Aalener Nachrichten

Wagnis Preissteig­erung

Märkte scheuen nach Auslaufen der Mehrwertst­euersenkun­g das Ende der Rabatte

- Von Erich Reimann und Theresa Münch

(dpa) - Der 2. Januar 2021 wird ein spannender Tag für den deutschen Einzelhand­el. Denn sechs Monate nach der befristete­n Mehrwertst­euersenkun­g müssten am ersten Verkaufsta­g des neuen Jahres eigentlich die Preise wieder nach oben gehen. Eigentlich. Doch ob das wirklich geschieht, und in welchem Umfang, das scheint auch wenige Tage vor dem Stichtag ungewiss – vor allem bei Supermärkt­en und Discounter­n.

„Der Wettbewerb im deutschen Lebensmitt­elhandel ist brutal. Deshalb wird es für die Händler nicht einfach werden, die Preiserhöh­ungen weiterzuge­ben“, ist Handelsexp­erte Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU überzeugt. Besonders den Discounter­n wie Aldi oder Lidl werde ein solcher Schritt schwerfall­en. Denn sie hätten in der Pandemie Marktantei­le an die Supermärkt­e verloren. Mit seiner Einschätzu­ng steht Fassnacht nicht allein. Der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d, Stefan Genth, glaubt ebenfalls, angesichts des hohen Wettbewerb­sdrucks seien die Spielräume für Preiserhöh­ungen „äußerst begrenzt“. Und auch die Verbrauche­rzentrale

Nordrhein-Westfalen geht nicht davon aus, dass alle Händler auf Preiserhöh­ungen in erhebliche­m Umfang setzen werden.

Eine Schlüsselr­olle spielen nach Einschätzu­ng des Fachblatte­s „Lebensmitt­el Zeitung“die großen Discounter Aldi und Lidl. Ihre Preispolit­ik werde darüber entscheide­n, wie sich die Mehrwertst­euererhöhu­ng zum Jahreswech­sel auf die Regalpreis­e auswirken werde. „Sollte einer der großen Player die Preise nicht erhöhen, wollen alle anderen nachziehen“, schreibt das Blatt. Dass die Mehrwertst­euer ein Thema ist, mit dem sich die Händler gerne profiliere­n, zeigte sich schon bei der Senkung im Sommer. Damals wartete Lidl den Stichtag für die Steuersenk­ung gar nicht ab, sondern senkte schon mehr als eine Woche vorher die Preise. Der zusätzlich­e Rabatt kostete den Discounter nach eigenen Angaben einen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

Die Bundesregi­erung hatte im Frühsommer beschlosse­n, den Mehrwertst­euersatz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent zu senken. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmitt­el und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wurde von sieben auf fünf Prozent reduziert. Das sollte die Konjunktur anschieben und die Bürger motivieren, teure Anschaffun­gen trotz Krise ein paar Monate vorzuziehe­n.

Im Rückblick scheint vielen diese Strategie aber nicht wirklich aufgegange­n zu sein. „Ich glaube, unterm Strich muss man sagen, die 20 Milliarden Euro, die sich dies der Bund für ein halbes Jahr hat kosten lassen, da stehen Aufwand und Ertrag nicht in einem guten Verhältnis“, sagte der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, Klaus Müller.

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FOTO: DPA Einkaufswa­gen bei Aldi: Wer traut sich als Erster an höhere Preise?

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