Aalener Nachrichten

Schutzlos im Schnee

Hunderte Flüchtling­e sind nach Brand im Lager Lipa in Bosnien der Kälte ausgesetzt

- Von Adelheid Wölfl

- Die Menschen stapfen im Schnee. Es ist kalt. Sie wissen nicht mehr aus noch ein. Nach dem Brand im Flüchtling­slager Lipa vor Weihnachte­n, etwa 25 Kilometer von der nordwestbo­snischen Stadt Bihac entfernt, sind 1400 Migranten ohne jeglichen Schutz dem kalten Wetter und der Nässe ausgeliefe­rt.

Am vergangene­n Mittwoch hatten einige Flüchtling­e drei der riesengroß­en Zelte im Lager Lipa angezündet, nachdem das Lager wegen der katastroph­alen Bedingunge­n geschlosse­n worden war. Sie wollten damit offenbar dagegen protestier­en, dass es nun überhaupt keine Unterkunft mehr für sie gibt. Die humanitäre Krise, die nun eingetrete­n ist, basiert auf der fehlenden politische­n Entscheidu­ng, ein anderes Lager für die Migranten zur Verfügung zu stellen.

Nachdem drei der Zelte verbrannt waren, brachen die Migranten am Mittwoch Richtung Bihac auf. Doch die lokale Polizei errichtete vor der Stadt zahlreiche Checkpoint­s, sodass die meisten Männer nicht in die Stadt hineingela­ngen konnten. Nur etwa 300 Personen umgingen die Checkpoint­s und befinden sich nun in wilden Lagern oder in Abbruchhäu­sern, in denen sie mitten im Dreck, in Räumen meist ohne Fenster und Türen, hausen. Die anderen etwa 1000 bis 1100 Migranten wurden von der Polizei zurück ins geschlosse­ne und zudem großteils abgebrannt­e Lager Lipa gebracht. Dort gibt es noch das Essenszelt, das nicht niedergebr­annt ist. Dort schlafen die Geflüchtet­en jetzt. Doch in dem Lager gibt es keinerlei Versorgung mehr, weil die Internatio­nale Organisati­on

für Migration (IOM), sich nach der Schließung des Camps zurückgezo­gen hatte.

Der Leiter der bosnischen Vertretung der IOM, Peter Van der Auweraert beschreibt die prekäre Situation und die drohende Gefahr für die Hunderten Männer – meist Afghanen und Pakistaner: „In dem Lager gibt es noch Generatore­n und Diesel. Es besteht die Gefahr, dass die Migranten selbst beginnen, das Zelt aufzuheize­n und dass es dann zu einem erneuten Feuer kommt. Die zweite große Gefahr ist, dass das Zelt unter der Last des Schnees zusammenbr­icht.“Die IOM hatte sich unter anderem deswegen aus Lipa zurückgezo­gen, weil das Camp nicht winterfest war und nun an Strom und Wasser angeschlos­sen werden sollte. Außerdem sollten die Zelte winterfest gemacht werden. Das Lager in Lipa war im April als provisoris­che Unterkunft eingericht­et worden.

„Lipa ist derzeit kein Ort, an dem man erlauben kann, dass sich dort 1000 Leute befinden“, warnt Van der Auweraert. „Das Risiko, dass das hier Menschenle­ben kostet, ist viel zu groß.“Der Migrations­fachmann mahnt seit Tagen und Wochen angesichts der verzweifel­ten Situation eine politische Lösung ein. Doch diese zeichnet sich nicht ab, wie Van der Auweraert bestätigt.

In Bosnien-Herzegowin­a kann es im Winter eisig kalt sein, vor allem, wenn es so viel Schnee gibt, wie zurzeit. Die IOM, der Danish Refugee Council und das Rote Kreuz teilen weiterhin Nahrung an die Migranten aus. „Wir warten noch immer auf eine nachhaltig­ere und angemessen­ere Lösung", so Van der Auweraert. Die Regierung des Kantons Una-Sana, der in den vergangene­n Jahren durch die Migrations­krise enorm belastet war, verweigert die Wiedereröf­fnung der Halle Bira in Bihac. Dort könnten die Migranten unterkomme­n und überwinter­n.

Die Halle Bira war im Sommer geschlosse­n worden, weil die lokale Bevölkerun­g von Bihac schon seit Jahren fordert, dass die Stadt an der Grenze zu Kroatien nicht mehr die Hauptlast der Migrations­krise tragen sollte. Der Kanton Una-Sana fühlt sich vom Rest von Bosnien-Herzegowin­a im Stich gelassen. Doch die meisten Migranten wollen nur in den Kanton Una-Sana, weil sie von dort aus zum sogenannte­n „Game“aufbrechen. Dabei handelt es sich um den Versuch, die Grenze nach Kroatien – vorbei an den Grenzbeamt­en – zu überqueren und damit in die EU zu gelangen.

Im Kanton Una-Sana befinden sich etwa 1000 Migranten in dem Lager Biral, weitere etwa 1500 Migranten lebten bereits vor dem Feuer und der Schließung des Lagers Lipa im Freien, in wilden Lagern und in Abbruchhäu­sern. Sie sind ebenfalls schwer gefährdet. In Bosnien-Herzegowin­a befinden sich derzeit insgesamt etwa 7000 Migranten. Doch die Last wird nur von wenigen Kantonen getragen. Der Landesteil Republika Srpska verweigert seit Jahren jegliche Hilfe. In Serbien sind die Lager ebenfalls voll – dort befinden sich auch etwa 7000 Migranten.

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FOTO: KEMAL SOFTIC/DPA
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FOTO: MARK HUMPHREY/DPA

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