Die richtige Dosis Anti-Bayern-Taktik
Borussia Mönchengladbach erwischt den FC Bayern da, wo er derzeit am verwundbarsten ist
- Verloren – in der zweiten Partie des Kalenderjahres zum ersten Mal. Zum Vergleich: Im Superjahr 2020 mit fünf Titeln kassierte der FC Bayern in 48 Pflichtspielen eine einzige Niederlage. Das 2:3 (2:2) am Freitagabend bei Borussia Mönchengladbach war besonders schmerzhaft, weil die Münchner nach acht Rückständen in den vorherigen acht Ligaspielen endlich einmal in Führung gegangen waren – sogar mit 2:0. Am Ende hatten sie keine Butter mehr auf dem Brot, nicht mal einen Punkt im Gepäck. Nur Frust.
Knapp 24 Stunden später sah die rote Welt schon wieder etwas freundlicher aus. Verloren – und doch Tabellenführer geblieben. Verfolger RB Leipzig hätte mit einem Erfolg über Borussia Dortmund den Abonnementsmeister von Rang eins verdrängen können, daraus wurde nichts – 1:3. Auch der Tabellendritte Bayer Leverkusen ließ überraschend Punkte liegen, schaffte gegen Werder Bremen nur ein 1:1. Also doch ein fast perfektes Bayern-Wochenende?
Von wegen. Es gärt an der Säbener Straße, die Unruhe steigt. Denn wie sagt Ehrenpräsident Uli Hoeneß so gerne? „The trend is your friend.“Und der zeigt in die falsche Richtung. Siege sind längst nicht mehr selbstverständlich, keine locker-leichte Angelegenheit, sind richtig harte Arbeit. Form und Intensität des Münchner Spiels haben nachgelassen, die Defensivschwächen werden immer eklatanter. Aber, viel gravierender: Die Gegner haben dazugelernt. Exemplarisch vorgeführt – samt vorheriger Ankündigung – von Gladbachs Coach Marco Rose.
„Es ist bekannt, wie Bayern spielt“, hatte der 44-Jährige am Tag vor der Partie erklärt, „sie vertrauen auf ihr Spiel. Sie werden wieder hoch stehen, wir werden die Räume bekommen.“So war es. Was Rose meinte: Die Viererkette verteidigt sehr offensiv, sehr riskant, ohne Absicherung. Bei Steilpässen in die Tiefe oder langen Schlägen über die Kette werden David Alaba & Co. in der Rückwärtsbewegung überrumpelt, sind in den Laufduellen unterlegen. Nach diesem Muster fielen die beiden Treffer von Jonas Hofmann, mit denen Gladbach noch vor der Pause auf 2:2 stellte. Bayern zweimal mit schlampigem Aufbauspiel und Ballverlusten (Benjamin Pavard im Duett mit Leroy Sané vorm 1:2 sowie Joshua Kimmich vor dem 2:2), was die Fohlen mit fixem Umschaltspiel und schnellen Zuspielen von Lars Stindl ausnutzten. Hofmann lief Niklas Süle weg, versetzte Torhüter Manuel Neuer. Beim Siegtreffer der Gastgeber patzte Süle, was Ex-Löwe Florian Neuhaus mit einem sehenswerten Schlenzer bestrafte.
Ist der Flick-Code damit geknackt? Haben die Gegner nun eine Blaupause, wie die zuvor scheinbar unbesiegbaren Triple-Champions zu verwunden sind? Schon Abstiegskandidat Mainz schockte die Bayern vorigen Sonntag mit einer 2:0-Führung in der Allianz Arena (Endstand 5:2 für die Münchner). Nun perfektionierte Gladbach das Gegenmittel, Trainer Rose impfte seinen Spielern die richtige Dosis Anti-Bayern-Taktik ein. „Es hat perfekt funktioniert“, freute sich Rose, „sie wollten dominant sein, das haben wir genutzt und vieles gut und richtig gemacht.“
Kimmich rechnete frustriert vor: „Drei Ballverluste, dreimal hat es geklingelt.“Und Leon Goretzka, Bayerns Bester, schimpfte: „Wir haben den Gegner ganz klar dreimal eingeladen, und die haben ihre Chancen genutzt.“24-mal trafen Bayerns Gegner nun an den ersten 15 Spieltagen – eine Bilanz eines Abstiegskandidaten. Zuletzt
war die bayerische Defensive zu diesem Zeitpunkt der Saison 1977 so löchrig – mit Sepp Maier im Kasten. Der aktuelle Welttorhüter Manuel Neuer wartet seit zehn Ligaspielen auf das erlösende Zu-Null, welches die Währung einer jeden Torwartseele ist. Vizewelttrainer Flick meinte konsterniert: „Wenn man unser Spiel sieht, ist es ja schon auffällig, wo wir Probleme haben. Das müssen wir einfach verbessern, dass wir gegen den Ball und bei Ballverlusten die Tiefe absichern.“Sky-Experte Dietmar Hamann stellte fest: „Die Unantastbarkeit, diese Unbesiegbarkeit der Bayern, die sie in den vergangenen Jahren hatten, die ist einfach weg. Die Beine wollen, aber der Kopf macht im Moment nicht richtig mit.“Alles Kopfsache? Nur eine Frage der Einstellung?
Ausgerechnet Bezwinger Rose gab den Besiegten noch versöhnliche Worte mit auf den Weg: „Ich bin sicher, dass die Bayern die Bayern bleiben – und genau an diesen Punkten arbeiten und stärker zurückkommen.“Was zu beweisen sein wird. Am Mittwoch (20.45 Uhr; ARD und Sky) im DFB-Pokal bei Zweitligist Holstein Kiel, am Sonntag (15.30 Uhr; Sky) gegen die starken Freiburger Seriensieger.
Regionalliga Südwest (13. Spieltag) VfB Stuttgart II - TSG Balingen 2:3 (0:3) FC Gießen - TSV Steinbach Haiger 2:1 (2:0) SSV Ulm 1846 - SC Freiburg II 2:0 (2:0) FSV Frankfurt - FC-Astoria Walldorf 2:0 (1:0) TuS Rot-Weiß Koblenz - VfR Aalen 0:1 (0:0) SV Elversberg - FSV Mainz 05 II 1:1 (0:0) FC Homburg - Bahlinger SC 0:1 (0:0) Hessen Kassel - SG Großaspach 0:2 (0:1) Stadtallendorf - Kickers Offenbach 1:4 (1:2) TSV Schott Mainz - Hoffenheim II 2:2 (1:0)
1. FSV Frankfurt 16 10 2 4 28:18 32
2. SC Freiburg II 15 9 3 3 38:17 30
3. TSV Steinbach Haiger 15 9 3 3 34:16 30
4. Kickers Offenbach 16 8 5 3 29:11 29
5. SSV Ulm 1846 16 8 4 4 28:13 28
6. SV Elversberg 16 7 6 3 33:20 27
7. FC Homburg 15 7 4 4 31:20 25
8. TSG Balingen 16 7 4 5 25:20 25
9. VfB Stuttgart II 15 6 4 5 30:19 22
10. VfR Aalen 16 6 4 6 19:25 22
11. Bahlinger SC 16 6 4 6 29:38 22
12. Hessen Kassel 16 5 5 6 25:29 20
13. FSV Mainz 05 II 15 5 5 5 18:22 20
14. TSG Hoffenheim II 16 6 2 8 23:28 20
15. FK Pirmasens 15 5 5 5 13:20 20
16. SG Großaspach 15 4 5 6 16:24 17
17. Bayern Alzenau 15 5 2 8 18:29 17
18. TSV Schott Mainz 15 5 1 9 25:42 16
19. FC Gießen 15 4 3 8 15:21 15
20. TuS Rot-Weiß Koblenz 16 4 3 9 16:28 15
21. FC-Astoria Walldorf 16 3 4 9 19:31 13
22. TSV Stadtallendorf 16 1 4 11 15:36 7