Unerträgliche Belastung, unangemessener Verdienst
Online-Pressegespräch zum Kalten Markt zeigt die Situation der Landwirte in der Region auf
- Anlässlich des Kalten Markts hat der Bauernverband Ostalb-Heidenheim in einer OnlineKonferenz dargelegt, wo die Problemfelder für die Landwirtschaft in der Region liegen. Hubert Kucher, der Vorsitzende des regionalen Bauernverbands, sagte, die Landwirte könnten nicht noch mehr politische Vorgaben erfüllen, wenn sie dafür nicht kostendeckend bezahlt würden. Er regte deshalb an, den Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte zu beschränken, die nicht nach heimischen Standards erzeugt werden.
Eigentlich hätte die Bauernkundgebung zum Kalten Markt unter dem Motto stehen sollen „Soziale Marktwirtschaft vom Erzeuger über den Verarbeiter und Vermarkter bis zum Verbraucher“, erläuterte Hubert Kucher in seiner Einleitung. Da wegen der Corona-Lage keine Kundgebung möglich war, wurde in einem OnlinePressegespräch über die Situation der Landwirtschaft in der Region diskutiert. Angesichts der Marktmacht der Handelskonzerne stellte Hubert Kucher infrage, ob die soziale
Marktwirtschaft für die Landwirte noch funktioniere: Vier Handelsketten machten 85 Prozent des Marktanteils unter sich aus. Dazu komme, dass die Politik auf Parlamentsebene „meist ohne fachliche Expertise“regiere. Oft lasse sie sich von Nichtregierungsorganisationen dirigieren.
Andererseits schaue der Verbraucher oft darauf, seine Lebensmittel so billig wie möglich einzukaufen. Die Folge für die Landwirte: Die Arbeitsbelastung sei „unerträglich“, der Verdienst „unangemessen“, sagte Kucher. Zugleich drängten Erzeuger in den europäischen Markt, die nicht die hiesigen Standards erfüllen. Als Beispiel nannte Kucher die Eierproduktion. Hierzulande sei die Käfighaltung zwar verboten. 40 Prozent der Eier kämen jedoch von ausländischen Erzeugern, die die Käfighaltung praktizierten. Deshalb forderte der Vorsitzende des regionalen Bauernverbands den Schutz der einheimischen Produzenten nach dem Motto „Unsere Märkte unsere Standards“. Biologische Landwirtschaft und regionale Vermarktung seien zudem nicht für alle Landwirte eine Option, gerade der Biobereich sei eher eine Nische.
Martin Boschet, Direktor der Hohenloher Molkerei, erteilte einer „Einigelung“der Marke Donald Trump eine Absage. Die Landwirte, die Verarbeitungs- und Vermarktungsbetriebe, lebten von offenen Märkten. Schließlich würden rund 50 Prozent der einheimischen Milchproduktion exportiert. Es sei auch nicht fair, die Schuld beim Verbraucher zu suchen. Viele hätten wegen der Corona-Situation Angst um ihre Arbeitsplätze oder Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit. Zudem werde weltweit immer mehr Milch produziert, parallel gerate der Markt auch durch vegane Milchersatzprodukte unter Druck. Vor diesem Hintergrund habe man 2020 im Vergleich „ganz gute Ergebnisse“erzielt, sagte Boschet. Eine Bewertung für das neue Jahr falle jedoch schwer.
Der Geschäftsführer von Ulmer Fleisch, Rolf Michelberger, sprach von einem „eiskalten Markt“mit einem nie gekannten Preistief bei Schweinefleisch. 1,19 Euro pro Kilo Schlachtgewicht seien „nicht tragbar“. Noch vor einem Jahr habe der Kilopreis bei zwei Euro gelegen. Für den Preisverfall machte Michelberger die afrikanische Schweinepest sowie die Tatsache verantwortlich, dass die deutschen Erzeuger wegen der Schweinepest von den Märkten in Südostasien abgeschnitten worden seien. Außerdem seien Schlachtkapazitäten aufgrund von Corona zurückgefahren worden. „Wir schieben Schweine vor uns her“, sagte Michelberger, wenn auch nicht im selben Maß wie in Norddeutschland. Man brauche auch Zeit, die Vorgaben der Politik umzusetzen: „Wir können nicht alle Ställe umbauen.“Dazu komme, dass die Arbeit der Schweinezüchter so gut wie nicht wertgeschätzt werde.
Die Perspektive der Getreideerzeuger vertrat Sven Schneider, geschäftsführender Vorstand der BAG Hohenlohe. Im Bereich Getreide sei das Preisniveau mit 160 bis 180 Euro pro Tonne zwar so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr, aber auf der Ostalb gebe es nur wenige reine Agrarbetriebe. Das liege zum Teil daran, dass die Getreideernte in Frankreich unterdurchschnittlich ausgefallen sei. Die Preise würden auch dadurch getrieben, dass China enorme Kapazitäten im Bereich Schweinemast aufbaue. Das bedeute aber hohe Einkaufspreise für Futtermittel bei vergleichsweise niedrigen Milchund Fleischpreisen. Zudem seien die Preise für Pflanzenschutzmittel hoch, da die Ostalb-Bauern ihre Flächen sehr intensiv bewirtschaften müssten. Die Bauern seien gezwungen, immer weiter zu investieren.
Helmut Hessenauer, der Leiter des Geschäftsbereichs Landwirtschaft im Landratsamt Ostalbkreis, ergänzte, dass die Bereitschaft, auf Biolandbau umzustellen, derzeit nicht sehr ausgeprägt sei. Es fehle vor allem an Flächen, da etwa BioMilchbetriebe einen großen Teil des Futters selbst anbauen müssen. „Die Euphorie im Biobereich kann ich nicht teilen“, sagte Martin Boschet von der Hohenloher Molkerei. Die Politik formuliere gerne Wünsche, im Bereich Bio-Landwirtschaft, ohne zu wissen, ob der Bürger dafür auch Geld ausgebe. Bei bio-bewussten Verbrauchern gerate die Milch zudem unter Druck durch vegane Ersatzprodukte.
Landrat Joachim Bläse sicherte den Bauern die Unterstützung des Kreises zu. „Bei uns ist die Landwirtschaft das ganze Jahr über wichtig, nicht nur zum Kalten Markt“, versprach Bläse.