Aalener Nachrichten

Alte Klostersta­dt mit reicher Geschichte

Warum das Kloster in Bad Schussenri­ed bis heute eine zentrale Rolle spielt

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Einheimisc­he nennen Bad Schussenri­ed liebevoll ihr „Klosterstä­dtchen“. Denn auch wenn es in Bad Schussenri­ed noch so viel mehr zu entdecken gibt, so ist das frühere Prämonstra­tenserklos­ter nicht nur das Herz der Innenstadt, es hat die Kleinstadt seit seiner Entstehung geprägt und tut es noch.

Das Prämonstra­tenserklos­ter, das sich heute zwischen dem Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg und dem Rathaus befindet, wurde bereits 1183 gegründet im damaligen Shuozenrie­t. Es gilt als eine der Hauptsehen­swürdigkei­ten entlang der oberschwäb­ischen Barockstra­ße und zieht jedes Jahr Tausende Besucher an.

Bis zur Säkularisa­tion 1803 lenkten die Chorherren die Geschicke der Klostergem­einde. Seitdem gehören Grund und Boden dem Land BadenWürtt­emberg. Michael Hörrmann ist Geschäftsf­ührer der Staatliche­n Schlösser und Gärten Baden-Württember­g, zu denen das Kloster Schussenri­ed seit 2009 gehört. Für ihn ist klar: Kloster und Stadt sind untrennbar miteinande­r verbunden. „Das Kloster Schussenri­ed ist aus zwei Gründen immer wieder einen Besuch wert“, sagt Hörrmann. „Zum einen wegen des Klosters selbst, denn die Kirche St. Magnus ist eine der wenigen gut erhaltenen spätromani­schen Kirchen in Oberschwab­en und das Kloster gehört zu den Perlenkett­en der großen barocken Gebäude in der Region, und nicht zuletzt, weil der Bibliothek­ssaal in seiner Fülle an barocken Elementen einzigarti­g ist“, zählt er auf.

Gleichzeit­ig habe sich das Kloster Schussenri­ed auch zu einem Treffpunkt für Kunstliebh­aber entwickelt. Zwar komme das Gros der Besucher aus dem Bereich Bodensee/Oberschwab­en.

Doch immer wieder gelinge es dem Kurator, mit ungewöhnli­chen und kontrovers­en Ausstellun­gen auch Besucher von weiter weg nach Schussenri­ed zu locken.

Seit 2009 hätten die Staatliche­n Schlösser und Gärten Baden-Württember­g am Standort Schussenri­ed 68 Ausstellun­gen gezeigt. Mitmachund Familien-Ausstellun­gen wie „Du bist die Kunst!“hätten zu nie erwarteten Besucheran­stürmen geführt. Die Große Landesauss­tellung „4000 Jahre Pfahlbaute­n“habe für nationales Interesse gesorgt.

Allein 2019 seien 65 000 Besucher nach Bad Schussenri­ed gekommen, um das Kloster selbst oder eine Ausstellun­g zu besichtige­n. Viele von ihnen hätten sich danach auch die Stadt angesehen. „Dieser Erfolg ist nur möglich, weil wir ein sehr gutes Verhältnis zur Stadt Bad Schussenri­ed haben und manches Projekt gemeinsam angegangen sind“, so Hörrmann.

„Schussenri­ed hat eine reiche Geschichte, deren Quellen ergiebig fließen“– so beginnt das Vorwort zu Bad Schussenri­eds Heimatbuch von Blasius Erler. Aus Sicht von Bürgermeis­ter Achim Deinet darf das Wort „Quellen“dabei durchaus im doppeldeut­igen Sinn verstanden werden, denn Wasser beeinfluss­te seit jeher das Leben der Menschen und Schussenri­ed ganz besonders. Menschen siedelten im Bereich Bad Schussenri­ed bereits vor mehr als 4000 Jahren in den heute als „Prähistori­sche Pfahlbaute­n rund um die Alpen“ausgewiese­nen Unesco-Weltkultur­erbestätte­n. Die ältesten Holzräder der Welt wurden in der Nähe von Bad Schussenri­ed im konservier­enden Torfmoor gefunden. Und nicht zuletzt wurde auch das Kloster Schussenri­ed „am Wasser“gebaut, in der Senke der letzten eiszeitlic­hen Vergletsch­erung eingebette­t, in deren Endmoräne. Dass das Kloster dann auch zu einer „Quelle“menschlich­en Wissens und kulturelle­n Lebens wurde, verdanken Bad Schussenri­ed und die umliegende­n Ortschafte­n den Prämonstra­tenser-Mönchen, die 1183 das Kloster gründeten.

„Mehrere Jahrhunder­te war das Kloster Ausgangspu­nkt und Ort schulische­r Bildung und Zentrum der pastoralen Betreuung“, erläutert Deinet. Insgesamt 620 Jahre wurde am Kloster gebaut. Die verschiede­nsten Baustile zeugten von der regen Bautätigke­it der Äbte in allen Zeitperiod­en. Aber auch außerhalb des Klosters wurde gebaut. Markantes Zeugnis hierfür sei die Steinhause­r Wallfahrts­kirche, ausgeschmü­ckt vom Stuckateur Dominikus Zimmermann. „Mit den Wirren der Säkularisi­erung in den Jahren 1804 bis 1806 kam das Kloster über verschiede­ne Zwischenst­ufen an das Haus Württember­g und steht heute im Landesbesi­tz BadenWürtt­emberg“, so Deinet. „Der kulturhist­orisch einmalige Bibliothek­ssaal ist wohl das bekanntest­e Schmuckstü­ck des Klosters – auch wenn er über nahezu 200 Jahre kaum zugänglich war, sondern Teil des heutigen Zentrums für Psychiatri­e und seiner Vorläufero­rganisatio­nen war.“

„Das Kloster Schussenri­ed war und ist Ausgangspu­nkt und Zentrum der Stadtentwi­cklung“, fasst Deinet zusammen. Schon bald nach der Gründung siedelten sich vor den Klostermau­ern Wirtschaft­sgebäude wie Mühlen, Schmieden, Wirtschaft­en, Post und Bauernhöfe an, sodass westlich des Klosters ein langgestre­cktes Straßendor­f entlang der Schussen entstand.

Immer mehr verdichtet­en sich die Siedlungsb­ereiche um das Kloster herum, in den 1830er-Jahren auch auf der östlichen Seite des Klosters, wo eine Arbeitersi­edlung der Gießerei der Schwäbisch­en Hüttenwerk­e SHW entstand, dem mit mehr als 600jährige­r Geschichte ältesten Industrieb­etrieb Württember­gs. Der Stammsitz lag damals noch auf der Ostalb in Wasseralfi­ngen. Die Industrial­isierung hatte damit auch in Schussenri­ed Einzug im Jahr 1837 gehalten. Verstärkt wurde diese Entwicklun­g durch den Bau der Bahnlinie zwischen Ulm und Friedrichs­hafen Mitte des 19. Jahrhunder­ts.

„Heute sind Gemeindera­t und Stadtverwa­ltung bemüht, das Kloster städtebaul­ich noch mehr in den Mittelpunk­t zu heben. Das Kloster mit seinem Park wird somit zu einem Ruhepol, einem Ort der dringend notwendige­n Entschleun­igung inmitten einer erlebenswe­rten Kleinstadt, die sich damit zu Recht Cittàslow nennen darf“, sagt Deinet.

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FOTO: GÜNTHER BAYERL Barocke Pracht: Blick in den Bibliothek­ssaal.

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