Gross fordert Ehrgeiz in jeder Sekunde
Der 66-jährige Schweizer soll den Bundesliga-Letzten Schalke retten, war aber zehn Jahre nicht mehr in der Bundesliga tätig
(dpa/SID) - Nach tagelangen Spekulationen ist die Trainerfrage beim FC Schalke 04 geklärt. Am Sonntag teilte der Fußball-Bundesligist mit, dass er in der größten Krise seit 30 Jahren auf Trainer Christian Gross als Retter vertraut. Einziger Auftrag: Der 66 Jahre alte Schweizer soll den Ligaletzten vor dem Absturz in die 2. Liga bewahren. Gross erhält einen Vertrag bis Saisonende. Bereits am Sonntag traf sich Schalke zu ersten Corona-Tests, Gross leitete ein erstes „internes Training“.
„Für Schalke geht es in den nächsten fünf Monaten ausschließlich darum, den Klassenerhalt zu schaffen. Christian Gross hat in Deutschland und England bewiesen, dass er schwierige Missionen erfolgreich gestalten kann“, sagte Sportvorstand Jochen Schneider. „Er wird die Mannschaft mit klarer Linie auf den richtigen Weg bringen. Ich bin der Überzeugung, dass er mit seiner Art, seiner Ausstrahlung, seiner Expertise, seiner Menschenführung und Erfahrung genau der Richtige ist.“
Gross ist nach David Wagner, Manuel Baum und Kurzzeit-Helfer Huub Stevens in dieser Saison der vierte Trainer der Schalker. „Wir müssen ziel- und resultatorientiert arbeiten. Ich will den Ehrgeiz der Spieler in jeder Sekunde spüren. Wir brauchen in und um die Mannschaft herum eine positive Grundhaltung, um wieder erfolgreich zu sein. Ich werde alles dafür geben, damit wir unser Ziel gemeinsam erreichen“, sagte der Schweizer. „Die Ansprache an die Spieler wird entscheidend. Ich habe noch sehr viel Energie, und die brauche ich ganz bestimmt. Ich muss vorangehen.“
Dem Vernehmen nach soll er ein geringes Grundgehalt beziehen, aber im Fall des Klassenverbleibs eine üppige Prämie kassieren. Gross, der nach zehn Jahren sein Bundesliga-Comeback feiert, gilt als Mann, der viel Wert auf Disziplin legt. Bei seiner bisher einzigen Station im Oberhaus (2009/ 10) steuerte er den VfB Stuttgart aus der Abstiegszone bis in die Europa League. Nach einem Fehlstart in die neue Saison musste er damals gehen. Schneider kennt den Schweizer aus Stuttgarter Zeiten. Sollte auch der neue Trainer scheitern, ist wohl auch der 50 Jahre alte Sportvorstand nicht mehr zu halten. Im Umfeld wird Gross' Engagement kritisch gesehen. Schließlich war er zuletzt vor acht Jahren bei den Young Boys Bern in Europa als Trainer tätig. Danach arbeitete er in Ägypten und Saudi-Arabien. Vor dem VfB trainierte er vor mehr als 20 Jahren auch Tottenham Hotspur. Die lange Bundesliga-Pause sei kein Nachteil, sagte er: „Auch in Afrika wird Fußball gespielt.“
Viel Zeit, mit dem Team die Wende einzuleiten, bleibt ihm nicht. Die seit 29 Bundesliga-Spielen sieglose Mannschaft trat zuletzt selten als Einheit auf und ist ohne Selbstvertrauen. Zudem
hat der aktuelle Kader ein offensichtliches Qualitätsproblem. Bis zum Relegationsplatz, den Bielefeld einnimmt, fehlen nach der jüngsten 0:1Pleite gegen die Arminia bereits sechs Punkte. In den restlichen 21 Liga-Partien wartet eine Herkulesaufgabe.
Schon am 2. Januar steht das Auswärtsspiel bei Hertha BSC an. Sollte dort kein Erfolg gelingen, droht eine Woche später daheim gegen Hoffenheim die Einstellung des historischen Negativrekords von Tasmania Berlin in der Saison 1965/66 mit 31 Spielen ohne Erfolg. Möglicherweise kann Gross dann auf einen Neuzugang bauen. Schalke ist an Offensiv-Spieler Marco Richter vom FC Augsburg interessiert, der 23-Jährige soll ausgeliehen werden. Gross sagte, er wünsche sich Verstärkungen, vor allem auf den Außenbahnen sehe er Handlungsbedarf. Mit dem suspendierten Nabil Bentaleb plane er nicht mehr.