Dortmund stellt Favre frei
Debakel gegen Stuttgart wird Trainer zum Verhängnis
(dpa) - Zu Beginn seiner Amtszeit als Bessermacher gefeiert, am Ende als Zauderer vertrieben – die Trennung von Lucien Favre hat bei Borussia Dortmund für ein vorweihnachtliches Beben gesorgt. Keine 24 Stunden nach dem 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart zog der Revierclub die Konsequenzen und beendete die Zusammenarbeit mit dem 63-Jährigen vorzeitig. „Ich finde es schade, dass sich unsere Wege hier trennen. Wir hatten zwei erfolgreiche Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt hätte. Davon bin ich nach wie vor überzeugt“, sagte Favre. Sein bisheriger Assistent Edin Terzic soll bis Saisonende übernehmen. Derweil sind sie beim VfB Stuttgart obenauf. „Wenn du so ein Spiel machst, darfst du mit einem Lächeln aufwachen. Du darfst auch Selbstbewusstsein daraus ziehen“, sagte Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat.
(dpa/SID) - Jürgen Klopp hatte sich nicht direkt gemeldet. Am Vormittag nach dem wohl größten Moment seit dem Wiederaufstieg des VfB Stuttgart hatten Sportdirektor Sven Mislintat zumindest noch keine Glückwünsche seines ehemaligen Dortmunder Kollegen erreicht. Ohnehin wollte sich der 48-Jährige nicht zu ausschweifend mit Gratulanten und zu großer Euphorie beschäftigen. Zwar versetzte der 5:1 (1:1)-Coup bei Borussia Dortmund den VfB in Hochstimmung, schnell aber richtete Mislintat den Blick auf die Aufgabe am Dienstag gegen Union Berlin (20.30/Sky) – und blieb bescheiden. „Wenn du so ein Spiel machst, darfst du mit einem Lächeln aufwachen. Du darfst auch Selbstbewusstsein daraus ziehen“, sagte Mislintat – und stellte zugleich warnend klar: „Wir beschäftigen uns nicht mit Europa, sondern mit Union Berlin.“Das Ziel des Aufsteigers bleibe der Klassenerhalt in der Bundesliga, wiederholte der frühere BVBChefscout unmissverständlich.
Die Stuttgarter scheinen jedoch auf gutem Weg, eine neue Attraktion der Liga zu werden. Von den zeitweise ziemlich zähen Auftritten der vergangenen Spielzeit ist nicht mehr viel übrig geblieben, Abstiegssorgen sind für die junge Truppe von Trainer Pellegrino Matarazzo als Siebter momentan kein Thema. Doch auch Vorstandschef Thomas Hitzlsperger demonstrierte Bodenständigkeit und erinnerte am Sonntag auch an bittere Momente aus der vergangenen Zweitliga-Saison.
Nur wenige Minuten nach dem Abpfiff hatte sich der 38-Jährige noch ungewöhnlich euphorisch geäußert. „Ich könnt Konfetti kotzen, so happy bin ich über das, was ich gerade sehen durfte“, kommentierte der Vorstandschef via Twitter. Dass der Underdog dem hohen Favoriten aus dem Revier ausgerechnet in dessen Paradedisziplin Tempofußball eine Lehrstunde erteilte, erfüllte auch Pellegrino Matarazzo mit Stolz. „Wir haben dominant und mit Überzeugung Fußball gespielt“, sagte Matarazzo und fügte stolz an: „Wir waren sehr scharf, sehr präsent. Wir haben nach vorne und nach hinten als brutale Einheit agiert.“
Mit viel Spielwitz, höchstem
Tempo und imposanter Zweikampfführung sorgten die Schwaben für die höchste Heimniederlage des BVB seit September 2009. Die Qualitäten der Gäste erkannten auch die Dortmunder an. „Wie die Tore gefallen sind“, betonte Marco Reus, „das war kein Zufall.“Der BVB-Kapitän geriet regelrecht ins Schwärmen: „Sie waren aggressiv und standen sehr kompakt. Bei Ballverlust haben sie direkt umgeschaltet.
Sie haben vorne super zusammengespielt.“Zusammengefasst: Stuttgart trat so auf, wie es Dortmund gerne getan hätte.
Mit seinem bemerkenswerten Tempospiel stürzte das beste Auswärtsteam der Liga den BVB von einer Verlegenheit in die nächste. Dem Spielwitz des VfB hatten die Gastgeber nichts entgegenzusetzen. Zudem überzeugte der Aufsteiger mit einer äußerst robusten Zweikampfführung.
„Wir beschäftigen uns nicht mit Europa, sondern mit Union Berlin.“
Sven Mislintat
Dass der erste Sieg in Dortmund seit 13 Jahren mit der zweitjüngsten Stuttgarter Startelf der Bundesliga-Historie (23,37 Jahre) gelang, war umso beachtlicher.
„Es hat sehr viel Spaß gemacht, es war ein geiles Spiel. Ich bin sehr stolz auf die Jungs, sie haben von Anfang bis zum Ende Gas gegeben“, lobte Torhüter Gregor Kobel. Doppel-Torschütze Silas Wamangituka war dabei offensiv ebenso wenig zu bremsen wie Tanguy Coulibaly oder Mateo Klimowicz. Im Mittelfeld glänzte Wataru Endo als Balleroberer und Stratege. „Bei Silas und bei vielen anderen Spielern ist das Potenzial grenzenlos“, so Matarazzo.
Mit den Treffern von Wamangituka (26./Foulelfmeter, 53.), Philipp Förster (60.), Coulibaly (63.) und Nicolas González (90.+1) war die Borussia sogar noch gut bedient. „Wir hatten einfach den besseren Plan als der Gegner“, verwies Torschütze Förster auf die kluge Matchstrategie seines Trainers. Matarazzo blieb in seinen ersten sechs Bundesliga-Auswärtsspielen ohne Niederlage. Das schafften vor ihm nur sechs andere Fußballlehrer, darunter auch Joachim Löw in der Saison 1996/97 ebenfalls mit Stuttgart. Momentan ist der VfB die auswärtsstärkste Mannschaft der Liga.
Wie schnell der Aufsteiger in der Bundesliga mit Erfolgen beeindruckt, kommt überraschend. „Wir machen sehr gute Schritte in guter Geschwindigkeit. Es ist ein enormes Trainingsniveau und Engagement. Das ist der Grund, warum wir so schnell vorankommen“, sagte der Coach. Mislintat jedenfalls bekam Zuspruch von allen Seiten: „Ein Freund hat gestern gesagt: ,Das war ein Blockbuster’“, berichtete der Sportdirektor, der aber betonte: „Wir beschäftigen uns nicht mit Europa, sondern mit Union Berlin.“
Was das dann wohl für eine Vorstellung geben wird?