Die Heimschwäche, die keine ist
Der VfB Stuttgart ist das Team der Stunde, möchte jedoch trotzdem einen Makel ablegen
- Ab einem gewissen Alter und einer adäquaten Lebensleistung ist es durchaus berechtigt, zurückzublicken. Man schaut auf das Geleistete, erfreut sich an eben diesem, bewertet und harrt der Dinge, die eventuell noch hinzukommen werden. Wenn nichts mehr kommt, auch einerlei, denn es gibt ja bereits ausreichend vorzuweisen. Pellegrino Matarazzo, seines Zeichens immerhin schon stolze 43 Jahre alt, ist noch weit von diesem Punkt entfernt. Ganz weit. Die nächste verheißungsvolle Generation der jungen Wilden des VfB Stuttgart ohnehin. Ein 5:1-Sieg gegen Titelkandidat und Königsklassen-Dauergast Borussia Dortmund bedeutet da nicht viel. Schon gar nicht, wenn es wenig später schon gegen den 1. FC Union Berlin (20.30 Uhr/Sky) zu bestehen gilt.
„Ich habe kurz in der Kabine mit den Jungs ein- bis zweimal laut geschrien und danach ein paar Telefonate mit Freunden und der Familie geführt. Das ist ein schöner Moment für alle, aber es ist dennoch wichtig, den Reset-Knopf zu drücken“, formulierte Matarazzo. Der Trainer des unerwartet starken Aufsteigers richtete daher einen Appell an die Mannschaft, der aber gleichzeitig als halbes Versprechen an die Fans gesehen werden kann: „Es ist wichtig zu zeigen, dass wir drei Tage später genau die Intensität auf den Platz bringen können. Das ist vor allem eine Charakterfrage.“
Charakter, darauf kommt es also an. Und dass die junge, mitunter sehr junge Truppe (der VfB spielte beim BVB mit der zweitjüngsten Startelf der Bundesliga-Historie/23,37 Jahre) diesen besitzt, das beweist sie zumindest derzeit regelmäßig – und das geschlossen. „Never change a winning team“gilt für die Himmelsstürmer vom Wasen nur bedingt. „Natürlich haben die, die in Dortmund auf dem Platz standen, gute Chancen, wieder zu spielen, aber wir haben auch vorher gegen Bremen die Aufstellung geändert und auch gewonnen“, sagte Matarazzo.
Es kann sich also niemand sicher sein. Routinier Daniel Didavi ist dennoch eine Option für den Kader. Gonzalo Castro, der seine Sperre abgesessen hat, könnte ebenfalls in die Elf rücken und den Altersschnitt verfälschen. Und dann wäre da noch die eine Personalie des alten Hoffnungsträgers, die nach den Glanzauftritten von Silas Wamangituka sowie Tanguy Coulibaly allerdings schon beinahe an Wichtigkeit eingebüßt hat. Der nach seiner Verletzung immer dichter an die Startelf heranrückende Stürmer Nicolás González sei definitiv „eine Option“für jene, „vielleicht für 60 Minuten“.
Vor dem Duell der beiden Überraschungsteams – der VfB rangiert auf dem siebten Tabellenplatz, die Eisernen (jener Verein, der die Stuttgarter einst in der Relegation zum Zweitligisten gemacht hatte) sind sogar auf Platz sechs – gibt es jedoch ein Thema, das Matarazzo gerne ignoriert hätte, würde er nicht ständig damit konfrontiert werden. Die derzeit wohl einzige nennenswerte Schwäche des VfB: die Heimschwäche. Noch kein Mal ging die Brustring-Elf nach ihrem Wiederaufstieg daheim als Sieger vom Platz.
Doch geschenkt: „Das ist kein Thema bei uns“, sagte Matarazzo und hatte direkt eine Begründung parat, warum das Thema nicht so sehr schlimm sei: „Die Fans sind nicht im Stadion, und es ist ja nicht so, dass sie nach Hause gehen und enttäuscht sind, weil wir ihnen kein Geschenk wie einen Sieg geben dürfen. Die Fans schauen die Spiele zu Hause im Fernsehen genauso wie die Auswärtsspiele“, erklärte Matarazzo.
Generell gebe es drei Säulen, die für Heimstärke – und damit Schwäche bei gegnerischen Teams – verantwortlich seien: den Reiseaufwand, die Platzgegebenheiten sowie eben als größtes Fundament die Fans im Stadion. Da diese nun zum größten Teil wegfallen, falle eben oft auch der Vor- beziehungsweise Nachteil weg. Man bereite sich auf „jede Partie gleich akribisch“vor und daher müsse man dieses Thema auch nicht näher behandeln, schloss Matarazzo.
Natürlich wäre es auch ihm dennoch lieb, endlich einmal wieder im eigenen Stadion zu gewinnen.
Der VfB Stuttgart hat eine Umstrukturierung vorgenommen und die Anzahl seiner Führungspositionen halbiert.
Zwei der zehn Direktorenposten seien noch nicht besetzt, darunter der des Kommunikationschefs. Diesen hatte bislang Oliver Schraft bekleidet, der im Zuge der Affäre um die angebliche Weitergabe von VfB-Mitgliederdaten an Dritte zuletzt in die Kritik geraten war. Schraft solle dem Club aber in anderer Funktion erhalten bleiben, erklärte Vorstandschef Thomas Hitzlsperger: „Ich habe ihm gesagt, dass ich unbedingt möchte, dass er bei uns bleibt. Ich bin überzeugt, dass er uns in einem anderen Bereich auch künftig weiterbringen kann.“Dem Nachwuchsleistungszentrum der Stuttgarter steht fortan Thomas Krücken als alleiniger Direktor und nicht mehr als Doppelspitze mit Rainer Mutschler vor. (dpa)