„Wir werden diese Krise überwinden“
Bundespräsident Steinmeier verbreitet Zuversicht – Kretschmann verteidigt harten Lockdown
(dpa/KNA) Vor Beginn des harten Lockdowns am Mittwoch hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bundesbürger zu Zusammenhalt aufgerufen. Zugleich betonte er, dass man dem Virus nicht schicksalhaft ausgeliefert sei. „Ich bin sicher, die Verantwortung, die wir jetzt zeigen, die Lasten, die wir jetzt und noch eine Zeit tragen müssen, sind nicht vergeblich. Sie bringen uns dem Ende der Pandemie näher“, sagte er am Montag in Berlin. Die kommenden Wochen seien eine Prüfung für alle. Deutschland sei aber ein starkes
Land, weil in dieser Krise so viele Menschen füreinander da seien. Die Lage sei zwar „bitterernst“, aber: „Ich bin ganz sicher: Die Pandemie wird uns die Zukunft nicht rauben. Wir werden diese Krise überwinden.“
Angesichts stark steigender Infektionszahlen wird das öffentliche Leben von Mittwoch an stark heruntergefahren. Der Bundespräsident verteidigte die Maßnahmen, das Infektionsgeschehen drohe außer Kontrolle zu geraten. „Wir müssen noch konsequenter handeln“, mahnte er. Dies gelte für politisches Handeln, aber auch für jeden persönlich. „Jeder
und jede muss sich fragen: Was kann ich zusätzlich tun, um mich und andere zu schützen und vor allem die zu schützen, die besonders gefährdet sind?“Feiern ließen sich nachholen, über Geschenke freue man sich auch noch später. „Was jetzt zählt, ist Gesundheit zu erhalten und Menschenleben zu retten.“
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte den harten Lockdown als alternativlos dar. Die Lage sei dramatisch. Mit Blick auf Weihnachten appellierte er an die Eigenverantwortung: „Der Innenminister
kann nicht die Polizei in die Wohnungen schicken und die gucken dann, wie viele Personen um den Christbaum rumhoppen.“
Zum Schutz vor Ansteckungen forderte sein bayerischer Amtskollege Markus Söder unterdessen eine Testpflicht für Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland einreisen. „Wir brauchen am besten eine nationale Regelung, denn ich mache mir große Sorgen“, sagte der CSU-Chef am Montag mit Blick auf die trotz der Pandemie geplanten Reisen zwischen Weihnachten und Neujahr.
(lsw) - Die Landesregierungen beschließen derzeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie extreme Eingriffe in die Grundrechte. Die Parlamente wollen mitreden, auch wenn die Maßnahmen mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen durchgewunken werden. Am Montag sind die Abgeordneten zusammengekommen, um über den anstehenden Lockdown und die drastischen Maßnahmen zu beraten, auf die sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am Sonntag geeinigt hatten. Regierungschef Kretschmann verteidigte die Strategie von Bund und Ländern – und warb um Verständnis für den Zickzackkurs.
Denn aus Sicht der Opposition hat Grün-Schwarz den Sommer verschlafen, um danach zu wenig zu tun und falsche Versprechungen zu machen, die man nun brechen müsse im Angesicht eines knallharten Lockdowns. Weltfremd, chaotisch, zerstritten – diese Eigenschaften zeichnen das grün-schwarze Corona-Management aus Sicht der SPD aus. Fraktionschef Andreas Stoch forderte am Montag einen Paradigmenwechsel. Die Maßnahmen dürften nicht mehr danach ausgerichtet sein, was gesellschaftlich wichtig oder nicht wichtig sei, sondern ob sie gegen das Virus wirkten. Stoch forderte von der Landesregierung eine „Wenn-Dann-Strategie“für die Zeit nach dem Lockdown. Er warf Grünen und CDU Wahlkampfgetöse vor und einen „lähmenden Streit um Profilierungssucht“.
FDP-Fraktionschef Rülke fordert den Wechsel von einer Containmentstrategie hin zu einer Protektionsstrategie mit Blick auf besondere Schutzmaßnahmen für Risikogruppen. Rülke findet fast so etwas wie Lob für den grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der in seiner Stadt besonders ältere Menschen schützen will. Mit dem Wellenbrecher-Konzept habe die Regierung vermutlich noch die Infektionszahlen gesteigert, lautete Rülkes schwerster Vorwurf.
Die AfD wittert gar eine unkoordinierte Angstpolitik, die nicht nur schwere seelische und psychische Störungen im Menschen hervorrufe, sondern gar psychosomatische und dauerhafte Verhaltensstörungen im Alltagsleben der Bürger. Zuerst habe die Regierung mit der Schrotflinte geschossen, sagte Fraktionschef
Bernd Gögel (AfD) mit Blick auf die Universalmaßnahmen der Regierung. Nun schieße man sogar mit der Kanone, ohne zu wissen, was man treffen wolle. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart verteidigt die Politik der Regierung mit eindringlichen Worten. Die Äußerungen kämen von „Schlaubergern in der ExPost-Betrachtung“, hinterher wisse man alles besser. Wenn man etwas aus der Krise gelernt habe, dann das, dass keiner die Wahrheit gepachtet habe. Kretschmann stellt die harte Lockdown-Politik als alternativlos dar. Die Lage sei dramatisch, das Virus treffe längst nicht nur die Alten. An der Uniklinik in Freiburg liege das Durchschnittsalter der beatmeten Patienten bei 58 Jahren. In BadenWürttemberg ist die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen innerhalb eines Tages nach Angaben des Gesundheitsamts um 2177 Fälle gestiegen, außerdem wurden 99 zusätzliche Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 registriert.
Die Kontrolle gewinne man nur zurück, wenn man nun entschiedener handle, sagte Kretschmann. Er forderte die Bürger erneut auf, auf Kontakte zu verzichten. „Wenn wir uns an die Maßnahmen halten, stärken wir uns und schwächen das Virus.“Auch mit Blick auf das Weihnachtsfest appellierte er an die Eigenverantwortung der Bürger. „Der Innenminister kann nicht die Polizei in die Wohnungen schicken und die gucken dann, wie viele Personen um den Christbaum rumhoppen.“
„Mehr an Klarheit ist nicht zu machen“, sagte der Grüne. Erst wenn die Infektionszahlen wieder deutlich sänken, könne man Perspektive und Planung bieten, sagte Kretschmann. Ein Versprechen machte der Ministerpräsident den Bürgern dann doch noch: „Wir werden keinen CoronaWahlkampf führen“, sagte er. Das habe er mit CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann vereinbart. „Wir werden bis zum allerletzten Tag vor der Wahl zusammen regieren und zusammen regieren müssen, weil das die Lage erfordert.“