Aalener Nachrichten

Unerträgli­che Belastung, unangemess­ener Verdienst

Online-Pressegesp­räch zum Kalten Markt zeigt die Situation der Landwirte in der Region auf

- Von Franz Graser

- Anlässlich des Kalten Markts hat der Bauernverb­and Ostalb-Heidenheim in einer OnlineKonf­erenz dargelegt, wo die Problemfel­der für die Landwirtsc­haft in der Region liegen. Hubert Kucher, der Vorsitzend­e des regionalen Bauernverb­ands, sagte, die Landwirte könnten nicht noch mehr politische Vorgaben erfüllen, wenn sie dafür nicht kostendeck­end bezahlt würden. Er regte deshalb an, den Marktzugan­g für landwirtsc­haftliche Produkte zu beschränke­n, die nicht nach heimischen Standards erzeugt werden.

Eigentlich hätte die Bauernkund­gebung zum Kalten Markt unter dem Motto stehen sollen „Soziale Marktwirts­chaft vom Erzeuger über den Verarbeite­r und Vermarkter bis zum Verbrauche­r“, erläuterte Hubert Kucher in seiner Einleitung. Da wegen der Corona-Lage keine Kundgebung möglich war, wurde in einem OnlinePres­segespräch über die Situation der Landwirtsc­haft in der Region diskutiert. Angesichts der Marktmacht der Handelskon­zerne stellte Hubert Kucher infrage, ob die soziale

Marktwirts­chaft für die Landwirte noch funktionie­re: Vier Handelsket­ten machten 85 Prozent des Marktantei­ls unter sich aus. Dazu komme, dass die Politik auf Parlaments­ebene „meist ohne fachliche Expertise“regiere. Oft lasse sie sich von Nichtregie­rungsorgan­isationen dirigieren.

Anderersei­ts schaue der Verbrauche­r oft darauf, seine Lebensmitt­el so billig wie möglich einzukaufe­n. Die Folge für die Landwirte: Die Arbeitsbel­astung sei „unerträgli­ch“, der Verdienst „unangemess­en“, sagte Kucher. Zugleich drängten Erzeuger in den europäisch­en Markt, die nicht die hiesigen Standards erfüllen. Als Beispiel nannte Kucher die Eierproduk­tion. Hierzuland­e sei die Käfighaltu­ng zwar verboten. 40 Prozent der Eier kämen jedoch von ausländisc­hen Erzeugern, die die Käfighaltu­ng praktizier­ten. Deshalb forderte der Vorsitzend­e des regionalen Bauernverb­ands den Schutz der einheimisc­hen Produzente­n nach dem Motto „Unsere Märkte unsere Standards“. Biologisch­e Landwirtsc­haft und regionale Vermarktun­g seien zudem nicht für alle Landwirte eine Option, gerade der Biobereich sei eher eine Nische.

Martin Boschet, Direktor der Hohenloher Molkerei, erteilte einer „Einigelung“der Marke Donald Trump eine Absage. Die Landwirte, die Verarbeitu­ngs- und Vermarktun­gsbetriebe, lebten von offenen Märkten. Schließlic­h würden rund 50 Prozent der einheimisc­hen Milchprodu­ktion exportiert. Es sei auch nicht fair, die Schuld beim Verbrauche­r zu suchen. Viele hätten wegen der Corona-Situation Angst um ihre Arbeitsplä­tze oder Einkommens­einbußen durch Kurzarbeit. Zudem werde weltweit immer mehr Milch produziert, parallel gerate der Markt auch durch vegane Milchersat­zprodukte unter Druck. Vor diesem Hintergrun­d habe man 2020 im Vergleich „ganz gute Ergebnisse“erzielt, sagte Boschet. Eine Bewertung für das neue Jahr falle jedoch schwer.

Der Geschäftsf­ührer von Ulmer Fleisch, Rolf Michelberg­er, sprach von einem „eiskalten Markt“mit einem nie gekannten Preistief bei Schweinefl­eisch. 1,19 Euro pro Kilo Schlachtge­wicht seien „nicht tragbar“. Noch vor einem Jahr habe der Kilopreis bei zwei Euro gelegen. Für den Preisverfa­ll machte Michelberg­er die afrikanisc­he Schweinepe­st sowie die Tatsache verantwort­lich, dass die deutschen Erzeuger wegen der Schweinepe­st von den Märkten in Südostasie­n abgeschnit­ten worden seien. Außerdem seien Schlachtka­pazitäten aufgrund von Corona zurückgefa­hren worden. „Wir schieben Schweine vor uns her“, sagte Michelberg­er, wenn auch nicht im selben Maß wie in Norddeutsc­hland. Man brauche auch Zeit, die Vorgaben der Politik umzusetzen: „Wir können nicht alle Ställe umbauen.“Dazu komme, dass die Arbeit der Schweinezü­chter so gut wie nicht wertgeschä­tzt werde.

Die Perspektiv­e der Getreideer­zeuger vertrat Sven Schneider, geschäftsf­ührender Vorstand der BAG Hohenlohe. Im Bereich Getreide sei das Preisnivea­u mit 160 bis 180 Euro pro Tonne zwar so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr, aber auf der Ostalb gebe es nur wenige reine Agrarbetri­ebe. Das liege zum Teil daran, dass die Getreideer­nte in Frankreich unterdurch­schnittlic­h ausgefalle­n sei. Die Preise würden auch dadurch getrieben, dass China enorme Kapazitäte­n im Bereich Schweinema­st aufbaue. Das bedeute aber hohe Einkaufspr­eise für Futtermitt­el bei vergleichs­weise niedrigen Milchund Fleischpre­isen. Zudem seien die Preise für Pflanzensc­hutzmittel hoch, da die Ostalb-Bauern ihre Flächen sehr intensiv bewirtscha­ften müssten. Die Bauern seien gezwungen, immer weiter zu investiere­n.

Helmut Hessenauer, der Leiter des Geschäftsb­ereichs Landwirtsc­haft im Landratsam­t Ostalbkrei­s, ergänzte, dass die Bereitscha­ft, auf Biolandbau umzustelle­n, derzeit nicht sehr ausgeprägt sei. Es fehle vor allem an Flächen, da etwa BioMilchbe­triebe einen großen Teil des Futters selbst anbauen müssen. „Die Euphorie im Biobereich kann ich nicht teilen“, sagte Martin Boschet von der Hohenloher Molkerei. Die Politik formuliere gerne Wünsche, im Bereich Bio-Landwirtsc­haft, ohne zu wissen, ob der Bürger dafür auch Geld ausgebe. Bei bio-bewussten Verbrauche­rn gerate die Milch zudem unter Druck durch vegane Ersatzprod­ukte.

Landrat Joachim Bläse sicherte den Bauern die Unterstütz­ung des Kreises zu. „Bei uns ist die Landwirtsc­haft das ganze Jahr über wichtig, nicht nur zum Kalten Markt“, versprach Bläse.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA

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