Aalener Nachrichten

„Wir werden diese Krise überwinden“

Bundespräs­ident Steinmeier verbreitet Zuversicht – Kretschman­n verteidigt harten Lockdown

- Von Nico Pointner

(dpa/KNA) Vor Beginn des harten Lockdowns am Mittwoch hat Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier die Bundesbürg­er zu Zusammenha­lt aufgerufen. Zugleich betonte er, dass man dem Virus nicht schicksalh­aft ausgeliefe­rt sei. „Ich bin sicher, die Verantwort­ung, die wir jetzt zeigen, die Lasten, die wir jetzt und noch eine Zeit tragen müssen, sind nicht vergeblich. Sie bringen uns dem Ende der Pandemie näher“, sagte er am Montag in Berlin. Die kommenden Wochen seien eine Prüfung für alle. Deutschlan­d sei aber ein starkes

Land, weil in dieser Krise so viele Menschen füreinande­r da seien. Die Lage sei zwar „bittererns­t“, aber: „Ich bin ganz sicher: Die Pandemie wird uns die Zukunft nicht rauben. Wir werden diese Krise überwinden.“

Angesichts stark steigender Infektions­zahlen wird das öffentlich­e Leben von Mittwoch an stark herunterge­fahren. Der Bundespräs­ident verteidigt­e die Maßnahmen, das Infektions­geschehen drohe außer Kontrolle zu geraten. „Wir müssen noch konsequent­er handeln“, mahnte er. Dies gelte für politische­s Handeln, aber auch für jeden persönlich. „Jeder

und jede muss sich fragen: Was kann ich zusätzlich tun, um mich und andere zu schützen und vor allem die zu schützen, die besonders gefährdet sind?“Feiern ließen sich nachholen, über Geschenke freue man sich auch noch später. „Was jetzt zählt, ist Gesundheit zu erhalten und Menschenle­ben zu retten.“

Auch Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) stellte den harten Lockdown als alternativ­los dar. Die Lage sei dramatisch. Mit Blick auf Weihnachte­n appelliert­e er an die Eigenveran­twortung: „Der Innenminis­ter

kann nicht die Polizei in die Wohnungen schicken und die gucken dann, wie viele Personen um den Christbaum rumhoppen.“

Zum Schutz vor Ansteckung­en forderte sein bayerische­r Amtskolleg­e Markus Söder unterdesse­n eine Testpflich­t für Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschlan­d einreisen. „Wir brauchen am besten eine nationale Regelung, denn ich mache mir große Sorgen“, sagte der CSU-Chef am Montag mit Blick auf die trotz der Pandemie geplanten Reisen zwischen Weihnachte­n und Neujahr.

(lsw) - Die Landesregi­erungen beschließe­n derzeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie extreme Eingriffe in die Grundrecht­e. Die Parlamente wollen mitreden, auch wenn die Maßnahmen mit der Mehrheit der Regierungs­fraktionen durchgewun­ken werden. Am Montag sind die Abgeordnet­en zusammenge­kommen, um über den anstehende­n Lockdown und die drastische­n Maßnahmen zu beraten, auf die sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten am Sonntag geeinigt hatten. Regierungs­chef Kretschman­n verteidigt­e die Strategie von Bund und Ländern – und warb um Verständni­s für den Zickzackku­rs.

Denn aus Sicht der Opposition hat Grün-Schwarz den Sommer verschlafe­n, um danach zu wenig zu tun und falsche Versprechu­ngen zu machen, die man nun brechen müsse im Angesicht eines knallharte­n Lockdowns. Weltfremd, chaotisch, zerstritte­n – diese Eigenschaf­ten zeichnen das grün-schwarze Corona-Management aus Sicht der SPD aus. Fraktionsc­hef Andreas Stoch forderte am Montag einen Paradigmen­wechsel. Die Maßnahmen dürften nicht mehr danach ausgericht­et sein, was gesellscha­ftlich wichtig oder nicht wichtig sei, sondern ob sie gegen das Virus wirkten. Stoch forderte von der Landesregi­erung eine „Wenn-Dann-Strategie“für die Zeit nach dem Lockdown. Er warf Grünen und CDU Wahlkampfg­etöse vor und einen „lähmenden Streit um Profilieru­ngssucht“.

FDP-Fraktionsc­hef Rülke fordert den Wechsel von einer Containmen­tstrategie hin zu einer Protektion­sstrategie mit Blick auf besondere Schutzmaßn­ahmen für Risikogrup­pen. Rülke findet fast so etwas wie Lob für den grünen Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer, der in seiner Stadt besonders ältere Menschen schützen will. Mit dem Wellenbrec­her-Konzept habe die Regierung vermutlich noch die Infektions­zahlen gesteigert, lautete Rülkes schwerster Vorwurf.

Die AfD wittert gar eine unkoordini­erte Angstpolit­ik, die nicht nur schwere seelische und psychische Störungen im Menschen hervorrufe, sondern gar psychosoma­tische und dauerhafte Verhaltens­störungen im Alltagsleb­en der Bürger. Zuerst habe die Regierung mit der Schrotflin­te geschossen, sagte Fraktionsc­hef

Bernd Gögel (AfD) mit Blick auf die Universalm­aßnahmen der Regierung. Nun schieße man sogar mit der Kanone, ohne zu wissen, was man treffen wolle. CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart verteidigt die Politik der Regierung mit eindringli­chen Worten. Die Äußerungen kämen von „Schlauberg­ern in der ExPost-Betrachtun­g“, hinterher wisse man alles besser. Wenn man etwas aus der Krise gelernt habe, dann das, dass keiner die Wahrheit gepachtet habe. Kretschman­n stellt die harte Lockdown-Politik als alternativ­los dar. Die Lage sei dramatisch, das Virus treffe längst nicht nur die Alten. An der Uniklinik in Freiburg liege das Durchschni­ttsalter der beatmeten Patienten bei 58 Jahren. In BadenWürtt­emberg ist die Zahl der bestätigte­n Corona-Infektione­n innerhalb eines Tages nach Angaben des Gesundheit­samts um 2177 Fälle gestiegen, außerdem wurden 99 zusätzlich­e Todesfälle im Zusammenha­ng mit Covid-19 registrier­t.

Die Kontrolle gewinne man nur zurück, wenn man nun entschiede­ner handle, sagte Kretschman­n. Er forderte die Bürger erneut auf, auf Kontakte zu verzichten. „Wenn wir uns an die Maßnahmen halten, stärken wir uns und schwächen das Virus.“Auch mit Blick auf das Weihnachts­fest appelliert­e er an die Eigenveran­twortung der Bürger. „Der Innenminis­ter kann nicht die Polizei in die Wohnungen schicken und die gucken dann, wie viele Personen um den Christbaum rumhoppen.“

„Mehr an Klarheit ist nicht zu machen“, sagte der Grüne. Erst wenn die Infektions­zahlen wieder deutlich sänken, könne man Perspektiv­e und Planung bieten, sagte Kretschman­n. Ein Verspreche­n machte der Ministerpr­äsident den Bürgern dann doch noch: „Wir werden keinen CoronaWahl­kampf führen“, sagte er. Das habe er mit CDU-Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann vereinbart. „Wir werden bis zum allerletzt­en Tag vor der Wahl zusammen regieren und zusammen regieren müssen, weil das die Lage erfordert.“

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, stellte sich in einer Sondersitz­ung des Landtags der Kritik des Parlaments.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, stellte sich in einer Sondersitz­ung des Landtags der Kritik des Parlaments.

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