Maskierte Markenzeichen
Die Schwarze Schar, ein maskierter Geheimbund, liest den Ellwangern seit 1851 die Leviten
ELLWANGEN - Seit fast 170 Jahren liest das maskierte Femegericht der „Schwarzen Schar“mit ihren Spottversen den Ellwanger Bürgern die Leviten. Doch die Verfasser der „Pennäler Schnitzelbank“sind mehr als ein ein gewöhnlicher Fastnachtsbund. Denn niemand weiß, wer hinter den Masken steckt.
Am Abend des Fastnachtssonntags verlöschen die Lichter in Ellwangen. Schaurige Stimmung macht sich in den Straßen und Gassen breit. Von der Basilika schlägt’s sieben. Es klingt dumpfer als sonst. Dennoch säumen Tausende die Straßen. Gänsehaut und ein Kribbeln in der Magengrube machen sich bemerkbar angesichts der schwarz gewandeten Kapuzenmänner, die sich im Fackelschein nähern.
Es sind viele, mindestens 70. Das schaurig-schöne Bild wäre noch unheimlicher, würde nicht der Schellenbaumträger in der Mitte auf und ab hüpfen und der Fastnacht Tribut zollen. In den Kneipen und Restaurants der Stadt warten die Ellwanger bang auf das Femegericht der Schwarzen Schar und hoffen, von ihren Spottversen verschont zu werden und nicht im Boden versinken zu müssen vor Scham. „Silentium!“heißt es dann, wenn sie in die Lokale einziehen. Dann erklingt das alte Studentenlied „Gaudeamus igitur“. Und schließlich singen die Maskenmänner ihre unerbittlichen Spottverse, in denen sie das Treiben der Ellwanger – und hier vor allem der Honoratioren der Stadt – aufs Korn nehmen. Die Verse gibt es hinterher auch gedruckt zu kaufen.
„Der Pennäler Schnitzelbank“geht auf das Jahr 1851 zurück. Damit ist der Geheimbund, der auch als „Schwarze Schar“bekannt ist, der älteste Fastnachtsbund in Ellwangen. Seine Anfänge gehen auf die Revolutionszeit von 1848 zurück. Junge Referendare des Ellwanger Gymnasiums, die zuvor mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Universitätsstadt Tübingen gezogen waren, sollen den Geheimbund 1851 gemeinsam mit ihren Schülern gegründet haben. Damals wie heute weiß niemand, wer unter den schwarzen Kapuzen steckt. Zur Gründungszeit war die Geheimhaltung notwendig, um die Zensurvorschriften zu umgehen. Bedingt durch die Anonymität der Mitglieder kann der Geheimbund auch heute juristisch nicht belangt werden. Wenn sich jemand durch einen Spottvers beleidigt fühlt und dies anzeigen will, läuft die Anzeige ins Leere. „Die Schwarze Schar ist ein Aushängeschild der Stadt“, sagt Karl Hilsenbek, der frühere Ellwanger Oberbürgermeister. Während seiner 16 Amtsjahre traf ihn naturgemäß immer wieder der Spott des maskierten Femegerichts. „Als OB wird man nicht vergessen“, sagt Hilsenbek. Dennoch hat er es sich nach eigener Aussage nie nehmen lassen, den Einzug der Schar zu verfolgen und ihren Versen zu lauschen.
Natürlich war der Spott der Pennäler nicht immer angenehm, so Hilsenbek. Er habe es aber stets „sportlich“genommen. Keiner der Verse habe ihn tief verletzt. „Die Schwarze Schar war immer fair“, resümiert der Ellwanger Alt-OB.
Doch die Verseschmiede können auch lammfromm sein. Wenn die eigens erwählte Tanzstundendame ein besticktes Band an den Schellenbaum der Schwarzen Schar heftet, fallen die Maskenträger auf die Knie. Schon Wochen vor dem Fastnachtssonntag wird die Auserwählte, in der Regel eine Ellwanger Oberstufenschülern, mit einem heimlich eingeworfenen Brief benachrichtigt. Sie würdigt die maskierte Schar dann bei der Übergabe des Tanzstundenbands mit einer gereimten Laudatio. Darüber hinaus vergibt der älteste Fastnachtsbund der Stadt seit 1951 in unregelmäßigen Abständen den Orden der Goldenen Sau. Mit ihm werden verdiente Persönlichkeiten der Ellwanger Fastnacht geehrt.