Aalener Nachrichten

Auf Kutteln muss keiner verzichten

Auch ohne Kalten Markt: Metzgermei­ster Schenk berichtet von einem guten Absatz

- Von Josef Schneider

- Saure Kutteln gehören zum Kalten Markt wie die Gans zu Weihnachte­n. Gut 4,4 Tonnen der Delikatess­e werden normalerwe­ise in der fünften Ellwanger Jahreszeit verspeist. Das Kuttelesse­n am KalterMark­t-Montag im „Roten Ochsen“, zu dem die Stadt einlädt, ist ein Muss für alteingese­ssene Ellwanger. Ebenso wie die Prämierung von Pferden und Pferdegesp­annen auf dem Schießwase­n, die Pferdewitz­e des Oberbürger­meisters, das KalterMark­t-Lied, der Festumzug der Reiter, Pferde und Pferdegesp­anne durch die Innenstadt und das Urteil des Preisgeric­hts. Doch in CoronaZeit­en ist alles anders: Der Kalte Markt ist abgesagt.

Auf ihre heiß geliebten Kutteln müssen die Ellwanger und ihre Gäste aber nicht verzichten. Der Ellwanger Metzgermei­ster Reiner Schenk berichtet von einer verstärkte­n Nachfrage seit Mitte November, obwohl schon mit Beginn der Corona-Pandemie ab März Kutteldose­n wie andere Fertiggeri­chte als beliebtes, schnelles Gericht für das Homeoffice sehr gefragt waren. „Wir haben ziemlich viele Anfragen.“

Vor allem im Dezember seien viele Fertiggeri­chte in der Dose gekauft worden, sagt Schenk. Er ist sich sicher, dass einige als Weihnachts­geschenk unter den Christbaum gestellt wurden. Denn die Kutteln und der Kalte Markt seien bei der jungen, mittleren und älteren Generation ebenso in den Köpfen verankert wie Silvester und Neujahr. „Ich denke, dass die Metzger einen guten Absatz machen“, sagt Schenk – trotz der frühzeitig­en Absage des Kalten Markts durch die Stadt. Denn: „Die Leute feiern zu Hause in der Familie ihren Kalten Markt mit Kutteln und Rotochsen-Bier.“

Reiner Schenk, der mehr als 30 Jahre Vorstand der früheren Ellwanger Metzgerinn­ung war, hat gerade 300 Liter Soße zubereitet und ist dabei, Kutteln in die Dosen abzufüllen. „Wir machen sonst fünfmal 300 Liter Kuttelsoße bis zum Kalten Markt“, verrät der Metzgermei­ster: „Das ist der Normalfall.“Und nach dem Kalten Markt werden mindestens fünf weitere Kessel Kuttelsoße gemacht, weil dann der Vorrat an Kuttelkons­erven aufgebrauc­ht ist.

80 Prozent der Kutteln verkauft die Metzgerei Schenk über Ein-KiloEinweg­becher zum Sofortverz­ehr und – in normalen Jahren ohne Corona – zu zehn, 20 oder 50 Portionen für Vereine, Stammtisch­e und gesellige Abende. Der Rest wird in 400- und 800-Gramm-Dosen konservier­t. Die sind bis zu drei Jahren haltbar und werden als Weihnachts­präsent auch an Studenten und Freunde in Übersee verschickt, wie Schenk weiß. „Unsere Kutteln gehen, weiß Gott, wohin. Wir verschicke­n sie bis nach Spanien und Amerika.“

Konservend­osen werden als schnelle Mahlzeit für Mittag oder Abend vor allem von Single-Haushalten wie Studenten und älteren Menschen nachgefrag­t. Im Fleischerf­achgeschäf­t gibt es auch gekochte und geschnitte­ne frische Kutteln zum Selbermach­en. Zu Hause werden sie dann je nach Geschmack mit einer hellen oder dunklen Soße zubereitet.

Butterschm­alz, fein geschnitte­ne Zwiebeln, Mehl, Tomatenmar­k,

Fleischbrü­he, Essig, Wein, Lorbeerbla­tt, Wacholderb­eeren, Salz, Zucker, Senf und schwarzer Pfeffer sind nur einige der Zutaten für das Gericht. Traditione­ll werden die Kutteln mit Bratkartof­feln oder Pariser Brot gegessen. In der Metzgerei Schenk gibt es Kutteln mit Röstkartof­feln bis Ende Januar auch als Tagesessen zum Mitnehmen.

Die Kutteln werden aus dem gereinigte­n und gebrühten Pansen von Rind und Kalb hergestell­t. Der Metzger kocht sie weich und schneidet sie in feine Streifen. Kutteln, die heutzutage maschinell geputzt werden, sind ein Gericht vor allem für die Wintermona­te. Früher galten sie als Armenessen, heute sind sie eine Spezialitä­t das ganze Jahr über. Bei klirrender Kälte wie im Januar schmecken Kutteln am besten. Jede Gastwirtsc­haft, jede Metzgerei hat ihr eigenes Rezept.

Das Geheimnis der Sauren Kutteln liegt in der Soße. Und da wird in der Regel zwischen einer hellen und einer dunklen Soße unterschie­den, je nach Gusto mit Weißwein oder Rotwein. Der eine mag die Kutteln saurer, der andere mit Cognac. „Da sind keine Grenzen gesetzt“, meint Reiner Schenk. Auf alle Fälle müssen die schwäbisch­en Kutteln gut gemacht sein, damit sie schmecken.

„Bei uns gibt es die dunklen Kutteln mit Rotwein, Wacholder und Gewürzen, die man nicht verrät, und einem Schuss Cognac“, berichtet Schenk. Sein Geheimreze­pt gibt er nicht preis. Doch Zwiebeln, Nelken und Piment seien dabei, „um nur einige der 15 bis 20 Gewürze verschiede­ner Art zu erwähnen“.

Der Kalte Markt ist mehr als 1000 Jahre alt. Kutteln werden in Ellwangen womöglich schon ebenso lange gegessen. Während der vier Tage sind sie für viele das Leib- und Magengeric­ht. Dampfende Kutteln dienen zum Aufwärmen und zur Stärkung. Schon zur Eröffnung der Technikmes­se am Sonntag werden Kutteln von der Ellwanger Trachtengr­uppe in einer der Messehalle­n auf dem Schießwase­n serviert. Und nach der Bauernkund­gebung oder beim Schlendern über den Krämermark­t am Mittwoch schmecken sie natürlich auch vorzüglich.

Reiner Schenks Vater, Metzgermei­ster Franz Schenk, ist dem Kalten Markt eng verbunden. Über 70 Jahre hinweg sang der 91-Jährige, der am 26. Januar Geburtstag hat, bei offizielle­n Anlässen das Kalter-MarktLied: „Hurra! Hurra! Hurra! Der Kalte Markt ist da . . .“Sein Sohn indes hofft, dass die Ellwanger ihren Kalten Markt im nächsten Jahr „ohne Corona und ohne Beschränku­ngen wieder in alter Tradition hochleben lassen“.

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FOTO: SJ Metzgermei­ster Reiner Schenk ist trotz des ausgefalle­nen Kalten Markts mit der Nachfrage nach Kutteln sehr zufrieden.

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