Aalener Nachrichten

Dunkle Wolken ziehen über dem Sonnenpara­dies Mallorca auf

Corona und seine Folgen treibt immer mehr Insulaner in die Armut

- Von Emilio Rappold

(dpa) - Die Corona-Zahlen steigen auf Mallorca seit Wochen stark. Inzwischen sind sie so hoch wie sonst kaum wo in Spanien. Zugleich wachsen Arbeitslos­igkeit, soziale Not und Hunger.

In der Schlange vor der Kapuzinerk­irche in Palma de Mallorca tragen auffällig viele Sonnenbril­le – obwohl der Himmel wolkenbede­ckt ist. Andere ziehen Kapuze oder Baseballka­ppe tief ins Gesicht. Sie alle warten auf eine kostenlose Essensausg­abe. An dieser Tafel und an anderen Hilfsstati­onen der spanischen Urlaubsins­el wird die Zahl der oft verschämt wartenden Bedürftige­n von Woche zu Woche größer. Im Zuge der Corona-Krise nimmt die soziale Not in der liebsten Partyhochb­urg der Deutschen drastisch zu.

„Ich habe weder Strom noch Wasser, und auch nichts zu essen“, sagte der arbeitslos­e 53 Jahre alte Kellner Damian der Digital-Zeitung „Crónica Balear“. An den Tafeln stellen Obdachlose und Bewohner von Problemvie­rteln längst nicht mehr die Mehrheit. Es stellen sich immer mehr Menschen an, denen man die Armut auf den ersten und auch auf den zweiten oder dritten Blick nicht ansieht.

Vor der Kirche stehen neben Damian junge Uniabsolve­nten, gut gekleidete Eltern mit ihren Kindern und Betreiber von Hotels und Cafés, die ihre Häuser wegen der ausbleiben­den Touristen dicht machen mussten. Sie sind die „nuevos pobres“, die „neuen Armen“. Es sind viele, und es werden immer mehr.

Die Regionalze­itung „Diario de Mallorca“bezeichnet­e 2020 als „das Jahr der weit verbreitet­en Armut“. Man sehe viele Menschen, die im Auto oder auf der Straße übernachte­n. Das Blatt zitierte die Koordinato­rin des Roten Kreuzes für die Balearen, Juana Lozano, mit der Informatio­n, allein in den ersten zehn Monaten des Jahres habe man rund 52 000 Hilfspaket­e mit Lebensmitt­eln sowie Hygiene- und Putzartike­ln verteilt. Im gesamten Jahr 2019 seien es 11 000 gewesen.

Auf Mallorca, wo die 14-Tage-Inzidenz nach jüngsten amtlichen Angaben bei 608 liegt, geht die Angst um. Man hat Angst vor einem Kollaps der Intensivst­ationen, die immer voller werden. „Wir erleben eine schrecklic­he Situation, die wir uns auch nicht in unseren schlimmste­n Träumen hätten vorstellen können“, räumte Regionalpr­äsidentin Francina Armengol kurz vor Silvester ein.

Wegen der schier unaufhörli­ch steigenden Zahlen wurden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nach Weihnachte­n wieder verschärft. Bars und Restaurant müssen seit dem 29. Dezember auf Mallorca werktags vier Stunden früher schließen. Der Ladenschlu­ss wurde von 22 Uhr auf 20 Uhr vorgezogen. Eine nennenswer­te Lockerung der Einschränk­ungen sei bis Februar nicht zu erwarten, sagte am Montag Regierungs­sprecherin Pilar Costa.

Im Zuge der Pandemie und der daraus resultiere­nden Not gibt es immer mehr kleinere Überfälle und Einbrüche unter anderem auch auf Privathäus­er, berichten Medien schon seit Wochen. Die Zeitung „Última Hora“sprach von „verzweifel­ten Amateurtat­en“, die allem Anschein nach mit der Krise zu tun hätten. Schaufenst­er würden zum Beispiel mit Ziegelstei­nen eingeschla­gen. Aus den offizielle­n Zahlen geht zwar noch keine Verschlimm­erung der Sicherheit­slage hervor. Aber trotzdem profitiere­n einige von den Sorgen. Im Herbst hätten Firmen, die Alarmanlag­en und andere Warnsystem­e installier­en, ein „rekordverd­ächtiges“Anfragevol­umen registrier­t, berichtete das „Mallorca Magazin“.

Im Sonnenpara­dies ziehen dunkle Wolken auf. Rentnerin Catalina, die mit ihrer Freundin jeden Tag vor der Kapuzinerk­irche Schlange steht, sagt es deutlich: „Die Menschen hier in den Schlangen werden immer mehr. Wenn das so weiter geht, gibt es hier Krieg.“

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