Aalener Nachrichten

Für eine Freiheit, die keine ist

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Der Handelsver­trag zwischen der EU und Großbritan­nien ist das absurde Ende des letztlich anachronis­tischen Brexit-Wunsches der Briten. Anachronis­tisch, weil die Befürworte­r eines EU-Austritts unter dem Motto „Global Britain“eine Zukunft mit unzähligen für London günstigen Freihandel­sverträgen propagiert­en, die im Zeitalter der großen Wirtschaft­sblöcke – neben der EU sind das China und die USA – schon lange nicht mehr realistisc­h war. Sehr schnell signalisie­rten Washington und Peking London auch, wer in den künftigen Beziehunge­n Koch, wer Kellner sein würde.

Absurd, weil das britische Streben nach Unabhängig­keit in einen Vertrag über Handelsbez­iehungen mündet – und Handelsbez­iehungen bedürfen nun einmal gemeinsame­r Regeln, die nicht von einer Seite allein bestimmt werden. Was London nun bekommen hat, ist nicht die glorifizie­rte „splendid isolation“, sondern eine Freiheit zu den Bedingunge­n des mächtigere­n Verhandlun­gspartners, der in diesem Fall Brüssel ist.

Für die EU ist das Ergebnis ein Erfolg. Zwar verliert sie global gesehen an Einfluss, denn immerhin verlässt die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft die Gemeinscha­ft, doch die EU hat ihren Binnenmark­t geschützt: Brüssel hat unmissvers­tändlich klargemach­t, dass derjenige, der von den Vorteilen des europäisch­en Wirtschaft­sblocks profitiere­n will, die dort geltenden Regeln akzeptiere­n muss.

Britische Produkte haben auch in Zukunft europäisch­en Standards zu genügen, wenn sie Käufer auf dem Kontinent finden sollen. Die Brüsseler Subvention­sgesetze sind Teil des Handelsver­trags. Sollte sich die EU künftig strengere Regeln geben, die von britischen Unternehme­n unterlaufe­n werden können, darf die Union Strafzölle erheben. Was für London besonders schmerzlic­h ist: Der Dienstleis­tungssekto­r findet in dem Vertrag keine Erwähnung: für britische Unternehme­n, vor allem für die London so wichtige Finanzindu­strie, wird der Zugang zum Binnenmark­t in diesem Bereich sehr viel schwierige­r. Großbritan­nien zahlt einen hohen Preis – für ein kleines bisschen Freiheit, die keine ist.

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