4:0 gewonnen – und entlassen
Thomas Tuchel zahlt für sein miserables Verhältnis zu Paris-Manager Leonardo die Zeche
(dpa/SID/sz) - Thomas Tuchel schwieg. Weder der deutsche Trainer noch der französische Meister Paris Saint-Germain haben bisher die dubiose Trennung rund um Heiligabend bestätigt. Der Einzige, der sich traute, war PSG-Weltmeister Kylian Mbappé – mit warmen Worten an Tuchel, der schon wieder einen Club im Unfrieden verlässt und über dessen Zukunft sogleich wild spekuliert wurde.
„Das ist leider das Gesetz des Fußballs. Aber niemand wird Ihre Amtszeit hier vergessen“, schrieb Mbappé bei Instagram. In seinen zweieinhalb PSG-Jahren habe Tuchel, der noch im Juli im Champions-League-Endspiel stand und dort nur knapp 0:1 gegen den FC Bayern verlor, „ein schönes Kapitel in der Vereinsgeschichte geschrieben“, ergänzte der 22 Jahre alte Starspieler, „und ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Coach“. Die Führungsriege des Pariser Glanzvereins sah das offensichtlich anders.
Der genaue Ablauf kurz vor Weihnachten blieb unklar. PSG gewann am 23. Dezember mit 4:0 gegen Racing Strasbourg, am Folgetag meldeten deutsche und französische Medien seine Entlassung. Die „Bild am Sonntag“schrieb, dass sich die Verhandlungen über die Auflösung des bis 2021 datierten Vertrages noch ziehen würden. Dabei wird es um einen Millionenbetrag gehen. Tuchels Verhältnis zu PSG-Sportdirektor Leonardo gilt seit Monaten als schwierig bis nicht mehr existent.
„Erwartet wie der Weihnachtsmann“, schrieb die „L'Equipe“über die Trennung. In Paris wird nun der Argentinier Mauricio Pochettino, zuletzt bei Tottenham Hotspur tätig, gehandelt. Er soll sogleich seinen Landsmann, den sechsmaligen Weltfußballer Lionel Messi, mitbringen. Der war im Sommer nur unter Protest beim FC Barcelona geblieben – und die ParisFans träumen seit jeher von der Wiedervereinigung von Messi und Neymar, der als bester Freund Messis gilt.
Wie es mit Tuchel weitergeht, ist offen. Der 47-Jährige, einst bei Mainz und Dortmund erfolgreich, hat sich einen exzellenten Ruf als Trainer-Fachmann
erarbeitet. Allerdings hatte es auch in Mainz und Dortmund zum Ende seiner Amtszeiten im zwischenmenschlichen Bereich geknirscht. Angeblich reizt Tuchel die Premier League, und auch da kämen nur die Topclubs
infrage. Zuletzt war er auch als Nachfolger für Bundestrainer Joachim Löw ins Gespräch gebracht worden, der dann aber bleiben durfte.
In einem Interview bei Sport1 hatte Tuchel sich kurz vor Weihnachten über fehlende Anerkennung für die Leistung der Mannschaft beklagt: „Es hat ein Spiel gefehlt zum ChampionsLeague-Sieg. Und wir hatten nie so das Gefühl, dass wir die Leute jetzt auch mal überzeugt haben und sie unsere Leistung anerkennen. Es macht einen auch manchmal ein bisschen traurig oder sauer", sagte Tuchel: „Hier ist auf jeden Fall eine extreme Erwartungshaltung im Club und im Umfeld. Da hat man schon das Gefühl, dass die Wertschätzung dafür – gerade in der Liga – nicht so da ist, wie sie es zum Beispiel bei Bayern München ist. Das fehlt ein bisschen."
Dass sich die Wege von PSG und Tuchel trennen würden, war weniger eine Überraschung als der Zeitpunkt. Durch das 0:1 vor zwei Wochen gegen Spitzenreiter Lyon, bei dem sich Neymar verletzte, und dem 0:0 beim OSC Lille hat PSG derzeit einen Punkt Rückstand auf das Führungsduo – zu wenig für die Ansprüche der Clubbesitzer aus Katar um Präsident Nasser Al-Khelaifi. Er habe eine sehr müde Mannschaft gesehen, sagte Tuchel nach der Pleite gegen Lyon und räumte ein, dies im Vorfeld nicht so erkannt zu haben.
Entscheidend aber war, dass sich Tuchel und Leonardo, der 2019 zum Club stieß, nicht grün waren. Tuchel hatte vor der Saison öffentliche Kritik an der Kaderzusammenstellung geäußert, man habe die Abgänge von Kapitän Thiago Silva, Stürmer-Routinier Edinson Cavani und Thomas Meunier nicht kompensiert. „Wenn die Mannschaft so bleibt, können wir nicht mehr über die gleichen Ziele sprechen", sagte er. Dafür gab es von seinem Chef eine verbale Zurechtweisung. „Das hat uns nicht gefallen", sagte Leonardo damals. „Falls jemand nicht glücklich ist, wenn er sich entscheidet zu bleiben, muss er sich entweder an die sportliche Politik oder die internen Regeln halten."
Immerhin: Tuchels Bilanz stimmt. Zweimal wurde er Meister, einmal Pokalsieger, 2020 zweitbestes Team Europas. In 127 Pflichtspielen sammelte Tuchel mit PSG im Schnitt 2,35 Punkte: 96 Siege, elf Remis, 20 Niederlagen.