Ostälbler 2020 weniger überschuldet
Kreis rutscht im bundesweiten Ranking aber ab – Pandemie dürfte Situation verschlechtern
- Die Überschuldung der Verbraucher hat im Ostalbkreis wie in ganz Deutschland 2020 trotz der Corona-Pandemie nochmals abgenommen. 7,05 Prozent der Ostäblerinnen und Ostälbler können demnach ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Das ist der tiefste Stand der vergangenen fünf Jahre. 2019 waren noch 7,11 Prozent überschuldet. Die Überschuldungsquote beschreibt den Anteil überschuldeter Personen über 18 Jahren im Verhältnis zu allen Erwachsenen im Landkreis. Dies geht aus dem Schuldneratlas 2020 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Er kommt zu dem Schluss: Die Überschuldungslage wird sich für viele Verbraucher in Deutschland in den nächsten Jahren deutlich verschlechtern, auch wenn der aktuelle Trend noch positiv ist.
Allerdings ist der Ostalbkreis im bundesweiten Ranking der 401 Stadtund Landkreise vom 74. auf den 80. Platz abgerutscht. Damit ist er aber immer noch besser als Landkreise aus dem Stuttgarter „Speckgürtel“wie Esslingen (85) oder Ludwigsburg (94) und rangiert in Baden-Württemberg auf dem zwölften Platz bei 41 Stadt- und Landkreisen.
Der Rems-Murr-Kreis liegt mit einer Quote von 7,64 Prozent auf Platz 103, der Landkreis Heidenheim mit 8,45 Prozent auf Rang 140 und landesweit auf Platz 31. Dort ist die Verschuldung im Vergleich zum Vorjahr zwar auch zurückgegangen, aber im Vergleich zu 2015 (8,03 Prozent) deutlich gestiegen. Im Ranking hat der Nachbarkreis allerdings zwei Plätze gut gemacht.
Im Ostalbkreis hat sich die Verschuldungsquote in den vergangenen Jahren so entwickelt: 2013 lag sie bei 6,85 Prozent und stieg 2015 auf 7,09, ein Jahr später auf 7,24 Prozent, um die beiden folgenden Jahre bei 7,23 Prozent zu verharren. Danach sank sie wieder.
„Der vermeintlich positive Befund ist allerdings kein Zeichen der
Entspannung“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Auf den ersten Blick sei die aktuelle Überschuldungsentwicklung paradox, da die Corona-Pandemie und die von der Politik beschlossenen Schutzmaßnahmen die Wirtschaft in eine tiefe Rezession geschickt hätten. „Ein Ende der gesundheitspolitischen und ökonomischen Krisenlage ist angesichts des ansteigenden Infektionsgeschehens nicht absehbar – die unmittelbaren und mittelbaren Folgewirkungen werden für Wirtschaft, Gesellschaft und Verbraucher gravierender sein als die der Weltfinanzkrise 2008 und 2009“, so Hantzsch weiter.
„Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben die Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung“, sagt Stephan Vila, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. „Die staatlichen Hilfsmaßnahmen haben die schlimmsten sozialen Auswirkungen abgemildert. Und auch die erhöhte Sparneigung und Ausgabenvorsicht sowie eine größere Konsumzurückhaltung haben dafür gesorgt, dass ein flächendeckender Liquiditätsengpass bisher ausblieb.“Dennoch sei die Lage besorgniserregend angesichts von Arbeitsplatzverlusten und Kurzarbeit. Der Lockdown im November verschärfe diese Problematik zusätzlich.
„Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind laut Studie besorgniserregend, da die Corona-Pandemie auch eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirke. Die oberen sozialen Schichten könnten Einkommensausfälle kompensieren – sie sparten vermehrt, verzichteten auf Ausgaben und hielten sich beim Konsum zurück. Die unteren sozialen Schichten hätten keine oder nur sehr geringe finanzielle Reserven und veroder überschuldeten sich. Finanzielle Überlastungen deuteten sich an, die zeitlich versetzt, zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen würden. Zudem erwarte man verstärkt Verbraucherinsolvenzverfahren durch die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode seit Oktober 2020.
Trotz positivem Gesamttrend zeigten sich auch bedenkliche Teilergebnisse. Lokale Daten liegen zwar noch nicht vor, aber der für die Region zuständige Vertriebsleiter teilt auf Anfrage mit, dass in der lokalen Betrachtungsweise sich die spezifischen Anteile nicht groß von den bundesweiten Ergebnissen unterscheiden. Das Phänomen „Altersüberschuldung“, heißt es in der Studie, gewinne nochmals stärker als in den Vorjahren an Bedeutung. Die Zahl älterer überschuldeter Verbraucher (über 50 Jahre) habe deutlich zugenommen. Die Zahl jüngerer überschuldeter Verbraucher (unter 50 Jahre) habe fast ebenso deutlich abgenommen. Zudem sei die Zahl der Überschuldungsfälle mit geringer Intensität (vereinfacht: nachhaltige Zahlungsstörungen) zum vierten Mal in Folge angestiegen. Dies korrespondiere weiterhin und trotz Corona mit den Folgen einer zunehmenden Konsumverschuldung, die sich durch fast alle Altersgruppen ziehe.