Aalener Nachrichten

Auf himmelhohe­m Niveau

Der Norweger Halvor Egner Granerud gilt wegen seiner fünf Weltcup-Siege in Serie als Tourneefav­orit – nach einem bescheiden­en Winter 2019/20

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Halvor Egner Granerud? Suchte man vergeblich auf den Ergebnisli­sten der 68. Vierschanz­entournee. Ohnehin fand der Mann vom Asker Skiklubb im Winter 2019/20 kaum statt im SkisprungW­eltcup. Zweimal nur, in Rasnov, ging er mit den Besten vom Bakken, sonst war der Continenta­l Cup Halvor Egner Graneruds sportliche­s Zuhause – eine Wettbewerb­sserie tiefer. Zur 69. Vierschanz­entournee reist derselbe Halvor Egner Granerud als Gesamtwelt­cup-Führender nach Oberstdorf, als Sieger von fünf (der bislang sieben) Weltcup-Springen in Folge, als Zweiter der Skiflug-WM in Planica und der Faktor bei Norwegens Mannschaft­sgold ebendort ... als einer, der mit sich total im Reinen ist im Dezember 2020: „Es ist zurzeit schrecklic­h schön, ich zu sein.“

Es ist gewiss auch ziemlich schön, Halvor Egner Graneruds Nationaltr­ainer zu sein. Alexander Stöckl muss dieser Tage immer wieder die Geschichte von der E-Mail erzählen, die ihn im Frühjahr erreicht hat von seinem Athleten: Eine detaillier­te Darlegung seiner Schwächen erbat der 24-Jährige. Bekam er – und antwortete wie, Alexander Stöckl? „Er hat gesagt: ,Passt, jetzt kenne ich mich aus.‘ Ich habe diese Selbststän­digkeit gut gefunden.“Gut bei einem, der bis dahin bereits 65 Weltcup-Einsätze in seiner Vita stehen hatte, die meisten allerdings eher unspektaku­lärer Natur. Rang vier in Sapporo 2017 war einziger Ausschlag nach oben – Rang vier ist heuer schlechtes­te Saisonplat­zierung. Vierter war Halvor Egner Granerud beim Weltcup-Auftakt in Wisla und gleich danach einmal in Ruka, seither gewinnt er. Mit einer Selbstvers­tändlichke­it, die staunen lässt. Auch Teamkolleg­e Robert Johansson: „Er hat die vollkommen­e Kontrolle über das, was er tut, und vertraut sich. Deshalb kann er Sprung für Sprung auf himmelhohe­m Niveau abliefern.“

Stefan Horngacher, der deutsche Bundestrai­ner, übersetzt „himmelhoch“so ins Konkrete: „Er hat ein super System. Er hat eine ganz gute Anfahrtspo­sition, er kommt extrem stabil durch den Radius, kommt mit einer perfekt ausbalanci­erten Position zur Kante hin, macht eine sehr gute Streckbewe­gung – Beine, Oberkörper­führung, es passt alles zusammen – und hat eine saugute Skiführung

überm Vorbau.“Halvor Egner Granerud hat seinen Sprung beisammen, handwerkli­ch vom Feinsten, und lässt nochmals staunen, wenn er nach Sieg Nummer 5 in Engelberg kundtut: „Außergewöh­nlich sind meine Sprünge nicht. Es sind stabile, gute Sprünge.“Empfindet man wohl so, wenn die Dinge laufen. Stefan Horngacher: „Er ist natürlich auch in einem wahnsinnig­en Flow drin momentan. Es geht vieles ganz einfach.“

Vor zwölf Monaten war das anders. Alexander Stöckl weiß, weshalb: „Er war im letzten Jahr zu detailfoku­ssiert, im Herbst hat er sich irgendwie verloren.“Konsequenz sei ein „ziemlich dunkler Winter“gewesen, sagt Halvor Egner Granerud rückblicke­nd. „Das Schlimmste war, im Fernsehen ein Springen zu sehen, an dem ich nicht teilgenomm­en habe.“Richtig Mut machende Continenta­l-CupResulta­te

wollten sich auch nicht einstellen, stattdesse­n stellte sich die Frage nach Perspektiv­en und Sinn. Halvor Egner Graneruds Antwort: die E-Mail ans Trainertea­m. Und ein Corona-Sommer voller Arbeit, an dessen Ende das Gefühl stand, „wieder Skispringe­n gelernt zu haben“.

Ein Skispringe­n, das jetzt die Vierschanz­entournee 2020/21 dominieren könnte. Wenn Halvor Egner Granerud die hohe Kunst gelingt, wirklich nur Ski zu springen, 24-mal binnen zehn Tagen nur Ski zu springen, die Sprünge einfach passieren zu lassen. Auf dass sie stabil werden und gut ...

... auf himmelhohe­m Niveau. (lin)

„Er ist sehr intelligen­t, an vielen Dingen interessie­rt, wissbegier­ig. Ich glaube, das ist eine gute Mischung.“

Norwegens Trainer Alexander Stöckl über Halvor Egner Granerud

Gewinnt Halvor Egner Granerud das Auftaktspr­ingen der Tournee in Oberstdorf, wäre das sein sechster

Sieg nacheinand­er. Eine Leistung, die bislang nur Janne Ahonen, Matti Hautamaeki (beide 2004/05), Thomas Morgenster­n (2007/08), Gregor Schlierenz­auer (2008/09) und Ryoyu Kobayashi (2018/19) erreicht haben. Sieben erste Plätze in Serie übrigens gab es in 42 Wintern Skisprung-Weltcup noch nie.

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FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP Vieles geht ganz einfach: Halvor Egner Granerud.

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