Händler fordern Lockdown auch für den Onlinehandel
Gleiches Recht für alle: Wenn die Geschäfte schließen müssen, dann muss auch ein Verbot für Logistikzentren her
- Trotz Ausgangsbeschränkung ist der Einzelhandel nach wie vor geöffnet. Doch auch ihm droht nach Weihnachten ein zweiter Lockdown. Die Angst davor ist auch bei den Händlern in Aalen groß. Dass ein solcher eine Verbesserung im Pandemie-Verlauf bringt, bezweifelt Alfred Krauss, Inhaber des Bettenhauses GD Krauss. Sollte es dennoch zu einer Schließung kommen, dürfe diese nicht nur den stationären Handel treffen, sondern müsse auch für den Onlinehandel gelten, fordert Krauss in einem Schreiben an die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten. In diesem Zusammenhang pocht er auch auf ein Arbeitsverbot für Logistikzentren und auf ein Verbot der Anlieferung von Paketdiensten an Privathaushalte.
„Der erste Lockdown im März hat die Einzelhändler am Anfang der Saison erwischt, der zweite drohende Lockdown trifft uns jetzt vermutlich am Saisonende nach Weihnachten“, sagt Tobias Funk, Inhaber des Geschäfts Mode Funk. Um vor einer Schließung des Familienunternehmens am Spritzenhausplatz noch genügend Ware absetzen zu können, ist dort der Winterschlussverkauf vorgezogen worden. Seit Freitag gibt es im Modehaus Funk 30 Prozent Rabatt auf das gesamte Herbst- und Wintersortiment. „Wir nutzen in den kommenden Tagen noch jede Chance, um uns von der bereits bezahlten Winterware zu trennen. Nach dem bevorstehenden Lockdown, der sicherlich länger gehen wird als bis zum 10. Januar, brauchen wir keinen Wollpulli mehr an den Mann oder die Frau bringen“, sagt Funk. Dass Ende Januar ein Drittel der Winterware nicht mehr zu verkaufen sei, weiß auch der Citymanager Reinhard Skusa.
Die Aussage von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller, dass es keinen Grund gebe, sich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen, findet Funk unglaublich. Dieser Ansicht hält er entgegen, dass es trotz allem immer noch Menschen gebe, die von dem Verkauf eines Pullovers leben. Überdies sei die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr neben der Woche vor Heiligabend die umsatzstärkste Zeit im Weihnachtsgeschäft, ergänzt Skusa. Nach Weihnachten hätten die Bürger angesichts der fehlenden Freizeitmöglichkeiten auch genügend Zeit, in die Stadt zu gehen und in den Geschäften zu stöbern. Ein Lockdown wäre für den Einzelhandel, dessen Weihnachtsgeschäft durch Corona ohnehin eingebrochen sei, tödlich.
Nach der Gastronomie die Keule gegen den Einzelhandel auszupacken, findet Alfred Krauss, Inhaber des Bettenhauses GD Krauss, Vorsitzender im Handelsausschuss der IHK Ostwürttemberg und Vorstand in der Genossenschaft Bettenring, nicht in Ordnung. Alle Händler hätten mit großem Aufwand, erheblichen Investitionen und mit viel Achtsamkeit und Behutsamkeit alles dafür getan, um mit ausgefeilten Hygiene-Konzepten die Kunden vor einer Ansteckung beim Einkauf in den Geschäften zu schützen. Und das mit Erfolg. Es sei kein einziger Fall bekannt, dass sich ein Bürger beim Besuch in Läden angesteckt hat. „Treiber der Pandemie und verantwortlich für die hohen Infektionszahlen waren weder die Gastronomie noch wir“, betont auch Tobias Funk. Die Ursache, dass die Zahlen nach wie vor steigen, sei vielmehr in den privaten unkontrollierten Treffen begründet.
Für eine wirkungsvolle PandemieBekämpfung brauche es keine Schließung der Geschäfte, sagt Funk. Das Beispiel der Stadt Tübingen zeige, dass es andere, sinnvollere Wege gibt, die Corona-Zahlen in den Griff zu bekommen und ältere Menschen vor einer Infektion zu schützen. Er selbst gehöre mitnichten der Fraktion der Querdenker an, sondern auch er stelle den Schutz der Bürger über den Kommerz. Er plädiert allerdings dafür, dass die Politik solche alternativen Möglichkeiten,
„Treiber der Pandemie waren weder die Gastronomie noch wir“, sagt Tobias Funk.
wie sie Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer umgesetzt hat, ins Auge fasst, anstatt aus purem Aktionismus heraus die Existenz der Einzelhändler zu gefährden.
Sollte sich die Landesregierung dazu entscheiden, den Einzelhandel stillzulegen, gelte gleiches Recht für alle, sagt Krauss. In den Lockdown einbezogen werden müsste dann auch der Onlinehandel, der dem stationären Handel bereits vor Corona das Leben schwer gemacht habe, in Zeiten der Pandemie allerdings noch mehr boome. Allein im November habe der stationäre Einzelhandel im Textilbereich 25 Prozent weniger Umsatz gemacht als im Jahr davor. Der Onlinehandel habe hingegen im gleichen Monat ein Plus von 20 Prozent erzielt. Sollten insofern die nicht systemrelevanten Geschäfte geschlossen werden, fordert Krauss auch einen Lockdown für Internetanbieter. Ein Verbot, dass Bürger via online dennoch Ware bestellen, sei vermutlich nicht durchsetzbar. Allerdings sei es durchaus möglich, ein Arbeitsverbot für Logistikzentren zu verhängen und Paketdienstleistern in Zeiten des Lockdowns zu untersagen, Päckchen an Privathaushalte auszufahren.
„Das Überleben der Innenstädte steht auf dem Spiel“, sagt Alfred Krauss.
Wenn es darum geht, Kontakte zu begrenzen, stellten Zusteller, die mitunter ohne Maske von Haus zu Haus fahren, eine größere Gefahr dar als ein Einkauf im stationären Einzelhandel, der sich an die Auflagen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes halte.
Angesichts eines Lockdowns fordert Krauss auch eine angemessene Entschädigung vonseiten des Staats. Allein Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter zu bezahlen, sei für viele nicht ausreichend, um Umsatzausfälle, Fixkosten, Marktanteilsverschiebungen und bereits bezahlte Ware zu decken. Dem schließt sich Tobias Funk in vollem Umfang an. „Wenn es nach Ansicht der Politik keine andere Lösung gibt, als Einzelhandelsgeschäfte zu schließen, soll der Staat auch für die entstehenden Verluste aufkommen.“Die Landesregierung sollte sich überdies im Klaren darüber sein, dass das Überleben der Städte auf dem Spiel steht, sagt Krauss. Ein Ladensterben schließt er im nächsten Jahr auch in Aalen nicht aus. Auch ohne Corona sei der Einzelhandel die vergangenen Jahre ein hartes Brot gewesen. Das sehe man allein daran, dass immer mehr inhabergeführte Geschäfte geschlossen haben und zunehmend Filialisten die Innenstadt bevölkern. Corona habe der ohnehin schwierigen Situation allerdings noch eins draufgesetzt.