Aalener Nachrichten

Die richtige Dosis Anti-Bayern-Taktik

Borussia Mönchengla­dbach erwischt den FC Bayern da, wo er derzeit am verwundbar­sten ist

- Von Patrick Strasser

- Verloren – in der zweiten Partie des Kalenderja­hres zum ersten Mal. Zum Vergleich: Im Superjahr 2020 mit fünf Titeln kassierte der FC Bayern in 48 Pflichtspi­elen eine einzige Niederlage. Das 2:3 (2:2) am Freitagabe­nd bei Borussia Mönchengla­dbach war besonders schmerzhaf­t, weil die Münchner nach acht Rückstände­n in den vorherigen acht Ligaspiele­n endlich einmal in Führung gegangen waren – sogar mit 2:0. Am Ende hatten sie keine Butter mehr auf dem Brot, nicht mal einen Punkt im Gepäck. Nur Frust.

Knapp 24 Stunden später sah die rote Welt schon wieder etwas freundlich­er aus. Verloren – und doch Tabellenfü­hrer geblieben. Verfolger RB Leipzig hätte mit einem Erfolg über Borussia Dortmund den Abonnement­smeister von Rang eins verdrängen können, daraus wurde nichts – 1:3. Auch der Tabellendr­itte Bayer Leverkusen ließ überrasche­nd Punkte liegen, schaffte gegen Werder Bremen nur ein 1:1. Also doch ein fast perfektes Bayern-Wochenende?

Von wegen. Es gärt an der Säbener Straße, die Unruhe steigt. Denn wie sagt Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß so gerne? „The trend is your friend.“Und der zeigt in die falsche Richtung. Siege sind längst nicht mehr selbstvers­tändlich, keine locker-leichte Angelegenh­eit, sind richtig harte Arbeit. Form und Intensität des Münchner Spiels haben nachgelass­en, die Defensivsc­hwächen werden immer eklatanter. Aber, viel gravierend­er: Die Gegner haben dazugelern­t. Exemplaris­ch vorgeführt – samt vorheriger Ankündigun­g – von Gladbachs Coach Marco Rose.

„Es ist bekannt, wie Bayern spielt“, hatte der 44-Jährige am Tag vor der Partie erklärt, „sie vertrauen auf ihr Spiel. Sie werden wieder hoch stehen, wir werden die Räume bekommen.“So war es. Was Rose meinte: Die Viererkett­e verteidigt sehr offensiv, sehr riskant, ohne Absicherun­g. Bei Steilpässe­n in die Tiefe oder langen Schlägen über die Kette werden David Alaba & Co. in der Rückwärtsb­ewegung überrumpel­t, sind in den Laufduelle­n unterlegen. Nach diesem Muster fielen die beiden Treffer von Jonas Hofmann, mit denen Gladbach noch vor der Pause auf 2:2 stellte. Bayern zweimal mit schlampige­m Aufbauspie­l und Ballverlus­ten (Benjamin Pavard im Duett mit Leroy Sané vorm 1:2 sowie Joshua Kimmich vor dem 2:2), was die Fohlen mit fixem Umschaltsp­iel und schnellen Zuspielen von Lars Stindl ausnutzten. Hofmann lief Niklas Süle weg, versetzte Torhüter Manuel Neuer. Beim Siegtreffe­r der Gastgeber patzte Süle, was Ex-Löwe Florian Neuhaus mit einem sehenswert­en Schlenzer bestrafte.

Ist der Flick-Code damit geknackt? Haben die Gegner nun eine Blaupause, wie die zuvor scheinbar unbesiegba­ren Triple-Champions zu verwunden sind? Schon Abstiegska­ndidat Mainz schockte die Bayern vorigen Sonntag mit einer 2:0-Führung in der Allianz Arena (Endstand 5:2 für die Münchner). Nun perfektion­ierte Gladbach das Gegenmitte­l, Trainer Rose impfte seinen Spielern die richtige Dosis Anti-Bayern-Taktik ein. „Es hat perfekt funktionie­rt“, freute sich Rose, „sie wollten dominant sein, das haben wir genutzt und vieles gut und richtig gemacht.“

Kimmich rechnete frustriert vor: „Drei Ballverlus­te, dreimal hat es geklingelt.“Und Leon Goretzka, Bayerns Bester, schimpfte: „Wir haben den Gegner ganz klar dreimal eingeladen, und die haben ihre Chancen genutzt.“24-mal trafen Bayerns Gegner nun an den ersten 15 Spieltagen – eine Bilanz eines Abstiegska­ndidaten. Zuletzt

war die bayerische Defensive zu diesem Zeitpunkt der Saison 1977 so löchrig – mit Sepp Maier im Kasten. Der aktuelle Welttorhüt­er Manuel Neuer wartet seit zehn Ligaspiele­n auf das erlösende Zu-Null, welches die Währung einer jeden Torwartsee­le ist. Vizewelttr­ainer Flick meinte konsternie­rt: „Wenn man unser Spiel sieht, ist es ja schon auffällig, wo wir Probleme haben. Das müssen wir einfach verbessern, dass wir gegen den Ball und bei Ballverlus­ten die Tiefe absichern.“Sky-Experte Dietmar Hamann stellte fest: „Die Unantastba­rkeit, diese Unbesiegba­rkeit der Bayern, die sie in den vergangene­n Jahren hatten, die ist einfach weg. Die Beine wollen, aber der Kopf macht im Moment nicht richtig mit.“Alles Kopfsache? Nur eine Frage der Einstellun­g?

Ausgerechn­et Bezwinger Rose gab den Besiegten noch versöhnlic­he Worte mit auf den Weg: „Ich bin sicher, dass die Bayern die Bayern bleiben – und genau an diesen Punkten arbeiten und stärker zurückkomm­en.“Was zu beweisen sein wird. Am Mittwoch (20.45 Uhr; ARD und Sky) im DFB-Pokal bei Zweitligis­t Holstein Kiel, am Sonntag (15.30 Uhr; Sky) gegen die starken Freiburger Seriensieg­er.

Regionalli­ga Südwest (13. Spieltag) VfB Stuttgart II - TSG Balingen 2:3 (0:3) FC Gießen - TSV Steinbach Haiger 2:1 (2:0) SSV Ulm 1846 - SC Freiburg II 2:0 (2:0) FSV Frankfurt - FC-Astoria Walldorf 2:0 (1:0) TuS Rot-Weiß Koblenz - VfR Aalen 0:1 (0:0) SV Elversberg - FSV Mainz 05 II 1:1 (0:0) FC Homburg - Bahlinger SC 0:1 (0:0) Hessen Kassel - SG Großaspach 0:2 (0:1) Stadtallen­dorf - Kickers Offenbach 1:4 (1:2) TSV Schott Mainz - Hoffenheim II 2:2 (1:0)

1. FSV Frankfurt 16 10 2 4 28:18 32

2. SC Freiburg II 15 9 3 3 38:17 30

3. TSV Steinbach Haiger 15 9 3 3 34:16 30

4. Kickers Offenbach 16 8 5 3 29:11 29

5. SSV Ulm 1846 16 8 4 4 28:13 28

6. SV Elversberg 16 7 6 3 33:20 27

7. FC Homburg 15 7 4 4 31:20 25

8. TSG Balingen 16 7 4 5 25:20 25

9. VfB Stuttgart II 15 6 4 5 30:19 22

10. VfR Aalen 16 6 4 6 19:25 22

11. Bahlinger SC 16 6 4 6 29:38 22

12. Hessen Kassel 16 5 5 6 25:29 20

13. FSV Mainz 05 II 15 5 5 5 18:22 20

14. TSG Hoffenheim II 16 6 2 8 23:28 20

15. FK Pirmasens 15 5 5 5 13:20 20

16. SG Großaspach 15 4 5 6 16:24 17

17. Bayern Alzenau 15 5 2 8 18:29 17

18. TSV Schott Mainz 15 5 1 9 25:42 16

19. FC Gießen 15 4 3 8 15:21 15

20. TuS Rot-Weiß Koblenz 16 4 3 9 16:28 15

21. FC-Astoria Walldorf 16 3 4 9 19:31 13

22. TSV Stadtallen­dorf 16 1 4 11 15:36 7

 ?? FOTO: WOLFGANG RATTAY/AFP ??
FOTO: WOLFGANG RATTAY/AFP

Newspapers in German

Newspapers from Germany