EU verschärft ihr Klimaziel
Weniger Treibhausgase geplant – Industrie skeptisch
(dpa) - Die EU schraubt ihr Klimaziel für 2030 deutlich in die Höhe: Bis dahin sollen innerhalb der Europäischen Union 55 Prozent weniger Treibhausgase produziert werden als im Jahr 1990. Bisher war das Ziel minus 40 Prozent. Auf die neue Marke einigte sich der EU-Gipfel in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert über den Beschluss. Dafür habe sich eine durchwachte Nacht gelohnt, sagte sie zum
Abschluss des Gipfels. Deutschland, das in der EU noch bis zum Jahresende die Ratspräsidentschaft führt, hatte das 55-Prozent-Ziel unterstützt. Industrieverbände sehen die Verschärfung als sehr ehrgeizig. Sie ist verbunden mit hohen Milliardeninvestitionen. Umweltschützer und Grüne kritisieren dagegen, dass zum Stopp der Überhitzung der Erde viel mehr nötig wäre – mindestens minus 65 Prozent. Zudem habe die EU ihr Ziel verwässert.
- Auf 55 Prozent CO2-Einsparung bis 2030 haben sich die EUChefs auf ihrem Gipfel in Brüssel geeinigt. Was aber heißt das konkret? Und wie beeinflusst es mittelfristig den Alltag von uns allen?
Was steht im Kleingedruckten?
Ernüchternd wenig. Wie das große Ziel mit konkreten Maßnahmen erreicht werden soll, darüber schweigt sich der Gipfelbeschluss aus. Wie viel die einzelnen Mitgliedsstaaten zu den Einsparungen beitragen sollen, wird ebenso auf später vertagt wie andere unpopuläre Entscheidungen – zum Beispiel die Einführung einer CO2-Einfuhrsteuer. Sie soll Importe CO2-intensiver Produktion verteuern. Die Verlagerung potenziell klimaschädlicher Produktionen ins Ausland würden damit unattraktiver für die Wirtschaft.
Ist das Ziel realistisch?
In den vergangenen 30 Jahren hat die EU 25 Prozent CO2 eingespart. Ein nicht unwesentlicher Teil dieses Erfolges geht auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Länder des Ostblocks zurück. Es scheint schwer vorstellbar, dass nun innerhalb von zehn Jahren nochmals 30 Prozent zu schaffen sein sollen – und das ausdrücklich, ohne die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu schädigen. Andererseits hat die technische Entwicklung auch große Fortschritte gemacht. Der Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix konnte deutlicher gesteigert werden, als es noch zur Jahrtausendwende möglich schien. Das internationale Umfeld hat sich ebenfalls verändert. Wachstumsmärkte wie China bekennen sich heute zum Klimaschutz, damit wird die Wettbewerbssituation für klimafreundliche Technologien günstiger.
Warum war der Kompromiss so schwierig?
Länder wie Polen, deren Energiemix einen hohen Anteil an Kohleverbrennung beinhaltet, wollen höhere Kompensationen für die Umstellung auf andere Energieträger. Deshalb wurde der „Fonds für den gerechten Übergang“auf 7,5 Milliarden Euro aufgestockt. Zusätzlich sollen 30 Prozent des 1,8 Billionen schweren Finanzpaketes für die kommenden sieben Jahre in klimafreundliche Projekte fließen. Der eigentliche Streit steht aber noch bevor, wenn ausgehandelt werden muss, wie die Einsparungen auf die einzelnen Mitgliedsstaaten verteilt werden. Länder wie Dänemark oder Schweden, die schon sehr weit gekommen sind, werden mehr Anstrengungen von Osteuropa verlangen, das großen Nachholbedarf hat.
Ist damit das Klima gerettet?
Der Beschluss hat viele Schlupflöcher, was von Umweltorganisationen auch prompt kritisiert wurde. So ist das 55 Prozent-Ziel ein „Nettowert“, was bedeutet, dass CO2-bindende Wälder oder renaturierte Moore gegengerechnet werden dürfen. Auch wird Gas als förderwürdige Brückentechnologie in den Schlussfolgerungen genannt. Kritiker fürchten, dass die Ostblockländer und Frankreich wieder mehr in Kernkraft investieren könnten, was zwar eine CO2-neutrale aber keine saubere Alternative darstellt.