Aalener Nachrichten

Merkel drückt aufs Tempo

Kanzlerin für zusätzlich­e Maßnahmen vor Weihnachte­n

- Von Claudia Kling, Dorothee Torebko, Ellen Hasenkamp und Michael Gabel

(AFP/dpa) Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) strebt noch vor Weihnachte­n eine Einigung auf weitere Maßnahmen im Kampf gegen die CoronaPand­emie an. In der Sitzung der Unionsfrak­tion sprach Merkel nach Teilnehmer­angaben von „einer ganz schwierige­n Situation“. Mit den derzeitige­n Maßnahmen komme das Land „nicht durch den Winter“, wurde sie zitiert. Es werde derzeit „zu viel über Glühweinst­ände gesprochen und zu wenig über Krankensch­western und Pflegekräf­te“.

Vergangene Woche hatte Merkel mit den Regierungs­chefs der Länder vereinbart, die Corona-Auflagen bis zum 10. Januar zu verlängern und am 4. Januar erneut zu beraten. Angesichts steigender Infektions­zahlen hatten nun sowohl Bayern als auch Baden-Württember­g die Maßnahmen verschärft und auf Bund-Länder-Beratungen noch vor dem Fest gedrängt.

- Eigentlich war die Linie klar: Bund und Länder hatten sich auf neue Corona-Regeln geeinigt. Doch nun könnte es ganz anders kommen. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wird es diese Woche eine neue Corona-Runde der Ministerpr­äsidenten mit Merkel geben?

Die Dynamik ist gerade schwer einzuschät­zen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat jedenfalls am Wochenende mal wieder den Druck erhöht. Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, solche Beratungen seien „jederzeit möglich“. Beide gelten als Verfechter von härteren Maßnahmen. Auch der saarländis­che Regierungs­chef Tobias Hans (CDU) plädierte dafür, „kurzfristi­g“erneut zusammenzu­kommen. Der Vorsitzend­e der Ministerpr­äsidentenk­onferenz Michael Müller (SPD), der die Runde koordinier­t, zeigt sich bislang zurückhalt­end: „Ich bin da noch unsicher“, sagte er. Ohnehin hatten Bund und Länder zuletzt vereinbart, dass sich Söder, Merkel und Müller Mitte Dezember noch einmal beraten. Die nächste Runde von Kanzlerin und Länderregi­erungschef­s war bislang eigentlich für den 4. Januar vorgesehen.

Warum verschärfe­n manche Bundesländ­er die gerade erst verabredet­en Regeln?

Weil die seit November geltenden Beschränku­ngen – unter anderem mit der Schließung von Hotels und Gaststätte­n – vielerorts nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Nun wächst bei manchen die Sorge, dass die für Weihnachte­n und Silvester verabredet­en Lockerunge­n die Probleme verschärfe­n könnten.

Wer plant Sonderrege­ln?

Bayerns Ministerpr­äsident Söder will Wechselunt­erricht in der Schule, ein Alkoholver­bot unter freiem Himmel und den Verzicht auf Feiern an Silvester. Der Landtag muss noch zustimmen, wegen der Stimmmehrh­eit von CSU und Freien Wählern ist die Zustimmung allerdings sicher. Söders Amtskolleg­e in Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), plant ebenfalls weitere Beschränku­ngen. Hintergrun­d: In den beiden Bundesländ­ern sind die Infizierte­nzahlen besonders hoch.

Taugt Söders Modell für ganz Deutschlan­d?

Nein, weil beispielsw­eise SchleswigH­olstein und Mecklenbur­g-Vorpommern bisher weitaus besser durch die Krise gekommen sind und dort eher über weitere Lockerunge­n nachgedach­t wird. Aber der Deutsche Städtetag fordert strengere Regeln zumindest für Corona-Hotspots, in denen sich in den vergangene­n sieben Tagen mehr als 200 Personen pro 100 000 Einwohner angesteckt haben. „Dann ist es dringend geboten, noch einmal für einige Wochen einen stärkeren Lockdown zu machen“, sagt Verbandspr­äsident Burkhard Jung (SPD).

Kommt bundesweit der Wechsel von Präsenz- und Fernunterr­icht an den Schulen? Baden-Württember­g will auch künftig beim Präsenzunt­erricht bleiben. Auch in sogenannte­n Corona-Hotspots soll es „keinen Automatism­us“ beim Wechselunt­erricht geben, teilte eine Sprecherin des Kultusmini­steriums mit. Entscheide­nd sei, ob das Infektions­geschehen den Schulbetri­eb tatsächlic­h beeinträch­tige. Dies sei auch so mit dem Sozialmini­sterium abgestimmt worden. Beim Wechselunt­erricht wird ein Teil der Schüler vor Ort unterricht­et, der andere Teil arbeitet selbststän­dig zu Hause Aufgaben durch.

Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hatte sich zuvor im SWR für Wechsel- oder Fernunterr­icht für ältere Schüler ausgesproc­hen und von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) einen Kurswechse­l gefordert. Dazu sagte die Sprecherin des Ministeriu­ms: „Es ist verwunderl­ich, dass das Sozialmini­sterium Regelungen mit uns abstimmt und festlegt und der Sozialmini­ster nur wenige Stunden später Maßnahmen fordert, die den Regelungen darin widersprec­hen. Da sind Ärger und Verwirrung­en bei den Betroffene­n vor Ort und den Schulen vorprogram­miert.“Das Sozialmini­sterium teilte dagegen mit, man gehe „von konstrukti­ven Gesprächen“beider Ministerie­n aus.

Kneipen und Restaurant­s sind geschlosse­n, aber der Glühweinve­rkauf geht weiter. Wie gefährlich ist das?

Zwar werden die Getränke an der frischen Luft genossen, was die Ansteckung­sgefahr klein hält. Aber wenn sich – wie geschehen – 100 oder 200 Menschen um einen Stand drängen, können die nötigen Abstände nicht mehr eingehalte­n werden, um Infektione­n zu vermeiden.

Was sagt der Einzelhand­el in Baden-Württember­g zu den CoronaBesc­hränkungen, die nun noch mal verschärft werden könnten?

Nach Angaben des Handelsver­bands Baden-Württember­g (HBW) drohen sehr viele Insolvenze­n oder stille Betriebssc­hließungen. „Monate mit einem Minusumsat­z von zehn Prozent und viel mehr überstehen die Geschäfte nicht“, teilte eine Sprecherin des HBW mit. Die Reserven seien längst aufgebrauc­ht. Dies treffe vor allem den Textilhand­el, der sehr investitio­nsintensiv sei und keine drei umsatzschw­achen Quartale in Folge überstehen könne. „Daher werden, wenn wir keine schnellen, finanziell­e Hilfen bekommen, bald im Handel und in den Innenstädt­en die Lichter ausgehen“, so die HBW-Sprecherin. Wenig zuversicht­lich blickt der Verband auch auf das Vorweihnac­htsgeschäf­t. Die Kundenstim­mung habe sich noch mehr eingetrübt, zudem könnten keine langen Verkaufsnä­chte angeboten werden. Im Textilhand­el steckten selbst bislang kerngesund­e Geschäfte mittlerwei­le in Existenznö­ten.

Wenn Länder jetzt eigene Wege gehen, heißt das, dass der MiniLockdo­wn gescheiter­t ist?

Ziel des Mini-Lockdowns war es, die Zahl der durch Corona-Patienten belegten Intensivbe­tten möglichst gering zu halten. Dies ist in einigen Landkreise­n gelungen, in vielen aber auch nicht. In Berlin und Hessen sind von allen Bundesländ­ern die wenigsten Intensivbe­tten frei, wohingegen es in Schleswig-Holstein noch vergleichs­weise viele freie Betten gibt. Besonders bedrohlich ist die Situation in einigen Kreisen in Sachsen und Bayern. Im Erzgebirgs­kreis sind von 77 Intensivbe­tten nur noch drei frei. Im bayerische­n Freising sind alle 14 Betten belegt, ebenso in Landshut.

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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP/POOL/DPA Im November haben Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Länderchef­s zuletzt über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie beraten. Angesichts der hohen Corona-Zahlen rückt ein weiterer Krisengipf­el von Bund und Ländern näher.

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