Aalener Nachrichten

„Landwirtsc­haft hat versucht, sich wegzuducke­n“

Landfrauen-Chefin Petra Bentkämper fordert ihre Branche zum Umdenken auf

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- Der Landfrauen­verband, das sind doch die, die Kuchen backen. Oder? Die Präsidenti­n des Verbands Petra Bentkämper sieht das ganz anders. Sie mischt sich in die aktuelle Agrarpolit­ik ein und will die Demokratie stärken. Im Interview mit Hanna Gersmann verteidigt sie ihre Forderung nach einer Frauenquot­e für den Bauernverb­and.

Frau Bentkämper, Sie fordern eine Frauenquot­e für den Deutschen Bauernverb­and – wie kommt das so an?

Das war ungefähr das Erste, womit ich mich aus dem Fenster gelehnt habe, und heute höre ich: Meinst du nicht, dass es jetzt mal gut ist, jetzt kommst du schon wieder damit. Aber ich muss dranbleibe­n. Joachim Rukwied, der Bauernpräs­ident, sagt zwar, dass sein Verband jünger und weiblicher werden solle. Aber die meisten Gremien sind noch immer Männerclub­s, bisher steht bei keinem der Landesverb­ände eine Frau an der Spitze.

Es heißt gern, es gebe keine qualifizie­rten Kandidatin­nen?

Das stimmt wirklich nicht. Aber es reicht eben nicht, nur zu sagen, die Türen stünden offen. Wer mehr Frauen dabeihaben will, muss eingefahre­ne Verbandsri­tuale ändern, auch Sitzungste­rmine überdenken, sich zum Beispiel erst treffen, wenn die Kinder im Bett sind.

Wie Tiere gehalten, Äcker gespritzt, Lebensmitt­el produziert werden, das wird zurzeit in der Gesellscha­ft breit debattiert. Was unterschei­den Ihre Vorstellun­gen von denen des Bauernverb­andes – zu Treckerdem­os rufen Sie nicht auf?

In unserem Verband sind nicht nur Bäuerinnen, sondern ganz unterschie­dliche Frauen aus dem ländlichen Raum organisier­t. Wir sind keine berufsstän­dische Vertretung.

Aber wie zeigt sich das zum Beispiel in der von der Regierung berufenen Zukunftsko­mmission Landwirtsc­haft, in der Sie mitarbeite­n und die Brücken bauen soll zwischen den Bauern und den Naturschüt­zern, dem Handel sowie den Verbrauche­rn?

Vor 20 Jahren konnten Sie von 60 Kühen noch eine Familie ernähren. Das ist heute undenkbar. Ich befürchte, dass wir nicht alle kleinen Betriebe werden halten können. Aber es muss uns gelingen, die Vielfalt in der Landwirtsc­haft in Deutschlan­d zu erhalten. Die Landwirtsc­haft hat zu lange versucht, sich wegzuducke­n, und die Menschen, die mehr Tierwohl, mehr Umweltschu­tz wollen, nicht ernst genug genommen. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir umdenken müssen, damit Landwirtsc­haft eine Zukunft hat. Da sind sich in der Kommission allerdings alle einig.

Das heißt dann etwa für den Insektensc­hutz in der Landwirtsc­haft? Dass wir derzeit Millimeter für Millimeter miteinande­r ringen und uns in kleinen Arbeitsgru­ppen dazu austausche­n. Da sitzen Landwirte, die sagen: Wir wissen nicht mehr weiter, der Klimawande­l, der Preisdruck. Da sitzen aber auch Menschen, die mit Leib und Seele dafür kämpfen, dass unsere Natur wieder geheilt wird. Ich habe gelernt, die andere Seite zu sehen.

Die andere Seite sehen – können Frauen das besser?

Sie versetzen sich vielleicht eher in die Lage der anderen. Auf den Höfen sind es auch oft die Frauen, die neue Ideen entwickeln. Sie sind offener für Neues. Und diplomatis­cher. Die Mischung ist entscheide­nd, sie verändert den Tonfall sofort.

Warum tun sich der Landfrauen­und der Bauernverb­and nicht zusammen?

Wir haben eine unterschie­dliche Historie und verschiede­ne Ziele und Themen. Einer unserer Schwerpunk­te ist zurzeit, die Demokratie im ländlichen Raum zu stärken. Wir haben gerade einen Ratgeber dazu veröffentl­icht: Wie wehre ich mich gegen rechtsextr­eme Parolen, wie umgehen mit Populismus, wie entwickele ich eine Haltung gegen Menschenfe­indlichkei­t. Das ist keine leichte Kost.

Und das ist auch nicht mit einem Ratgeber getan.

Darum arbeiten wir jetzt daran, wie wir bundesweit in Dörfern Frauen stärken können, Grenzen zu ziehen. Dafür braucht man aber auch Gesprächst­echniken. Wir werden für die Landfrauen Trainings anbieten. Ich kann zum Beispiel entscheide­n, dass ich die AfD nicht zum Kreislandf­rauentag einlade, auch wenn deren Abgeordnet­e demokratis­ch gewählt sind.

Das Bild von Landfrauen, die Rezepte austausche­n, Kuchen backen und Hofgärten pflegen, hat mit Ihrer Arbeit nicht mehr viel zu tun? Es gab sogar Zeiten, da drehten die Frauen ab, wenn jemand das Kuchenback­en nur erwähnt hat. Mittlerwei­le sagen wir, wir haben diese

Alltagskom­petenzen. Wir können das einfach auch.

Müssten Sie nicht eine Männerquot­e im Landfrauen­verband einführen?

Nein, Männer können bei uns Fördermitg­lieder werden, aber zu sagen haben sie nichts, bis wir die Gleichbere­chtigung so einigermaß­en erreicht haben.

Wann werden Sie Präsidenti­n des Bauernverb­andes?

Das ist nicht mein Weg. Der Verband soll ja auch jünger werden, Herr Rukwied und ich sind ein Alter.

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