Häfner spricht über Stuttgart
Der Gmünder vom Handball-Bundesligisten im Interview.
STUTTGART - Kräftig Respekt erarbeitet hat sich der Gmünder Max Häfner mit dem TVB Stuttgart in den vergangenen Wochen. Die „Wild Boys“sind die größte Überraschung der Saison und zählen als Tabellenfünfter unerwartet zur Spitzengruppe der Handball-Bundesliga. Tatsächlich bekomme er derzeit oft zu hören, „dass es Spaß macht, uns zuzuschauen“, berichtet Häfner nicht ohne Stolz. Nach den Erfolgsgründen, Lobeshymnen von prominenter Seite und internationalen Träumen erkundigte sich Nico Schoch im Interview beim 24-jährigen Lehramtsstudenten.
Der THW Kiel, die Rhein-Neckar Löwen, die SG Flensburg, die Füchse Berlin – und auf Platz fünf folgt schon der TVB Stuttgart. Beim Blick auf die aktuelle Tabelle müssen sich viele Fans verwundert die Augen reiben. Sie auch, Herr Häfner?
Das ist auf jeden Fall sehr ungewöhnlich – im positiven Sinne, versteht sich. Sowohl ich in meiner Karriere als auch der TVB als Verein haben das noch nie erlebt. Allerdings täuscht die Tabelle noch ein bisschen, denn wir haben bereits das ein oder andere Spiel mehr absolviert als einige Gegner, die hinter uns stehen. Für den Moment ist es dennoch ganz schön anzusehen.
Der TVB wirkt weitaus gefestigter als noch vor einem Jahr, als es einen großen Umbruch gab. Haben Sie insgeheim mit dieser hervorragenden Startbilanz gerechnet?
Ich war guter Dinge, dass wir einen besseren Start hinlegen. Weil wir einfach deutlich eingespielter sind. Das hat sich bereits im Laufe der vergangenen Saison abgezeichnet, als wir viele gute Ergebnisse eingefahren haben. Auf das, was wir uns dort erarbeitet haben, konnten wir in der Vorbereitung aufbauen.
Starke Torhüter können bekanntlich Spiele im Alleingang entscheiden. Mit Nationalkeeper Johannes Bitter hat der TVB einen solchen Mann in seinen Reihen, der im November allerdings positiv auf das Coronavirus getestet wurde und sich zwei Wochen in Quarantäne begeben musste. Hätten Sie erwartet, dass der TVB auch ohne Bitter konstant punktet?
Na ja, in Erlangen (25:34-Niederlage, Anm. d. Red.) haben wir uns ohne ihn extrem schwer getan. Insgesamt aber gab es wenig Ausschläge nach unten und mit Primoz Prost haben wir einen sehr guten zweiten Mann in der Hinterhand. Über Jogi brauchen wir dennoch nicht zu diskutieren. Wenn er dabei ist, sind wir ein gutes Stück besser. Es gibt keinen vergleichbaren Torhüter in der Bundesliga. Wir wissen, was wir an ihm haben. Umso mehr freut es uns zu sehen, dass wir auch mithalten können, wenn er nicht dabei ist. Das gibt der ganzen Mannschaft einfach ein gutes Gefühl.
Wo besteht denn noch Luft nach oben?
Bislang spielen wir im Angriff sehr flüssig und effizient, haben oftmals aber auch relativ viele Gegentore kassiert. In vielen Situationen müssen wir in der Abwehr besser stehen und unseren Torhütern mehr helfen. Genauso können wir im Angriff noch an der ein oder anderen Stellschraube drehen. An diesen Kleinigkeiten und um die letzten Prozente herauszukitzeln, daran arbeiten wir jeden Tag im Training. Die Mannschaft besitzt noch große Entwicklungsmöglichkeiten.
Sie sprachen von einer Momentaufnahme. Kann eine Top FünfPlatzierung nicht auch auf Dauer ein Ziel sein?
Es wäre vermessen, nach zehn Spieltagen zu sagen, dass wir zwingend unter die ersten Fünf kommen wollen. Nach wie vor ist es unser Ziel, so früh wie möglich den Klassenerhalt zu sichern.
Nichtsdestotrotz ist die Bilanz von 13:7 Punkten ein echtes Statement. Wo kann die Reise noch hinführen? Vielleicht sogar erstmals in den Europapokal?
Ich würde lügen, wenn das nicht schon einmal spaßeshalber in der Kabine thematisiert worden wäre. Wir müssen trotzdem ehrlich zu uns sein und bodenständig bleiben. Zwar haben wir uns schon ein kleines Polster erarbeitet. Doch es gibt vier
Abstiegsplätze und viele Mannschaften, die unten drin stehen, haben auch schon gut gepunktet. Dieses Jahr müssen wir deshalb mehr als nur 22 oder 23 Punkte sammeln, um drin zu bleiben. Wenn wir das erreicht haben, dann reden wir auch intern über neue Ziele.
Es scheint aber ganz so, als würdet Ihr ein neues, größeres Selbstbewusstsein entwickeln. Nach der knappen Niederlage beim Champions League-Teilnehmer in Flensburg (30:34) etwa meinte Trainer Jürgen Schweikardt, dass mehr drin gewesen wäre. Und das war keinesfalls überheblich gemeint ... ... nein, ganz und gar nicht. Natürlich treten wir selbstbewusster auf. Wir sind in einem Flow und wissen, dass man uns in dieser Verfassung erst einmal schlagen muss. Wir sind alle ehrgeizig genug, um zu sagen, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Wenn bei uns nahezu alle Spieler an ihre Leistungsgrenze herankommen, dann können wir mit allen Mannschaften mithalten und an guten Tagen sogar die Top Drei schlagen.
In Flensburg erzielten Sie einen sehenswerten Kempa-Treffer. Diese Spezialität haben Sie doch eindeutig aus Ihren ersten Aktivenjahren beim TSB Gmünd mitgenommen, nicht wahr?
Das stimmt. Aaron Fröhlich hat mich damals schon relativ früh gelehrt, mit dem Kempa-Trick ein kleines Ass im Ärmel zu haben. Dass dieses Ass auch in der Bundesliga sticht, ist umso schöner.
Als „Weltklasse“betitelte Ex-Nationalspieler und TV-Experte Stefan Kretzschmar diesen Treffer. Es war nicht das erster Lob von seiner Seite, immerhin hat „Kretzsche“Sie bereits einmal als kommenden Nationalspieler angepriesen. Wie nehmen Sie solche Aussagen wahr? Natürlich erfüllt es einen in gewisser Weise mit Stolz, so etwas zu hören.
Noch dazu von Kretzschmar, der eine absolute Handballikone in Deutschland ist. Dennoch darf man da nicht alle Aussagen auf die Goldwaage legen, muss sie dementsprechend einsortieren. Am Ende ist es eben nicht Kretzsche, der darüber entscheidet, wer in der Nationalmannschaft aufläuft.
Doch wir können festhalten: Sie sind endgültig in der Rolle als Bundesliga-Spielmacher angekommen und haben sich mittlerweile einen eigenen Namen gemacht, oder? Mein Name war ja durch meinen Bruder schon bestens bekannt. (lacht)
Aber während sie anfangs nur als kleiner Bruder des Europameisters bekannt waren, weiß heute fast jeder Handballfan: Max Häfner, das ist der Spielmacher des TVB Stuttgart.
Stimmt. Es macht mich glücklich und ich merke auch, dass ich zunehmend aufgrund meiner handballerischen Qualität ernst genommen werde und die Gegenspieler sich dementsprechend auf mich vorbereiten. Aber es liegt nicht in meiner Macht, zu entscheiden, ob ich jetzt tatsächlich ein gestandener Bundesligaprofi bin.
Beschleicht Sie nicht manchmal ein mulmiges Gefühl, inmitten der Corona-Pandemie Handball zu spielen und weite Auswärtsreisen quer durch Deutschland zu unternehmen?
Keine Frage, wenn man die gesamte Lage und alle Einschränkungen sieht, ist es schon etwas komisch, dass wir weiterhin Sport betreiben dürfen. Unterm Strich aber ist es unser Beruf und ich glaube, nirgendwo so sicher zu sein wie innerhalb der Mannschaft. Wir werden jeden zweiten Tag getestet. Wenn da etwas aufkommen sollte, wissen wir sofort, was Sache ist. Alle Gegner müssen das gleiche Prozedere durchmachen. Deshalb fühle ich mich in keinster Weise unsicher.
Wie verhält es sich mit Geisterspielen?
Man gewöhnt sich tatsächlich daran. Auswärts hilft uns das vielleicht sogar ein wenig, sonst hätten wir in Magdeburg oder Flensburg einen deutlich schwereren Stand gehabt. Zuhause in Stuttgart sind zum Glück ein paar wenige Trommler dabei, damit es nicht so still und trostlos wirkt. Die große Zuschauermasse, vor der es umso mehr Spaß macht zu spielen, fehlt unheimlich. Doch für viele Vereine und die Liga wäre es schwer zu überleben, wenn wir die Saison ab- oder unterbrechen müssten. Das wäre auch für die Außendarstellung schlecht. Bevor das geschieht, spielen wir lieber vor leeren Rängen.
Ein großer Streitpunkt derzeit ist die Weltmeisterschaft, die im Januar in Ägypten ausgetragen werden soll – trotz Corona. Mehrere Spitzenklubs haben sich dagegen ausgesprochen, die Verbände dann aber doch ein Machtwort eingelegt. Wie ist Ihr Standpunkt? Viele Nationalspieler haben sich nach der jüngsten Länderspielreise infiziert, darunter auch Jogi Bitter. Teils mussten sich ganze Mannschaften in Quarantäne begeben. Für die Spieler und die Vereine wäre es wahrscheinlich besser, wenn die WM nicht stattfinden würde aufgrund der womöglich hohen Fallzahlen, die dann den Ligabetrieb lahmlegen könnten. Auf der anderen Seite ist eine WM natürlich immer ein Riesenevent, das viele Zuschauer für den Handball begeistert. Da geht es auch um viel Geld. Den gesamten organisatorischen Aufwand und die Verträge darf man nicht außer Acht lassen.
In der vorigen Woche wurden Sie für die „Mannschaft der Woche“nominiert, an ihrer Seite Bruder Kai (MT Melsungen) und dem norwegischen Weltstar Sander Sagosen (THW Kiel) im Rückraum. Wie groß wäre der Reiz, in der Realität einmal einen solchen Rückraum anzuführen?
Das wäre für mich wohl schöner als für die anderen beiden (schmunzelt). Sowohl Kai als auch Sagosen sind mit ihren Mittelmännern im Verein sicherlich genauso zufrieden wie ich mit meinen Nebenspielern in Stuttgart. Dass ich aber gerne einmal mit meinem Bruder in einem Team spielen würde, ist ja kein Geheimnis.