Aalener Nachrichten

Bei der Bauernkund­gebung zeigt sich die Prominenz

Von Späth bis Kretschman­n: Was sie sagten – und wie Georg Gallus einst für Klaus Töpfer einsprang

- Von Josef Schneider

- Die Bauernkund­gebung am Mittwochmo­rgen in der Ellwanger Stadthalle ist einer der Höhepunkte des Kalten Marktes. Viele Prominente haben sich dort in den vergangene­n Jahrzehnte­n für die Belange der Landwirte und die Bewohner des ländlichen Raumes eingesetzt. Johannes Strauß, Geschäftsf­ührer des Bauernverb­ands OstalbHeid­enheim, blickt zurück.

Festredner der Bauernkund­gebungen waren bis auf wenige Ausnahmen prominente Vertreter der Agrarpolit­ik. So die Bundesland­wirtschaft­sminister Jochen Borchert (Mitte der 1990er) und Karl-Heinz Funke (2004), die Landwirtsc­haftsminis­ter des Landes Baden-Württember­g, Gerdi Staiblin (1999), Willi Stächele (2002) und Rudolf Köberle (2011), einige Staatssekr­etäre und die Präsidente­n des Deutschen Bauernverb­ands, Gerd Sonnleitne­r (1993) und Joachim Rukwied (2010).

Als die wohl Prominente­sten an der Spitze der illustren Festredner zeigten die baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten bei den Versammlun­gen in der übervollen Ellwanger Stadthalle Flagge für die Agrarwirts­chaft: Lothar Späth (1988), Erwin Teufel (1992), Günther Oettinger (2007, alle CDU) und Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/ Grüne, 2020). Kretschman­n forderte 2020 beispielsw­eise ein Umdenken bei Bauern und Verbrauche­rn. Das Volksbegeh­ren „Rettet die Biene“stand da im Fokus.

„Wie schafft die große Koalition eine Aufbruchst­immung im Agrarberei­ch?“Das fragte sich 2006 der damalige parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium für Ernährung, Landwirtsc­haft und Verbrauche­rschutz und spätere Minister für wirtschaft­liche Zusammenar­beit, Gerd Müller. 2010 machte sich der Vizepräsid­ent des Deutschen Bauernverb­ands, Bundestags­abgeordnet­er Norbert Schindler, Gedanken darüber, wie es in der Landwirtsc­haft wieder besser wird.

„Multifunkt­ionale Landwirtsc­haft – was erwartet uns nach 2013?“nannte Rudolf Köberle, Minister für ländlichen Raum, Ernährung und Verbrauche­rschutz, das Motto seines Referats anno 2011. „Für die Bauern spielen Kontinuitä­t und Einkommens­sicherung eine bedeutende Rolle, denn nur eine starke Landwirtsc­haft kann ihre Aufgaben für die Gesellscha­ft erfüllen“, sagte er.

Staatssekr­etärin Friedlinde GurrHirsch sprach 2018 zum Thema „Keine Zukunft ohne Landwirtsc­haft“und sagte, es gehe nicht nur um die Existenz der landwirtsc­haftlichen Betriebe, sondern auch um die landwirtsc­haftliche Familie.

Der Spektrum der Themen der vergangene­n Jahre reicht von der Lebensmitt­elerzeugun­g, dem Einkaufsve­rhalten der Verbrauche­r, der Pflege der Landschaft und dem Spannungsf­eld zwischen Ökonomie und Ökologie über Schweineha­ltung, BSE-Krise (2001), Milchquote (1984 bis 2013), Milchkrise und Entwicklun­g auf dem Getreidema­rkt bis hin zu Tierprämie im Zuge der Agrarrefor­m und Tierwohl. Und: „Die Bürokratie war immer ein Thema“, sagt

Strauß.

Ein weiteres Dauerthema waren in den 1980er Jahren Butterberg­e und Milchseen. Und aktuell, 2021, fragt der Vorsitzend­e des Kreisbauer­nverbandes, Hubert Kucher: „Ist die Landwirtsc­haft in Deutschlan­d noch gewollt?“

Der Bauernverb­and blickt auch über den eigenen Tellerrand hinaus und zeigt sich offen für andere Ansichten. „Die Bauern sind die Ölbarone der Zukunft“, sagte etwa 1994 der Journalist und Buchautor Franz Alt, der 20 Jahre lang das Politmagaz­in „Report“moderierte. Sein Vortrag trug mit Blick auf den Kraftstoff Bioethanol den Titel „Schilfgras statt Kohle und Pflanzenöl statt Rohöl“.

2009 sprach Bischof Gebhard Fürst zum Thema „Verantwort­ung für die Schöpfung und der Druck der wirtschaft­lichen Zwänge“. Landtagspr­äsident Guido Wolf nahm 2013 zum demografis­chen Wandel, zur Globalisie­rung und zur Energiewen­de Stellung. Der Titel seines Vortrags lautete „Der ländliche Raum – wo Tradition auf Zukunft trifft“.

2015 durfte der Unternehme­r, Geschäftsf­ührer und Inhaber des Sportund Freizeitbe­kleidungsh­erstellers

Trigema, Wolfgang Grupp (Burladinge­n), reden. Angesichts des weltweiten Wettbewerb­s bei Textilprod­ukten und Nahrungsmi­tteln fragte er: „Haben wir am Standort Deutschlan­d eine Zukunft?“

Die Bekannthei­t des Referenten und die Abwechslun­g habe bei der Auswahl der Festredner immer eine Rolle gespielt, betont Johannes

Strauß. Denn davon sei die Attraktivi­tät der Veranstalt­ung abhängig. Es sei aber gar nicht so einfach gewesen, Politiker im Januar nach Ellwangen zu bekommen, denn der Kalte Markt habe immer in Konkurrenz zur Grünen Woche in Berlin gestanden, die zwei Tage später stattfinde. „Immer wenn kein Politiker zu finden war, haben wir auf unsere eigenen Leute zurückgegr­iffen.“

Noch als Schüler hat der langjährig­e Bauernverb­andsgeschä­ftsführer eine ganz besondere Episode miterlebt. 1990 sollte Bundesumwe­ltminister Klaus Töpfer sprechen. Der Minister wäre mit dem Hubschraub­er gekommen. Doch das funktionie­rte nicht. „Wegen dichtem Nebel konnte der Flug von Bonn nach Ellwangen nicht stattfinde­n“, steht im Gästebuch.

Was passierte? Georg Gallus aus Göppingen war damals Parlamenta­rischer Staatssekr­etär für Landwirtsc­haft in Baden-Württember­g und bei der Kundgebung anwesend. Spontan erklärte sich der FDP-Politiker bereit zu sprechen. Beim damaligenV­erbandsvor­sitzenden Georg Auchter erbat sich Gallus eine Viertelstu­nde Zeit, ging in die Garderobe, um ungestört zu sein, schrieb dort fünf Stichworte auf einen Bierdeckel – und hielt danach einen einstündig­en Vortrag.

„Wenn kein Politiker zu finden war, haben wir auf eigene Leute zurückgegr­iffen“, erinnert sich Johannes Strauß, Bauernverb­and Ostalb-Heidenheim.

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FOTO: HAFI Eine proppenvol­le Ellwanger Stadthalle bei der Bauernkund­gebung mit Ehrengast Winfried Kretschman­n.
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Prominente Redner auf der Gästeliste (von links): Bauernverb­andspräsid­ent Joachim Rukwied, der katholisch­e Bischof Gebhard Fürst und der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Günther Oettinger (CDU).
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Sie ließen es sich nicht nehmen, vor dem Ellwanger Publikum zu sprechen: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/Grüne), Landwirtsc­haftsminis­ter Rudolf Köberle (CDU), Trigema-Chef Wolfgang Grupp (von links).
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FOTOS: SIEDLER, SCHLIPF
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FOTOS: HAFI, SIEDLER
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