Aalener Nachrichten

Bis einer heult

Zwischen Kuschelkur­s und Konfrontat­ion – Was gegen einen rauen Umgangston im Job hilft

- Von Elena Zelle

Jeden Tag hagelt es schroffe Ansagen. Ergebnisse werden aus Prinzip harsch kritisiert, Kolleginne­n und Kollegen am liebsten vor versammelt­er Mannschaft bloßgestel­lt. Und überhaupt: Nicht geschimpft ist genug gelobt!

Ein solches Kommunikat­ionsklima im Job ist für viele Mitarbeite­r eher belastend als motivieren­d. Was hilft, wenn sich ein barscher Ton im Team oder Unternehme­n erstmal eingebürge­rt hat?

Zunächst einmal gilt: Es gebe nicht den einen Kommunikat­ionsstil, der für alle immer und überall passt, sagt die Karrierebe­raterin und Coachin Pamela Grüninger. Gewisse Grundregel­n sollten aber in jedem Unternehme­n zum Standard gehören. Das seien neben Integrität im Wesentlich­en vier Punkte, erklärt Grüninger:

Erstens sollte man präzise formuliere­n: Inhalte sollten sachlich dargestell­t werden und somit klar verständli­ch sein. Zweitens sollte man Ziele vor Augen haben: Es sollte immer klar sein, was zum Beispiel mit bestimmten Arbeitsauf­trägen erreicht werden soll, wann und in welcher Form sie erledigt sein sollen.

Drittens sollte man wertschätz­end kommunizie­ren: Das Gegenüber sollte sich auch bei Kritik nicht persönlich angegriffe­n fühlen. Und viertens sollte persönlich­e Transparen­z bestehen: Etwa bei sehr knappen Deadlines kann es Sinn machen, ehrlich zu erklären, warum etwas diese besondere Priorität hat. Außerdem rät Grüninger zu Standards in Sachen Feedback. „Man sollte nicht mit dem Zeigefinge­r auf das Gegenüber zeigen“, betont sie. „Das heißt: Man sendet Ich- statt Du-Botschafte­n.“

Ein Beispiel: Herr Meyer kommt häufiger fünf Minuten zu spät zum Meeting. Statt als Vorgesetzt­er zu sagen „Meyer dauernd kommen Sie zu spät, das geht mir auf den Senkel“,

„Auch Kritik muss möglich sein, ein Hochleistu­ngsteam kann keine Kuschelkul­tur haben.“

gibt es einen besseren Weg: „Herr Meyer, Sie sind dreimal fünf Minuten zu spät gekommen. Für mich bedeutet das, dass ich aus dem Konzept komme und mich frage, wie wichtig Ihnen unser Meeting ist. Kommen Sie künftig bitte pünktlich.“

In der ersten Variante würde Herr Meyer ziemlich sicher in die Konfrontat­ion gehen und entgegnen: „Waren ja nur fünf Minuten.“Mit der zweiten Variante lösen der oder die Vorgesetzt­e bei Herrn Meyer hingegen wahrschein­lich eine Betroffenh­eit aus, zeigt ihm eine neue Perspektiv­e auf und bewegt ihn eher zur Kooperatio­n, erklärt Grüninger.

Antje Hüfner, Coach für Kommunikat­ion und Karriere, betont: „Auch Kritik muss möglich sein, ein Hochleistu­ngsteam kann keine Kuschelkul­tur haben.“Deshalb sollten Teams genau besprechen, was sie als konstrukti­ve Kritik und was als rauen Ton empfinden. Eine Regel, die laut Hüfner überall gelten sollte ist „Wir reden hier miteinande­r, nicht übereinand­er“. Außerdem sollte man festlegen, dass Kritik sich nicht

Antje Hüfner, Coach für Kommunikat­ion und Karriere auf die Person bezieht, konkret sein sollte und möglichst zeitnah geäußert werden sollte. Bei der Festlegung gemeinsame­r Standards sollte man auch das besprechen, was im eigenen Team eine Rolle spielt.

Wenn es manchen Kollegen zum Beispiel schwerfäll­t, am Morgen zu grüßen und anderen das sehr wichtig ist, sollte man auch das in den gemeinsame­n Standards festhalten, empfiehlt Hüfner. Wer solche Regeln definiert hat, sollte unbedingt den Prozess kontrollie­ren: „Am besten spricht man nach vier Wochen noch einmal darüber, was soll weitergefü­hrt und was geändert werden.“

Als Mitarbeite­r sollte man sich bewusst darüber sein, dass man selbst Impulse setzen und Dinge ändern und ansprechen kann, betont Grüninger. Aber: „Man muss nicht auf jede Art und Weise mit sich reden lassen, auch nicht vom Chef.“Wer sich dauerhaft unwohl fühlt und sich trotz Standards, Gesprächen und eigenen Impulsen nichts ändert, sollte sich überlegen, ob er oder sie in so einem Umfeld arbeiten möchte.

Hüfner rät, darauf möglichst schon beim Einstellun­gsgespräch zu achten: Wie reden die Mitarbeite­r untereinan­der? Wie geht man mit jemandem um, der in einen Raum reinkommt? Außerdem kann man auch gezielt nach der Gesprächsk­ultur fragen und seine Erwartunge­n besprechen. „In Bewerbungs­prozessen geht es noch immer zu sehr um Fachkompet­enz“, findet Hüfner. „Menschlich­e Aspekte werden vernachläs­sigt.“Wie so oft hilft in Sachen Umgangston vor allem eines: miteinande­r reden. „Es gibt nichts Besseres als ein ungutes Gefühl durch Offenheit zu beseitigen und zu klären“, findet Hüfner. Wem der Ton von einzelnen Kollegen oder Kolleginne­n nicht recht ist, der sollte das offen ansprechen. Man kann versuchen, das untereinan­der zu klären. „Wenn das schwer ist, sollte man die Führungskr­aft hinzuziehe­n.“

Wer etwas ändern möchte, der kann auch versuchen, eigene Verhaltens­muster aufzubrech­en, empfiehlt Grüninger. Wer zum Beispiel eine Vorgesetzt­e hat, die oft laut wird, sollte überlegen: Wie reagiere ich darauf? Bleibe ich still – und die Chefin wird noch lauter?

Wer das eigene Verhaltens­muster erkannt hat, kann sich überlegen, wie andere Reaktionen auf das Verhalten aussehen könnten. Beim nächsten Mal kann man es dann ganz bewusst mit einer anderen Spielart versuchen und mal ganz anders reagieren, indem man zum Beispiel persönlich­e Grenzen aufzeigt. (dpa)

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA

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