Heimbewohner, Senioren und Pfleger zuerst
Sechs Kategorien bei den Corona-Impfungen – Herausforderungen beim Transport
Von Finn Mayer-Kuckuk, Dorothee Torebko und unseren Agenturen,
BERLIN/FRANKFURT - Die Zulassung von Corona-Impfstoffen ist auf der Zielgeraden. Deutschland bereitet sich darauf vor. Am Montag hat die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut erste Empfehlungen veröffentlicht, wer zuerst geimpft werden soll: Bewohner von Pflegeheimen, Menschen über 80 und besonders gefährdete Mitarbeiter des Gesundheitswesens – etwa in Notaufnahmen oder auf Covid-19-Stationen – sollen Vorrang haben. Zu diesen Gruppen zählen 8,6 Millionen Menschen. Auf Basis der Stiko-Empfehlungen wird das Gesundheitsministerium noch im Dezember eine Verordnung erstellen.
Stiko-Chef Thomas Mertens verteidigte das Vorgehen der deutschen Behörden gegen den Vorwurf, die Corona-Impfstoffe würden nicht schnell genug zugelassen. „Mehr Schnelligkeit als derzeit an den Tag gelegt wird, kann es gar nicht geben“, sagte der Ulmer Virologe. Die Gesundheitsbehörden der Länder würden wohl noch diese Woche über die offiziellen Empfehlungen informiert.
Die Stiko teilt die Bürger in unterschiedlich dringliche Kategorien ein. Nach den zuvor genannten Gruppen folgen an zweiter Stelle die 75- bis 80Jährigen, das medizinische Personal mit hohem Expositionsrisiko, Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung. An dritter Stelle stehen die 70- bis 75-Jährigen und vor allem Vorerkrankte mit erhöhtem Risiko. An vierter Stelle sind die 65- bis 70Jährigen, Vorerkrankte mit moderatem Risiko sowie Lehrer und Erzieher aufgeführt. Zur fünften Gruppe gehören die 60- bis 65-Jährigen. Als letzte Impflinge sind Normalbürger vorgesehen, die jünger als 60 Jahre alt sind.
Die größte Schwierigkeit besteht in der fachgerechten Verteilung der Impfstoffe. Beim Transport des Vakzins von Biontech/Pfizer, dessen Zulassung in der EU zunächst erwartet wird, sind Temperaturen von unter minus 70 Grad nötig. Dies ist auf längeren Strecken nur mit dem Frachtflieger möglich. Um Sicherheit zu garantieren, müssten alle Teile der Lieferkette „nahtlos ineinandergreifen“, sagte Dorothea von Boxberg, Vertriebschefin von Lufthansa Cargo, am Montag.
- Die Hoffnung auf den Impfstoff ist für viele das Licht am Ende des Tunnels. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) rechnet „damit, dass das ganz früh im nächsten Jahr in den allerersten Tagen losgehen kann“. Das sagte Braun am Sonntagabend im „Bild“-Talk „Die richtigen Fragen“. Die Ständige Impfkommission des Bundes (Stiko) hat einen Plan entworfen, wer zuerst geimpft werden sollen. Der Plan liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor. Das sind die wichtigsten Punkte.
Wer wird zuerst geimpft und wie viele?
Der Plan sieht die höchste Priorität bei Bewohnern von Senioren- und Altenpflegeheimen. Das sind rund eine Million Menschen in Deutschland. Dazu kommen Menschen, die über 80 Jahre alt sind (5,4 Millionen). Zur höchsten Priorität zählt auch das Pflegepersonal in den Altenheimen (1,2 Millionen). Die letzte Gruppe mit „sehr hoher Priorität“ist medizinisches Personal mit „besonders hohem Risiko“, sich bei der Arbeit zu infizieren – zum Beispiel in den Notaufnahmen sowie bei der Betreuung von Covid-Patienten. Insgesamt gehören zur Gruppe mit höchster Priorität 8,6 Millionen Menschen – also etwas mehr als ein Zehntel der Bevölkerung.
Wann werden Personen mit Vorerkrankungen geimpft?
In der dritten Stufe. Vorher soll die Impfung Menschen, die zwischen 75 und 80 sind, medizinischem Personal mit „hohem“Risiko, Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung sowie dem Personal, das diese betreut, angeboten werden. Das sind 6,7 Millionen Menschen. Personen mit Vorerkrankungen sowie deren engste Kontaktperson und Menschen zwischen 70 und 75 zählen zur dritten Gruppe. Wenn die Vorerkrankung als „moderates Risiko“eingestuft wird, bekommt die Person in der vierten Gruppe den Impfstoff.
Warum bekommen Obdachlose und Asylbewerber die Impfung vor Lehrern und Erziehern? Obdachlose und Bewohner von Asylunterkünften zählen zur dritten Gruppe, Lehrerinnen und Erzieher folgen erst in der vierten Stufe. Die Stiko argumentiert, dass diese Menschen einen schlechteren Zugang zur medizinischen Betreuung als die Allgemeinbevölkerung hätten und eine Infektion daher häufiger unentdeckt bleibe. Außerdem führten die Lebensumstände dazu, dass die Einhaltung der Abstands- und Hygienemaßnahmen sowie eine mögliche Quarantäne erschwert sei. Bei Asylbewerbern kommt hinzu, dass sich bei einer Infektion in einer Unterkunft viele Menschen anstecken.
Wie lange muss ich warten, wenn ich unter 60 bin, keine Vorerkrankungen
habe und nicht zur kritischen Infrastruktur gehöre?
In diesem Fall gehören Sie zu den rund 45 Millionen Deutschen, die auf die Massenimpfung warten müssen. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn sollte das „spätestens im Sommer“möglich sein – dann auch in den Arztpraxen.
Woher weiß ich, ob ich gleich zu Anfang und wo und wann ich geimpft werden soll?
Relativ einfach dürfte die Sache für die Bewohner von Heimen sein, zu ihnen kommen die mobilen Impfteams. Alle anderen können nicht einfach zum nächstgelegenen Impfzentrum gehen und dort die Injektion verlangen, sondern müssen auf eine „Einladung“warten und dann einen Termin vereinbaren. Wer sich aber genau um dieses Einladungsmanagement kümmern soll, ob Bund, Länder, Einwohnermeldeämter oder Krankenkassen, ist noch nicht ganz klar.
Wie läuft die Impfung ab?
Ärzte verabreichen zwei Impfstoffdosen im Abstand von 21 Tagen. Ist der Impfstoff injiziert, muss der Patient fünf Minuten zur Beobachtung bleiben. Risikopatienten werden 15 bis 30 Minuten beobachtet.
Was ist, wenn ich mich zwischen erster und zweiter Impfung mit Corona anstecke?
In dem Fall sollten die Ärzte die zweite Impfstoffdosis nicht verabreichen. Liegen mehr als 21 Tage zwischen der ersten und zweiten Dosis, ist das nicht schlimm. Die Serie kann fortgesetzt werden. Allerdings sollten Ärzte darauf achten, dass der Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach dem Ende der Impfserie zu anderen Impfungen eingehalten wird.
Muss ich mich impfen lassen, wenn ich Corona hatte?
Wer eine Infektion durchgemacht hat, muss sich nicht impfen lassen – zunächst. Allerdings könnte die Impfung später anstehen. Ob und wann Personen mit durchgemachter Infektion doch geimpft werden müssen, ist noch nicht entschieden. Wer mit Corona infiziert war und sich impfen lässt, muss keine Angst vor Nebenwirkungen haben. Es gibt „keinen Hinweis darauf, dass die Impfung nach bereits unbemerkt durchgemachter Sars-CoV-2-Infektion eine Gefährdung darstellt“, heißt es bei der Stiko. Daher müssen Patienten auch keinen Antikörpertest vorlegen, wenn sie sich impfen lassen wollen.
Muss ich nach dem Impfen eine Maske tragen?
Ja. Denn der Erreger kann nach derzeitigem Forschungsstand möglicherweise weiterhin übertragen werden – trotz Impfung. Daher muss der Geimpfte auch nach der Behandlung die Schutzmaßnahmen einhalten, also Maske tragen, regelmäßig Hände waschen und Abstand halten.