Aalener Nachrichten

„Jetzt kommt der Sturm“

Seifert verteilt die TV-Milliarden und warnt die Clubs – Mehr Geld wird gleichmäßi­g ausgeschüt­tet, gesellscha­ftliches Interesse spielt eine Rolle

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(SID) - Bevor Christian Seifert die mit Spannung erwartete Lösung im Streit um die TV-Gelder verkündete, schockiert­e er mit einem Schreckens­szenario. Bis zu zwei Milliarden Euro an Umsatzeinb­ußen befürchtet der DFL-Boss für den deutschen Profifußba­ll durch die Corona-Pandemie – und die große Bedrohung folgt erst noch. „Die letzte Saison war bestenfall­s ein laues Lüftchen. Jetzt kommt der Sturm“, warnte Seifert und fügte mit Blick auf den neuen Verteilers­chlüssel der TVMilliard­en hinzu: „Mitten im Sturm sollte man nicht das Dach decken.“

Deshalb hat die DFL in ihrem neuen Verteilerm­odell für die Spielzeite­n 2021/22 bis 2024/25 auch nur kleinere Anpassunge­n vorgenomme­n. „In wirklich unsicheren Zeiten versuchen wir, Beschlüsse zu fassen, um irgendwie alle 36 Clubs durch diese Krise zu fahren“, sagte Seifert und betonte: „Es sind keine Zeiten für radikale Lösungen, sondern für verlässlic­he Lösungen, in denen man den Blick nach vorne wirft.“

In den kommenden vier Jahren gibt es für die Medienrech­te aus dem deutschspr­achigen Raum pro Saison durchschni­ttlich rund 1,1 Milliarden Euro zu verteilen – um die Stabilität der Clubs der Bundesliga und 2. Liga zu sichern, wird ein größerer Teil der Summe als bislang gleichmäßi­g verteilt (53 Prozent in den kommenden zwei Spielzeite­n). So erhalten alle Clubs der Bundesliga aus der Säule „Gleichvert­eilung“in der nächsten Saison sicher 24,7 Millionen Euro, in der 2. Liga werden alle Vereine 6,9 Millionen Euro bekommen.

Für Borussia Dortmunds Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke stellt die Entscheidu­ng einen „schmerzhaf­ten Kompromiss“dar. „Dieser ist vor dem Hintergrun­d der Covid-19-Pandemie und aus Solidaritä­tsgründen aber unumgängli­ch und daher auch richtig“, sagte der BVB-Boss.

Als zweite große Säule dient wie bisher die sportliche Leistung (42 Prozent bis 2022/23, danach 43 Prozent). Auch gute Nachwuchsa­rbeit wird weiterhin honoriert (3 Prozent bis 2022/23, danach 4 Prozent) – neu ist jedoch die Berücksich­tigung des gesellscha­ftlichen Interesses als vierte Säule (2 Prozent bis 2022/23, danach 3 Prozent). Dafür werden aber nicht Einschaltq­uoten herangezog­en, sondern „das Auftreten der

Spieler und die Außenwirku­ng einer Mannschaft“, wie Seifert sagte. In der Marktforsc­hung wird das Interesse von Fans an den Vereinen der Bundesliga und 2. Liga abgefragt.

Von Fanseite gab es jedoch umgehend Kritik am neuen Modell. Als „absolut enttäusche­nd“bezeichnet­e das Fanbündnis „Unsere Kurve“den Entschluss und erklärte: „Wir können keine substantie­llen Veränderun­gen erkennen. Die marginale Erhöhung des Prozentsat­zes in der Säule Gleichvert­eilung entpuppt sich als vorübergeh­ende Corona-Hilfsmaßna­hme.“Zudem sei „das Leistungsu­nd Vermarktun­gsprinzip weiterhin vorherrsch­end und bestehende Unterschie­de werden zementiert“.

Seifert war hingegen mit dem neuen Schlüssel zufrieden. „Es ist ein Bekenntnis zum Leistungsp­rinzip, aber dennoch auch ein Setzen von neuen Impulsen“, sagte er zum Beschluss des neunköpfig­en DFL-Präsidiums, der den 36 Proficlubs auf einer rund dreieinhal­bstündigen virtuellen Mitglieder­versammlun­g präsentier­t wurde. Präsidiums­mitglied

Christian Seifert

Oliver Leki, Finanzvors­tand beim SC Freiburg, hatte danach „den Eindruck, dass ein ganz breiter Konsens besteht“. Das war in den vergangene­n Monaten völlig anders – hitziger denn je hatten die Clubs über das Verteilerm­odell gestritten. Vor allem der Zank zwischen den „Großen 15“(14 Bundesligi­sten und Zweitligis­t Hamburger SV) rund um BayernBoss Karl-Heinz Rummenigge und den „Kleinen 14“aus vier Bundesligi­sten (darunter der VfB Stuttgart sowie der FC Augsburg) und zehn Zweitligis­ten hatte für Aufsehen gesorgt. Auf Reformbest­rebungen der „K14“für mehr Chancengle­ichheit durch starke Umverteilu­ng von oben nach unten folgte scharfe Kritik.

Die Clubs nahm Seifert nun aber in die Pflicht. „Dieser Beschluss hat das Potenzial, die Liga zusammenzu­halten. Ob es dazu kommt, müssen andere entscheide­n“, sagte er und forderte die Vereine auf, an der Senkung ihrer Personalko­sten zu arbeiten: „Der eine oder andere Club hat bei den Spielergeh­ältern noch zu wenig gemacht.“Denn ausgestand­en ist diese Krise noch lange nicht.

„Mitten im Sturm sollte man nicht das Dach decken.“

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FOTO: GOLLNOW/DPA Die Meinung der Fans aus der Cannstatte­r Kurve ist eindeutig.

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