Bauern leiden unter Pandemie
Preisdruck setzt vor allem Schweinehaltern zu
(hego) - Coronavirus, Afrikanische Schweinepest und Preisdruck des Lebensmitteleinzelhandels: Die Lage vieler Bauern im Süden entwickele sich derzeit katastrophal, sagte der Präsident des Landesbauernverbands Joachim Rukwied bei der Vorstellung der Jahresbilanz der landwirtschaftlichen Betriebe am Freitag. Vor allem für Schweinehalter, die wegen der Schweinepest nicht exportieren können, sei die Lage schwierig. Im Geschäftsjahr
2019/20, das im Sommer endete, verdienten die Bauern in Baden-Württemberg und Bayern im Bundesvergleich am wenigsten. Im Schnitt verbuchten die Haupterwerbsbetriebe in Baden-Württemberg pro Familienarbeitskraft ein Ergebnis von 39 012 Euro. In Bayern waren es rund 37 400 Euro. Politik und Lebensmitteleinzelhandel müssten sich jetzt dringend zur regionalen Erzeugung bekennen, forderte Rukwied.
- Eigentlich sei er ein Optimist, sagt Baden-Württembergs Bauernpräsident Joachim Rukwied. Doch im Moment gebe es keinen Grund für Optimismus. Es seien schlicht zu viele Probleme, denen die Landwirte in Baden-Württemberg und ganz Deutschland gegenüberstünden. Neben dem schon lange andauernden Markt- und Preisdruck und immer mehr ökologischen Auflagen durch die EU und die Bundesregierung, komme nun noch die Corona-Krise obendrauf.
Ganz besonders kumulieren die Probleme in der Schweinehaltung. 2000 Schweinebauern gibt es in Baden-Württemberg. „Und da sieht es katastrophal aus“, sagt Rukwied. Wegen der Corona-Krise müssen die Schlachthöfe unter schärfsten Hygieneauflagen arbeiten. Weil sie Abstand halten müssen, sind weniger Mitarbeiter im Einsatz. Die Schlachtungen verzögern sich, und das trifft wiederum die Bauern, bei denen sich die Tiere stauen.
Und als wäre Corona nicht genug, kommt hinzu, dass der Markt wegen der Afrikanischen Schweinepest eingebrochen ist. Die Nachricht, dass die Seuche bei Wildschweinen in Deutschland nachgewiesen wurde, hatte dafür gesorgt, dass China – der bisher größte Abnehmer aus dem Ausland – kein Schweinefleisch mehr importiert. „Der Schlachtschweinepreis ist auf 1,19 Euro pro Kilo eingestützt, der Ferkelpreis liegt in Baden-Württemberg bei desaströsen 23,10 Euro pro Ferkel“, sagt Joachim Rukwied.
Dabei war Chinas Nachfrage nach Schweinefleisch bis zum Auftreten der Tierseuche eigentlich hoch gewesen und hatte die Gewinne der baden-württembergischen Schweinebauern im vergangenen Geschäftsjahr noch kräftig angekurbelt. Das ist laut Rukwied nun nur als eine „temporäre Erholung“zu verbuchen.
Das größte Ärgernis für Rukwied, der sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene dem Bauernverband vorsteht, ist aber, dass die Preise, die bei den Erzeugern eingebrochen sind, an den Fleischtheken des Handels derweil stabil geblieben seien. „Das können wir nicht akzeptieren“, sagt er. „Da wird massiv auf dem Rücken unserer Bauern Geld verdient.“ Das hatte zuletzt auch zu Protesten der Landwirte geführt. In ganz Deutschland hatten sie in den vergangenen Tagen mit Traktorblockaden vor Discounter-Zentrallagern höhere Preise für ihre Erzeugnisse gefordert.
Der Discounter Lidl reagierte nun auf die Forderung: Am Donnerstag teilte Lidl mit, die Preise für zehn Schweinefleischprodukte um einen Euro je Kilo anzuheben. Die Mehreinnahmen sollen demnach direkt an die Bauern gehen, die das Fleisch liefern. „Das ist eine nette Geste“, kommentierte Rukwied am Freitag bei der Jahresbilanzkonferenz des baden-württembergischen Bauernverbands, „aber das reicht bei Weitem nicht aus“. Es brauche ein Ende der Dauertiefpreispolitik des Lebensmitteleinzelhandels, um mehr Wertschöpfung auf den landwirtschaftlichen Familienbetrieben zu ermöglichen. Ansonsten sei die Versorgung mit regionalem Schweinefleisch gefährdet.
Aber auch abseits der Schweinehaltung, sieht es laut Rukwied nicht rosig aus. Angesichts der Zahlen des im Juni zu Ende gegangenen Wirtschaftsjahres 2019/20 sprach er von „absolut unbefriedigenden Ergebnissen“. Im Schnitt hätten die Haupterwerbsbetriebe in Baden-Württemberg rechnerisch pro Familienarbeitskraft ein Ergebnis von 39 012 Euro erzielt. Das waren zwar etwa 3500 Euro mehr als im Vorjahr, aber auch gut 5700 Euro weniger als im bundesweiten Durchschnitt. Das Ergebnis pro Familienarbeitskraft ist mit dem Bruttoeinkommen vergleichbar und schwankt je nach landwirtschaftlicher Sparte stark.
Nur in Bayern ist das Einkommen der Landwirte noch geringer. Die Ergebnisse lagen im Freistaat im Wirtschaftsjahr 2019/20 um durchschnittlich 3,8 Prozent unter dem Vorjahr, teilte der Bayerische Bauernverband am Donnerstag mit. Pro nicht entlohnter Familienarbeitskraft sei das in Bayern ein Ergebnis von 37 400 Euro, sagte Rukwied.
Dass Bayern und Baden-Württemberg im Bundesvergleich ganz hinten landen, begründete er mit Skaleneffekten: Man habe in diesen Bundesländern unterdurchschnittliche Betriebsgrößen „und das bedeutet dann überdurchschnittliche Stückkosten bei der Erzeugung“.
Der Landesbauernverband schlüsselt die Jahresergebnisse jeweils nach Agrarsektoren auf: Die Einkommen der Milchviehbetriebe in Baden-Württemberg seien im abgelaufenen Geschäftsjahr dabei um 17,7 Prozent auf 39 777 Euro je Familienarbeitskraft zurückgegangen.
Die Ackerbaubetriebe würden auf schwachem Niveau verharren – es gebe lediglich eine leichte Verbesserung im Einkommensniveau von fünf Prozent auf „lediglich 29 851 Euro je Familienarbeitskraft“, sagte Rukwied. Auch für den Weinbau hatte er keine guten Nachrichten zu vermelden. Die Erntemengen 2019 seien unterdurchschnittlich und die Erlöse rückläufig gewesen. Die Weinbaubetriebe hätten ein Minus von 31,3 Prozent auf 26 278 Euro je Familienarbeitskraft verkraften müssen. Und auch die Aussichten seien schwierig, da die Winzer in einer Zeit, in der die Gastronomie geschlossen sei und Feste abgesagt würden, auf ihrem Wein sitzen bleiben würden.
Positiv hingegen lief es in dem für Baden-Württemberg sehr wichtigen Obstbau. Hier hätten die Bauern wieder einen deutlichen Zuwachs auf 61 234 Euro je Arbeitskraft, im Vergleich zu 27 627 Euro im Jahr zuvor, einfahren können. Jedoch wird sich zeigen müssen, ob die Obstbauern diese Zahlen im derzeit laufenden Geschäftsjahr werden halten können. Schließlich wirkt auch hier die Corona-Krise, beispielsweise auf die Versorgung mit Saisonarbeitskräften. Und angesichts dieser Zahlen und Aussichten wird man auf die Rückkehr des Optimisten Rukwied wohl noch etwas warten müssen.