Für eine Freiheit, die keine ist
Der Handelsvertrag zwischen der EU und Großbritannien ist das absurde Ende des letztlich anachronistischen Brexit-Wunsches der Briten. Anachronistisch, weil die Befürworter eines EU-Austritts unter dem Motto „Global Britain“eine Zukunft mit unzähligen für London günstigen Freihandelsverträgen propagierten, die im Zeitalter der großen Wirtschaftsblöcke – neben der EU sind das China und die USA – schon lange nicht mehr realistisch war. Sehr schnell signalisierten Washington und Peking London auch, wer in den künftigen Beziehungen Koch, wer Kellner sein würde.
Absurd, weil das britische Streben nach Unabhängigkeit in einen Vertrag über Handelsbeziehungen mündet – und Handelsbeziehungen bedürfen nun einmal gemeinsamer Regeln, die nicht von einer Seite allein bestimmt werden. Was London nun bekommen hat, ist nicht die glorifizierte „splendid isolation“, sondern eine Freiheit zu den Bedingungen des mächtigeren Verhandlungspartners, der in diesem Fall Brüssel ist.
Für die EU ist das Ergebnis ein Erfolg. Zwar verliert sie global gesehen an Einfluss, denn immerhin verlässt die zweitgrößte Volkswirtschaft die Gemeinschaft, doch die EU hat ihren Binnenmarkt geschützt: Brüssel hat unmissverständlich klargemacht, dass derjenige, der von den Vorteilen des europäischen Wirtschaftsblocks profitieren will, die dort geltenden Regeln akzeptieren muss.
Britische Produkte haben auch in Zukunft europäischen Standards zu genügen, wenn sie Käufer auf dem Kontinent finden sollen. Die Brüsseler Subventionsgesetze sind Teil des Handelsvertrags. Sollte sich die EU künftig strengere Regeln geben, die von britischen Unternehmen unterlaufen werden können, darf die Union Strafzölle erheben. Was für London besonders schmerzlich ist: Der Dienstleistungssektor findet in dem Vertrag keine Erwähnung: für britische Unternehmen, vor allem für die London so wichtige Finanzindustrie, wird der Zugang zum Binnenmarkt in diesem Bereich sehr viel schwieriger. Großbritannien zahlt einen hohen Preis – für ein kleines bisschen Freiheit, die keine ist.