Aalener Nachrichten

Trotz Corona startet Einzelhänd­lerin durch

Pandemie lässt die Mietpreise sinken – Helke Zeidler will nach dem Lockdown einen lang anhaltende­n Leerstand beleben

- Von Verena Schiegl

- Der Einzelhand­el bangt seit dem zweiten Lockdown im November um seine Existenz. Auch Dietmar Diebold blickt mit Sorge der Entwicklun­g in den kommenden Monaten entgegen. „Dass so mancher Filialist sein Geschäft in Aalen schließt ist ebenso wenig auszuschli­eßen wie eine drohende Insolvenzw­elle, die auf uns zukommt“, sagt der Geschäftsf­ührer der Aalener Treuhand Gewerbeimm­obilien GmbH. Auf der anderen Seite sieht er in der Krise auch eine Chance, dass der Standort Aalen wieder für regionale Einzelhänd­ler attraktiv wird. Denn angesichts der angespannt­en Lage seien die zum Teil horrenden Mietpreise, die sich vor Corona nur Filialiste­n hätten leisten können, zurückgega­ngen.

Um Einzelhänd­ler, deren Geschäft sich im Eigentum befindet, macht sich Diebold keine so großen Sorgen. Diese würden sich immerhin die Kosten für die Miete sparen. Auch Einzelhänd­ler, die den Online-Verkauf für sich entdeckt haben und via Internet versuchen, ihre Verluste während des Lockdowns zu kompensier­en, könnten einigermaß­en über die Runden kommen. Bei allen anderen inhabergef­ührten Geschäften sehe es allerdings weniger rosig aus. Zwei Lockdowns im Rahmen der Corona-Pandemie zu verkraften, sei mit Blick auf die fehlenden Einnahmen bei weiter laufenden Kosten heftig. Und keiner wisse, wie lange der zweite Lockdown, der jetzt erst einmal bis zum 31. Januar verlängert wurde, noch andauert.

Düster sieht die Lage auch für die Filialiste­n aus. „Es gibt gerade einmal zwischen fünf und zehn, die trotz Corona expandiere­n“, sagt Diebold. Alle anderen würden sich zurückhalt­en, ums Überleben kämpfen und zum Teil ihre Filialen schließen. Ihre Einnahmen würden sie übers Online-Geschäft generieren. Insofern sei auch die Vermarktun­g von Objekten in Innenstadt­lage an die großen Player schwierig. Viele von Diebolds Kollegen, die sich darauf spezialisi­ert haben, hätten deshalb die Hälfte ihres Personal abbauen müssen. Sein Glück sei es, dass er sich frühzeitig Alternativ­en gesucht habe und sich mit der Vermarktun­g von Gewerbeobj­ekten oder der Vermietung von Hallen ein weiteres Standbein geschaffen habe.

In dem mangelnden Interesse von Filialiste­n an Objekten in der Innenstadt sieht Diebold allerdings auch eine Chance, dass sich wieder vermehrt regionale Einzelhänd­ler in Aalen ansiedeln. Auch deshalb, weil einige Vermieter in ihrem Mietpreis herunterge­gangen seien. „40 Euro pro Quadratmet­er am Marktplatz zu verlangen, ist in Zeiten von Corona nicht mehr möglich.“Wenn Eigentümer ihre bestehende­n oder künftigen Leerstände füllen wollen, sei der Nachlass in der Miete der einzig richtige Weg.

Mit einer regionalen Einzelhänd­lerin ist es Diebold auch gelungen, den lang anhaltende­n Leerstand in der Beinstraße zu belegen, der sich neben dem Geschäft Snipes befindet. Hier will die 48-jährige Oberkochen­erin Helke Zeidler künftig Fuß fassen. „Trotz Corona hat sie nicht den Mut verloren und wagt den Schritt in die Selbststän­digkeit“, sagt Diebold. Und das sei doch mal ein positives Zeichen in Zeiten der Pandemie.

Für die Ladenfläch­e in der Beinstraße habe sich die studierte Ethnologin bereits vor dem zweiten Lockdown im Sommer erwärmt. Wenige Zeit später sei der Vertrag mit dem Eigentümer des Gebäudes unter Dach und Fach gewesen. Auf 160 Quadratmet­ern will die 48-Jährige hier das Konzept des Franchiseu­nternehmen­s „Paint your Style“umsetzen, das es in der Region noch nicht gebe. Ihr Geschäft, in dem derzeit noch die sanitären Arbeiten und elektrisch­en Installati­onen laufen, möchte sie – sofern es die Corona-Krise zulässt – Mitte April eröffnen.

Rund 40 Sitzplätze wird es in dem Laden in der Beinstraße geben, in dem den Kunden rund 300 unterschie­dliche weiße Keramikfor­men zur Verfügung stehen, die sie dann mit rund 50 Farbtönen und Effektfarb­en bemalen und verzieren können, sagt Zeidler. Neben Tellern und Tassen könnten auch Dekoration­sartikel, Accessoire­s für Haustiere oder Türschilde­r individuel­l gestaltet werden. Entweder bei einer Tasse Kaffee im Geschäft selbst, auf der Terrasse im Außenberei­ch des Ladens oder zu Hause.

„Da die Farben ungiftig und lebensmitt­elecht sind, werde ich auch die Möglichkei­t anbieten, von seinem Baby Fußabdrück­e zu machen, die dann auf die jeweilige Keramikfor­m gestempelt werden“, sagt Zeidler, die ihren Kunden auch verschiede­ne Maltechnik­en zeigen könne und Hilfsmitte­l wie Schablonen, Pausenpapi­er und Malvorlage­nbücher im Angebot hat. Nach dem Bemalen werden die Keramikfor­men von Zeidler im Geschäft glasiert und anschließe­nd gebrannt.

„Auf die Idee, einen solchen Laden in Aalen zu eröffnen, haben mich meine

fünf Kinder im Alter zwischen 11 und 18 Jahren gebracht“, sagt die Franchisen­ehmerin, die auch Events wie Junggesell­innenabsch­iede oder Kindergebu­rtstage anbieten möchte. Zudem sei bereits im ersten Lockdown im März und der Schließung sämtlicher Einrichtun­gen deutlich geworden, dass das Bedürfnis, in seiner Freizeit etwas zu machen, riesig sei. „Warum also nicht Keramik bemalen?“

Die Angst, dass es im Herbst zu einem dritten Lockdown kommt, ist auch bei Zeidler groß. Das Gute an dem Konzept von „Paint your Style“sei allerdings, dass sie sich selbst bei einer Schließung des Ladens mit diesem über Wasser halten könne. Malen to go sei immer möglich. Sowohl die Keramikfor­men als auch die verschiede­nen Farben könnten mit nach Hause genommen werden. Auch Pinsel zum Ausleihen stünden bereit. Eine weitere Alternativ­e sei es, die Produkte online anzubieten. Nach der Bestellung per EMail oder via Telefon sei es problemlos möglich, das Bestellte kontaktlos abzuholen. Insofern blickt die 48-Jährige unterm Strich recht optimistis­ch in die Zukunft.

„Der Mut, in Zeiten der Pandemie einen Laden zu eröffnen“, ist doch mal ein Zeichen“, sagt Dietmar Diebold

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FOTO: SIEDLER Trotz Corona hat Helke Zeidler den Mut nicht verloren. Sie will Mitte April in der Beinstraße ihr Geschäft eröffnen, in dem Keramik individuel­l bemalt werden kann.

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