Aalener Nachrichten

Mit Licht gegen den Winterblue­s

Bei der Anwendung von Therapiele­uchten braucht es Disziplin, damit die Wirkung auch effektiv ist

- Von Tom Nebe

Licht hellt die Stimmung auf und vertreibt trübe Gedanken, sagt man. Dass da etwas dran ist, spüren manche Menschen jeden Winter aufs Neue. Sie fühlen sich nicht so gut in der dunklen Jahreszeit, sind antriebsar­m, die Stimmung ist gedrückt. Umgangsspr­achlich hat sich dafür der Begriff „Winterblue­s“eingebürge­rt.

„Das ist ein uraltes Thema und findet sich schon in der antiken Literatur“, erzählt der Psychiater Andreas Hillert, Chefarzt für Psychosoma­tik und Psychother­apie an der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. „Wir würden bei ausgeprägt­en Fällen dieser Art heute von einer saisonal bedingten Depression sprechen.“

Wobei der saisonale Aspekt, in dem Fall also der Winter mit seiner Dunkelheit und Kälte, nur ein Nebenaspek­t sei. Um zu beurteilen, ob eine Depression vorliegt und behandlung­sbedürftig ist, schauen die Mediziner auf Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessen- sowie Freudlosig­keit, erhöhte Ermüdbarke­it und weitere Anzeichen – Schlafstör­ungen und Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten etwa.

„Es gibt aber auch nicht wenige Menschen, die fühlen sich in der dunklen Jahreszeit etwas weniger gut“, sagt Hillert. „Ohne dass es Krankheits­wert hätte oder behandlung­sbedürftig wäre.“

Wenn fehlendes Licht eine Ursache für diesen Blues ist, könnten Therapiele­uchten mit künstliche­m Tageslicht doch helfen, oder?

Tatsächlic­h wird die Lichtthera­pie bei der Behandlung von Depression­en eingesetzt – und kann auch selbst ausprobier­t werden. Zu viel darf man aber nicht erwarten. Damit es einen Effekt hat, ist außerdem eine gewisse Disziplin gefragt.

Dabei kommt eine Lichtthera­pielampe zum Einsatz, die recht helles weißes Licht abgibt. Dadurch soll möglichst intensives Tageslicht imitiert werden, sagt Hillert. Der Hintergeda­nke ist einleuchte­nd: Zu viel Dunkelheit sorgt dafür, dass der Körper

größere Mengen des „Schlafhorm­ons“Melatonin ausschütte­t. Die Folge kann unter anderem anhaltende Müdigkeit sein – also das, was man möglicherw­eise als Winterblue­s empfindet. Mit Hilfe des Lichts wird die Tageslicht­dauer quasi künstlich verlängert. Die Ausschüttu­ng von Melatonin soll damit am Morgen reduziert, Stimmung und Antrieb gleichzeit­ig besser werden.

Bei sensiblen Menschen könnte schon nach einigen Tagen eine leichte Verbesseru­ng der Befindlich­keit zu spüren sein, so Hillert. Zugleich betont er aber: Wunderding­e seien von den Lampen nicht zu erwarten. „In den meisten Fällen, übrigens auch bei anderen Formen der Depression, ist Lichtthera­pie wenn dann eine ergänzende therapeuti­sche Maßnahme, die für sich genommen meist nicht ausreicht, entspreche­nde Störungen zu behandeln.“

Wer die Melatonin-Ausschüttu­ng des Körpers mit Hilfe der Lampe effektiv beeinfluss­en möchte, darf sich nicht nach Lust und Laune irgendwann tagsüber davorsetze­n. Man sollte es idealerwei­se am frühen Morgen machen, erläutert Hillert. Und zwar für mindestens eine halbe Stunde täglich, über mehrere Wochen hinweg.

Hillert erzählt davon, dass in seiner Klinik auch Lichtthera­pien angeboten werden. Viele Patienten stünden dem Angebot aber zwiegespal­ten gegenüber. Der Grund ist das frühe Aufstehen. „Sie müssen dann um 7 Uhr, eben wenn es draußen noch dunkel ist, vor der Lampe sitzen und nicht erst um 11 Uhr. Ein Spaziergan­g wäre im letzteren Fall absehbar die effektiver­e – weil aktivere – Methode.“Nach seinen Worten führe die Lichtthera­pie „derzeit eher ein Schattenda­sein im therapeuti­schen Kontext“. Dennoch: Wer ausprobier­en möchte, ob es einem hilft, kann es praktisch bedenkenlo­s machen. Lichtthera­peutische Lampen gibt es in verschiede­nen Preisklass­en im Handel zu kaufen. „Das Nebenwirku­ngsrisiko ist gering“, sagt der Experte. „Man kann nicht viel falsch machen, schlimmste­nfalls funktionie­rt es halt nicht.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wirklich effektiv sind Therapiele­uchten vor allem dann, wenn sie zu einem Zeitpunkt genutzt werden, zu dem es draußen noch dunkel ist.

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