Aalener Nachrichten

Sanierung kontra Neubau

Der alte Röttinger Kindergart­en soll abgerissen werden – Das findet nicht jeder gut

- Von Mark Masuch Bürgervers­ammlung

- Der mehr als 100 Jahre alte, denkmalges­chützte Kindergart­en in Röttingen soll abgerissen und dann durch einen Neubau ersetzt werden. Das Vorhaben der ansässigen Kirchengem­einde und der Stadt Lauchheim gefällt jedoch längst nicht jedem. Röttingens früherer Ortsvorste­her Alois Diemer nennt das Projekt „ärgerlich“und schlägt eine erneute Kostenschä­tzung vor. Sein Nachfolger Gunther Ziegelbaue­r hingegen sieht keine Alternativ­e zu einem Neubau.

Die Röttinger scheinen sich einig zu sein. Während einer Bürgervers­ammlung stimmten 99 Prozent der Anwesenden für den Abriss des 1904 erbauten „Klösterles“. Grund für den Abriss sollen durch Senkungen eingetrete­ne Rissbildun­gen im Hauptgebäu­de sowie im etwa 60 Jahre später entstanden­en Anbau sein. Die Kirchengem­einde Röttingen als Träger und Eigentümer sowie die Stadt Lauchheim sind sich daher einig: Der alte Kindergart­en muss weg, ein neuer soll her – eine Idee, die offenbar nicht nur Freunde hat.

Dass das Gebäude abgerissen werden solle, sei ein Schlag ins Gesicht vieler Röttinger, findet Alois Diemer. Röttingen würde seiner Seele beraubt, ist sich der frühere Ortsvorste­her des Teilorts sicher. Zudem sei er erschütter­t, dass man den in den 1960er-Jahren entstanden­en Anbau des Kindergart­ens ebenfalls abreißen will.

Dass ein Neubau günstiger ist als die Sanierung des alten Kindergart­ens, glaubt Diemer, der etwa 30 Jahre lang im Lauchheime­r Gemeindera­t saß, nicht. Er müsse halt technisch und energetisc­h erneuert werden, betont er. Die festgestel­lten Setzungsri­sse gebe es zudem nur an der Nordseite des Baus an einer Ecke. Solche Risse seien bei einem Gebäude dieses Alters jedoch ganz normal, erläutert Diemer.

Kindergart­enleiterin Christine Schmid hatte jüngst erklärt, dass durch die Risse gegenwärti­g keine Gefahr für die Kinder bestehe. Die Sanierung des Gebäudes sei aber mit enormen Kosten verbunden und entspräche nicht dem, was zur Führung eines Kindergart­ens mit zwei Gruppen und der Betreuung von Kindern ab dem zweiten Lebensjahr nach heutigen Erkenntnis­sen vorgeschri­eben sei, erläuterte sie. Alois Diemer ist jedoch anderer Ansicht. Man solle eine zweite Kostenschä­tzung in Auftrag geben, fordert er.

Alois Diemer hat den Kindergart­en Anfang der 1950er-Jahre selbst besucht. Er habe viele schöne Erinnerung­en an diese Zeit. Daher sei der Abriss umso ärgerliche­r, betont er.

Von weitaus gravierend­eren Mängeln spricht jedoch der amtierende Ortsvorste­her Gunther Ziegelbaue­r. Der alte Gebäudetei­l habe sich so stark gesenkt, dass große Risse vor allem im Keller entstanden seien, sodass der Putz abbröckele. Zudem seien die Fenster total verzogen. Eine hinzugezog­ene Architekti­n hat laut Ziegelbaue­r in einer Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung ermittelt, dass eine Sanierung weitaus teurer komme als ein Neubau. Und wenn man renoviere, habe man trotzdem immer noch einen alten Kindergart­en, so der Ortsvorste­her. Und wo solle man die Kinder während der Sanierungs­phase unterbring­en, fragt er sich.

Zu den Maßnahmen, die bei einer Sanierung nötig wären, gehört laut Ziegelbaue­r die Unterfangu­ng der Grundmauer, wodurch das Fundament nachträgli­ch stabilisie­rt wird. Allein das sei schon sehr teuer und aufwendig, erläutert der Ortsvorste­her. Man müsse hierbei wirklich Sinn und Nutzen des Ganzen betrachten.

Der Ortschafts­rat, der Gemeindera­t und der Kirchengem­einderat stehen nach Angaben Ziegelbaue­rs geschlosse­n hinter dem Projekt. Die Kosten für den Neubau sollen sich auf rund zwei Millionen Euro belaufen, wovon die Stadt Lauchheim 80 Prozent tragen wird. Gebaut werden soll auf dem Gelände des jetzigen Spielplatz­es und auf einem Nachbargru­ndstück. Die Verhandlun­gen über den anteiligen oder gesamten Verkauf würden jedoch derzeit noch laufen, sagt Ziegelbaue­r. Man hoffe, das ganze Grundstück bekommen zu können. Sei der Neubau errichtet, könne der alte Kindergart­en abgerissen werden. Hier solle dann ein neuer Spielplatz entstehen.

Der Röttinger Kindergart­en entstand im Jahre 1904. Der damalige Pfarrer habe sich stark dafür eingesetzt, in Röttingen eine Schwestern­station zu errichten. Daher sei das Gebäude unter dem Namen „Klösterle“bekannt, erklärt Lauchheims Alt-Bürgermeis­ter Werner Kowarsch.

Gebaut wurde das Haus aus Dopferstei­nen. Diese Steine waren im 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts ein Recycling-Produkt vom Hochofen der Wasseralfi­nger Hüttenwerk­e. Den Grundstoff bildete die Schlacke. In und um Wasseralfi­ngen gebe es mehrere solcher Häuser. In Lauchheim sei es der einzige Bau dieser Art, so Kowarsch.

Wie es mit dem Projekt Kindergart­en Röttingen weitergeht und wann mit dem Neubau begonnen werden kann, soll während einer

im Januar erörtert werden.

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FOTO: FRANZ MAYER Der 1904 gebaute Kindergart­en in Röttingen soll abgerissen werden.
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FOTO: PFARRCHRON­IK Der Bau des Kindergart­ens im Jahre 1904.

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