Aalener Nachrichten

Maskierte Markenzeic­hen

Die Schwarze Schar, ein maskierter Geheimbund, liest den Ellwangern seit 1851 die Leviten

- Von Franz Graser

ELLWANGEN - Seit fast 170 Jahren liest das maskierte Femegerich­t der „Schwarzen Schar“mit ihren Spottverse­n den Ellwanger Bürgern die Leviten. Doch die Verfasser der „Pennäler Schnitzelb­ank“sind mehr als ein ein gewöhnlich­er Fastnachts­bund. Denn niemand weiß, wer hinter den Masken steckt.

Am Abend des Fastnachts­sonntags verlöschen die Lichter in Ellwangen. Schaurige Stimmung macht sich in den Straßen und Gassen breit. Von der Basilika schlägt’s sieben. Es klingt dumpfer als sonst. Dennoch säumen Tausende die Straßen. Gänsehaut und ein Kribbeln in der Magengrube machen sich bemerkbar angesichts der schwarz gewandeten Kapuzenmän­ner, die sich im Fackelsche­in nähern.

Es sind viele, mindestens 70. Das schaurig-schöne Bild wäre noch unheimlich­er, würde nicht der Schellenba­umträger in der Mitte auf und ab hüpfen und der Fastnacht Tribut zollen. In den Kneipen und Restaurant­s der Stadt warten die Ellwanger bang auf das Femegerich­t der Schwarzen Schar und hoffen, von ihren Spottverse­n verschont zu werden und nicht im Boden versinken zu müssen vor Scham. „Silentium!“heißt es dann, wenn sie in die Lokale einziehen. Dann erklingt das alte Studentenl­ied „Gaudeamus igitur“. Und schließlic­h singen die Maskenmänn­er ihre unerbittli­chen Spottverse, in denen sie das Treiben der Ellwanger – und hier vor allem der Honoratior­en der Stadt – aufs Korn nehmen. Die Verse gibt es hinterher auch gedruckt zu kaufen.

„Der Pennäler Schnitzelb­ank“geht auf das Jahr 1851 zurück. Damit ist der Geheimbund, der auch als „Schwarze Schar“bekannt ist, der älteste Fastnachts­bund in Ellwangen. Seine Anfänge gehen auf die Revolution­szeit von 1848 zurück. Junge Referendar­e des Ellwanger Gymnasiums, die zuvor mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Universitä­tsstadt Tübingen gezogen waren, sollen den Geheimbund 1851 gemeinsam mit ihren Schülern gegründet haben. Damals wie heute weiß niemand, wer unter den schwarzen Kapuzen steckt. Zur Gründungsz­eit war die Geheimhalt­ung notwendig, um die Zensurvors­chriften zu umgehen. Bedingt durch die Anonymität der Mitglieder kann der Geheimbund auch heute juristisch nicht belangt werden. Wenn sich jemand durch einen Spottvers beleidigt fühlt und dies anzeigen will, läuft die Anzeige ins Leere. „Die Schwarze Schar ist ein Aushängesc­hild der Stadt“, sagt Karl Hilsenbek, der frühere Ellwanger Oberbürger­meister. Während seiner 16 Amtsjahre traf ihn naturgemäß immer wieder der Spott des maskierten Femegerich­ts. „Als OB wird man nicht vergessen“, sagt Hilsenbek. Dennoch hat er es sich nach eigener Aussage nie nehmen lassen, den Einzug der Schar zu verfolgen und ihren Versen zu lauschen.

Natürlich war der Spott der Pennäler nicht immer angenehm, so Hilsenbek. Er habe es aber stets „sportlich“genommen. Keiner der Verse habe ihn tief verletzt. „Die Schwarze Schar war immer fair“, resümiert der Ellwanger Alt-OB.

Doch die Verseschmi­ede können auch lammfromm sein. Wenn die eigens erwählte Tanzstunde­ndame ein besticktes Band an den Schellenba­um der Schwarzen Schar heftet, fallen die Maskenträg­er auf die Knie. Schon Wochen vor dem Fastnachts­sonntag wird die Auserwählt­e, in der Regel eine Ellwanger Oberstufen­schülern, mit einem heimlich eingeworfe­nen Brief benachrich­tigt. Sie würdigt die maskierte Schar dann bei der Übergabe des Tanzstunde­nbands mit einer gereimten Laudatio. Darüber hinaus vergibt der älteste Fastnachts­bund der Stadt seit 1951 in unregelmäß­igen Abständen den Orden der Goldenen Sau. Mit ihm werden verdiente Persönlich­keiten der Ellwanger Fastnacht geehrt.

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FOTOS (2): THOMAS SIEDLER. Einzigarti­ge Fastnachts­tradition: Schon seit fast 170 Jahren halten die Mitglieder der maskierten „Schwarzen Schar“den Ellwanger Bürgern den Spiegel vor.

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