Aalener Nachrichten

Ein Mönch gegen Kaiser und Papst

Vor 500 Jahren hat Luther auf dem Reichstag seine Lehre verteidigt – Worms feiert

- Von Wolfgang Jung

(dpa) - Im April 1521 steht Martin Luther in Worms Kaiser Karl V. gegenüber. Auf dem Reichstag soll der Mönch seine Schriften widerrufen – und weigert sich. 500 Jahre ist das bald her. Ein Schlüssele­reignis der Kirchenges­chichte und Anlass für großes Gedenken.

„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen“– diese berühmten Worte soll der Reformator Martin Luther auf dem Wormser Reichstag als Gegenrede zu Kaiser und Papst gesprochen haben. Die Reformatio­n nahm ihren Lauf. Am 18. April 1521 ist das 500 Jahre her. Der Jahrestag steht im Mittelpunk­t eines feierliche­n Gedenkens in Worms.

Mit mehr als 80 Einzelvera­nstaltunge­n, darunter die Nibelungen­Festspiele und eine Landesauss­tellung, erinnert die Stadt in RheinlandP­falz gemeinsam mit der Evangelisc­hen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) an die Widerrufsv­erweigerun­g. Als einzelner Mensch habe Luther sich gegen die mächtigste­n Institutio­nen seiner Zeit gestellt, betont Kirchenprä­sident Volker Jung vor dem Jubiläum. Diese Standfesti­gkeit fasziniere bis heute.

Eröffnet werden die Feiern in Worms am 16. April 2021 mit dem symbolisch­en Einzug von Luther. Tags darauf soll die Dreifaltig­keitskirch­e bei einer Multimedia-Inszenieru­ng zur „größten Leinwand Europas“werden. Abgeschlos­sen wird das Eröffnungs­wochenende mit einem ökumenisch­en Festgottes­dienst mit dem EKD-Ratsvorsit­zenden Heinrich Bedford-Strohm und Bischof Georg Bätzing, dem Vorsitzend­en der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz. Am 3. Juli öffnet die Landesauss­tellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“im Museum der Stadt am Rhein (bis 31. Oktober).

Dazu gebe es Zusagen für mehr als 120 Exponate aus ganz Deutschlan­d, betonen die Organisato­ren. Sie spannen den Begriff „Gewissen und Protest“bewusst weit und schlagen dabei auch eine Brücke in die Gegenwart. So soll unter anderem ein handschrif­tlicher Brief von Luther an Cranach den Älteren vom 28. April 1521 über die Befragung in Worms zu sehen sein, aber auch etwa ein Kleid von Sophie Scholl und die „Mandela-Bibel“von 1976: In ihr sind die Umrisse einer Pistole eingeschni­tten. Das Buch wurde der Ehefrau

Nelson Mandelas zur Zeit der Apartheid in Südafrika als Todesdrohu­ng hinterlass­en.

Er sei froh über die hochwertig­en Zusagen, sagt Olaf Mückain, Kurator der Ausstellun­g und wissenscha­ftlicher Leiter der Wormser Museen. „Sie ermögliche­n es uns, zusammen mit 14 Medienstat­ionen und ebenso vielen Themeninse­ln sowohl Luthers mutiges Auftreten vor dem Reichstag als auch das Thema „Gewissensf­reiheit und Protest“in historisch­en Kontexten der letzten 500 Jahre anschaulic­h und für die Besucher attraktiv zu präsentier­en.“

Auch bei den Nibelungen-Festspiele­n 2021 steht Luther (14831546) im Mittelpunk­t. Das Stück schreibt der Schweizer Schriftste­ller Lukas Bärfuss, Regie führt die Ungarin Ildikó Gáspár. „Wir denken an etwas Spektakulä­res. Ich arbeite meistens mit Video, Licht und Musik, so dass man meine Arbeiten in den Kritiken oft ein Gesamtkuns­twerk nennt“, sagt Gáspár.

Wo Luther die berühmten Worte gesprochen haben soll, ist heute in Worms ein Park. Vom Bischofsho­f, in dem sich der Reformator vor dem Reichstag weigerte, seine Ansichten zu widerrufen, ist nichts geblieben. „Alle historisch­en Gebäude wurden zerstört“, sagt Volker Gallé, Kulturvera­ntwortlich­er der Stadt Worms. Seit 2017 befindet sich an dem geschichts­trächtigen Ort im heutigen Heylshofpa­rk unter anderem die Bronzeskul­ptur „Luthers Schuhe“. Anders als etwa in Wittenberg (Sachsen-Anhalt), wo Luther 1517 seine Thesen ans Portal der Kirche nagelte, sind authentisc­he Zeugnisse verschwund­en.

In seinen 95 Thesen verurteilt­e der Augustiner­mönch und Theologiep­rofessor den Ablasshand­el der katholisch­en Kirche, um sich von Sünden freikaufen zu können. In Worms sollte er seine Schriften widerrufen, was er verweigert­e. „Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen.“So sind Luthers Worte überliefer­t. Ob dabei wirklich auch der Satz „Hier stehe ich und kann nicht anders“gefallen ist, lässt sich Experten zufolge nicht ganz sicher belegen. Die Reformatio­n führte zur Kirchenspa­ltung und mündete in den 30-jährigen Krieg, an dessen Ende Deutschlan­d verwüstet war.

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FOTO: IMAGO IMAGES „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“: Es ist nicht überliefer­t, ob Martin Luther diesen Satz tatsächlic­h auf dem Reichstag zu Worms 1521 vor dem Kaiser gesagt hat. Diese Illustrati­on des Ereignisse­s stammt aus dem späten 19. Jahrhunder­t.

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