen. Wir hätten ein supergeiles Unplugged-Konzert mit Band gehabt, der SWR hätte es live übertragen, aber das ging ja nicht. Also haben wir im Wohnzimmer eine Bühne aufgebaut.
Sie haben sich am 21. Oktober in einem Video an ihre Fans gewendet und erzählt, dass Sie positiv auf Corona getestet wurden.
Ja, ich wollte das eigentlich nicht, aber so etwas spricht sich auf dem Land schnell herum, und es ging auch durchs Netz. Ich wollte, dass es unsere Fans von uns erfahren. Ich hatte mich am 19. Oktober testen lassen, eigentlich eher um auf Nummer sicher zu gehen. Am 21. Oktober hätten wir einen Termin bei unserer Plattenfirma gehabt. Vor der Veröffentlichung von „Wilde Zeiten 2.0“am 6. November hatten wir einige Konzerte geplant. An dem Tag, als ich dann das Testergebnis bekam, war ich auch schon morgens um fünf Uhr unterwegs. Vorsichtshalber allein im Auto, damit ich niemanden anstecke und jederzeit umdrehen kann. Aber ich dachte, die Wahrscheinlichkeit liegt bei 0,03 Prozent. Und als ich dann das Ergebnis bekam, hab ich umgedreht und sofort meinen Mann, meine Kinder und ein paar Freunde nach Hause geschickt. Bis das Gesundheitsamt bei mir angerufen hatte, waren alle schon daheim.
Wie geht es Ihnen jetzt?
Es geht mir wieder gut. Ich hab auch von Anfang an gesagt, dass ich keine Angst vor Corona habe – sondern davor, jemanden anzustecken, der darunter leidet. Bei mir selber war es nicht so schlimm, aber als meine Kinder auch Corona hatten, zwei Schulklassen sowie drei Fußballvereine daraufhin in Quarantäne mussten und man dann nicht weiß, ob die bei der Oma waren und sich das Virus auf diese Art verbreitet – da ging es mir richtig schlecht. Bis wir gewusst haben, dass alles safe ist.
Bei Ihnen selbst blieb es bei einem milden Verlauf?
Ich bin ziemlich unempfindlich, was Schmerz angeht, ich kann mich schneiden oder verbrennen, das merke ich eigentlich nicht. Aber ich habe es drei Tage lang nicht ohne Schmerzmittel ausgehalten.
Das haben Sie in einem zweiten Video erwähnt, das Sie ebenfalls gepostet haben.
Ja, denn es gab viele Kommentare, in denen behauptet wurde, dass der Test falsch gewesen sei, oder so was wie „Wie blöd kann man denn sein, du hast dich gegen Grippe impfen lassen, du hast gar kein Corona“. Da melden sich dann auch sehr, sehr, sehr viele Corona-Leugner und nutzen so eine Plattform. Aber ich hatte es, und ich kann nur sagen, ich bin ein fitter Mensch mit einem megageilen Immunsystem. Corona wünsche ich niemandem, der kein gutes Immunsystem oder eine leichte Vorerkrankung hat. Bei uns auf dem Grundstück hatten es alle, meine Schwester auch, mein Mann, unsere beiden Söhne, unsere Mutter – alle bis auf den Opa. Meine Schwester und ich wohnen in einem Haus, Oma und Opa direkt daneben.
Wie schauen Sie den nächsten Monaten entgegen? Man kann ja derzeit nicht absehen, wann es Lockerungen gibt und wann wieder Konzerte möglich sind.
Ne, es kommt eh wie es kommt. Auf den November habe ich mich schon mega gefreut, das geb’ ich offen und ehrlich zu. Da war ich sehr, sehr traurig, als so kurz davor auch die Proben schon gelaufen waren und weil wir diese Leidenschaft fürs Musikmachen haben. Was steigt, ist der Ärger über die Corona-Leugner. Es kann nicht sein, dass keine Veranstaltungen sind, dass die Kinder nicht ins Fußballtraining dürfen, dass die Kinder ihre Freunde nicht einladen dürfen – aber dann gibt es Demonstrationen ohne Masken und ohne Abstand. Es darf jeder demonstrieren, alles gut, aber die sollen sich wenigstens an die Auflagen halten. Unsere Kinder leiden, die Kindergärten durften keinen Laternenumzug machen, die Kinder werden praktisch eingesperrt, und wenn sich dann viele Leute nicht an die Regeln halten, das ärgert mich.
Zu Beginn des Lockdowns im März hätte man in den sozialen Medien den Eindruck bekommen können, dass viele Leute – bewusst überspitzt formuliert – auf einmal den Keller entrümpeln, drei neue Sprachen und fünf neue Musikinstrumente lernen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Die ersten zwei Wochen waren die Hölle. Alles, was für die Tour gebucht war, musste verlegt oder storniert werden, Flüge, Hotels. Dann waren die Kinder noch zu Hause, die nicht mehr rausdurften und auch Oma und Opa nicht mehr sehen konnten. Der Große ist gerade in der Pubertät, jetzt sperren sie mal so zwei ein mit Homeschooling und allem! Aber nach 14 Tagen hat man gemerkt, dass es akzeptiert war. Dann haben wir viel gespielt. Meine Kinder haben ein tolles Hobby angefangen, das Angeln. Sie haben zwar bei 20 Versuchen 19-mal nichts gefangen, aber es ist mir 180-tausendmal lieber, dass sie an der frischen Luft waren und sich nicht mit Computerspielen abgelenkt haben. Das ist für mich positiv hängen geblieben.