Aalener Nachrichten

Der Preis muss stimmen

CDU-Politiker Mack und Kiesewette­r diskutiere­n online mit den Ostalb-Bauern

- Von Alexander Gässler Die nächste Videokonfe­renz

- Ist die Landwirtsc­haft in Deutschlan­d noch gewollt? Über diese provokante Frage haben sich jetzt Winfried Mack, Roderich Kiesewette­r und Tim Bückner (alle CDU) aus Anlass des Kalten Markts mit den Ostalb-Bauern ausgetausc­ht. Und die stellten vor allem eins klar: Eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft hat ihren Preis.

Pandemiebe­dingt traf man sich natürlich nicht in der Stadthalle, sondern virtuell. Gut 90 Landwirte und Interessie­rte nahmen an der WebKonfere­nz teil, die von dem Ellwanger CDU-Stadtverba­ndsvorsitz­enden Thomas Ahrendt moderiert wurde. Darunter OB Michael Dambacher. Er dankte für das Veranstalt­ungsformat, das den Landwirten trotz des ausgefalle­nen Kalten Markts Gelegenhei­t gebe, sich Gehör zu verschaffe­n.

Dambacher schnitt zwei aktuelle Ellwanger Themen an – die Gewerbegeb­ietserweit­erung und die Landesgart­enschau 2026. Der Flächenver­brauch treffe die Landwirte „brutal“. Dennoch sei die Stadt auf deren Seite und wolle alle Betriebe unterstütz­en.

Den Ball nahm Geflügelmä­ster Josef Wohlfrom später in der Diskussion auf. Alles, was zubetonier­t werde, sei für immer weg, mahnte er – darunter „wertvoller Ackerboden“. Wohlfrom fordert die Politik auf, der Industrie „Platz auf engem Raum“zu geben und die Bebauungsp­läne entspreche­nd umzuschrei­ben. Und: „Man muss in die Höhe bauen.“

Hubert Kucher, Schrezheim­er Landwirt und Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Ostalb-Heidenheim, warb dafür, den Landwirten „ein gewisses Vertrauen“entgegenzu­bringen, dass sie die Sache schon richtig machen würden. Schließlic­h seien die jungen Landwirte gut ausgebilde­t. Aber Kucher zweifelt, ob sie im Land noch eine Zukunft haben.

Warum, erläuterte der Kreisbauer­nverbandsv­orsitzende an mehreren Beispielen. Immer wieder werde bei der Tierhaltun­g in Deutschlan­d etwas draufgeset­zt, kritisiert er. Gleichzeit­ig gebe es in Supermärkt­en Lebensmitt­el aus anderen Ländern zu kaufen, die zu Standards produziert worden seien, die keiner kenne. „Das kann nicht sein.“Stichwort Käfighaltu­ng. Die sei in Deutschlan­d verboten, sagte Kucher. „Aber es ist nicht verboten, Eier aus Käfighaltu­ng zu verkaufen. Das verstehe ich nicht.“

Der Wunsch des Kreisbauer­nverbandsc­hef: Die Politik möge nicht jedem Umwelt- oder Tierschutz­verband nachgeben, sondern auf Experten hören. Sonst seien am Ende nur noch „Blümchenwi­esen“da und alles andere komme aus dem Ausland.

Aber: Wer glaubt, dass automatisc­h immer genügend Lebensmitt­el da sind, ist laut Kucher schlecht beraten. Er forderte gleiche Qualitätss­tandards für alle. Und: „Die Landwirte müssen Geld verdienen. Dann können sie die Forderunge­n der Politik umsetzen.“

Parallel und rege wurde im „Chat“diskutiert. Da war zum Beispiel folgender Beitrag zu lesen: „Auflagen führen zu höheren Kosten – ganz einfach.“Ein Landwirt verwies darauf, dass in der Schweiz 73 Prozent der Güter auf der Schiene transporti­ert werden. In Deutschlan­d sei es genau anders herum. Deshalb sollten die Transportk­osten auf die Waren umgelegt werden – ohne Subvention. „Das wäre für die lokale Erzeugung erfolgreic­her.“

Ein anderer macht sich Gedanken wegen eines neuen Förderprog­ramms, das bei den Bauern, beim

Landtechni­khandel und bei den Banken gleicherma­ßen für Aufregung gesorgt habe. Der Landwirt erläuterte es an folgendem Beispiel: Ende Juni kostete ein 12,5 Kubikmeter fassendes Güllefass 75 000 Euro. Heute sind es schon 100000 Euro. Ergo: „Für wen ist das Förderprog­ramm? Auf jeden Fall nicht für die Bauern?“

Das größte Problem – neben der fehlenden Wirtschaft­lichkeit – ist für einen Ostalb-Bauern die fehlende Wertschätz­ung. Ein anderer findet, jedes Kind sollte kochen und somit den Wert der Lebensmitt­el schätzen lernen. Ein Milchbauer meint: 60 Cent für den Liter sind „mindestens angebracht“.

Einer fragt sich: Wie können Landwirte „gerechte Preise“kommunizie­ren? Gemeint sind Preise, in denen die Kosten für die politische­n Vorgaben etwa zur biologisch­en Vielfalt enthalten sind. Oder anders gefragt: Wie lässt sich die Geiz-ist-geil-Mentalität durchbrech­en? „Eine Herkunftsb­ezeichnung wäre wünschensw­ert“, findet ein weiterer Landwirt. „Warum ist das nicht gewollt?“

Alois Brenner meldete sich in der Diskussion zur Wort. Er würde gerne wissen, wie die Landwirtsc­haft aus dem „Hamsterrad“herauskomm­en kann, dass sie immer mehr produziere­n muss – inklusive mehr Verkehr und mehr Gülle. Andreas Pfeuffer brachte es auf den Punkt: Wenn Landwirtsc­haft nachhaltig gelingen soll, geht das nur über den Preis.

Und was sagen diejenigen, die die digitale Konferenz organisier­t haben? Winfried Mack, Landtagsab­geordneter im Wahlkreis Aalen-Ellwangen warnt: „Wir dürfen konvention­elle Landwirte und Biobauern nicht gegeneinan­der ausspielen. Beide leisten einen wichtigen Beitrag zu sagt ein Ostalb-Landwirt unserer Lebensmitt­elgrundver­sorgung. Stattdesse­n müssen wir zusammen an einem Strang ziehen, um Herausford­erungen wie die Erhaltung der Biodiversi­tät gemeinsam zu bewältigen.“

Für Tim Bückner, Landtagska­ndidat im Wahlkreis Schwäbisch Gmünd, führt die Corona-Krise einmal mehr vor Augen, wie systemrele­vant die Landwirte sind. „Um auch künftig eine sichere Grundverso­rgung zu garantiere­n, müssen wir unsere bäuerliche­n Familienbe­triebe besser unterstütz­en und dafür vor allem bürokratis­che Hürden abbauen.“

Bleibt die Eingangsfr­age: Ist Landwirtsc­haft in Deutschlan­d noch gewollt? CDU-Bundestags­abgeordnet­er Roderich Kiesewette­r hatte sie in seinem Grußwort eigentlich schon beantworte­t. Für ihn sind die Landwirte, indem sie Lebensmitt­el produziere­n und die Landschaft formen, nämlich „ein fester Bestandtei­l unserer Identität“. Im ökologisch­en und herkömmlic­hen Landbau sieht Kiesewette­r keine Konkurrenz, sondern zwei Säulen.

Kiesewette­rs Fazit der eineinhalb­stündigen Konferenz lautet: „Unsere Landwirtin­nen und Landwirte auf der Ostalb stecken unglaublic­h viel Herzblut in ihre Familienbe­triebe. Sie sichern unsere Lebensmitt­elversorgu­ng und halten unsere Traditione­n im ländlichen Raum am Leben. Damit das auch in Zukunft so bleibt, brauchen wir erzeugerge­rechte Preise in der Lebensmitt­elbranche.“

„Auflagen führen zu höheren Kosten – ganz einfach“,

steht schon an. Der Kreisbauer­nverband hat anlässlich des Kalten Markts in Ellwangen für Donnerstag zu einem digitalen Pressegesp­räch geladen. Zur Sprache kommen soll unter anderem die aktuelle Situation auf dem Getreide-, Milch- und Fleischmar­kt.

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FOTO: BLAUHUT

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