Die Heilige Schrift für Einsteiger
Mit der crossmedialen BasisBibel will die evangelische Kirche vor allem Jugendliche erreichen
Am 21.1.21 bringt die Deutsche Bibelgesellschaft die komplette BasisBibel mit Altem und Neuem Testament heraus – rein optisch ein optimaler Termin. Allerdings schrumpft in Zeiten eines verschärften Lockdowns das Ereignis auf ein paar Presseartikel und Online-Promotion zusammen. Die große analoge Feier fällt aus, was für die 40 Übersetzer und Lektoren sehr bedauerlich ist. Sie haben seit 2003 intensiv an einer Bibel für das 21. Jahrhundert gearbeitet, die sich mit ihrer leicht verständlichen Sprache vor allem an eine junge, mit modernen Kommunikationsmedien aufgewachsene Leserschaft richtet. Aber auch Menschen jeden Alters, denen das Buch der Bücher noch völlig fremd ist und die sich mit der klassischen Kirchensprache schwertun, will man damit zumindest eine Einstiegshilfe bieten.
Dieser Fokus ist sicher stimmig. Insofern hat die neue Übersetzung der hebräischen, aramäischen und griechischen Urtexte zweifellos ihre Berechtigung. Angeregt wurde sie von kirchlichen Jugendverbänden Anfang der 2000er-Jahre, und die evangelische Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart machte sich 2003 ans Werk. Das Anliegen der jungen Leute war es aber nicht nur, eine gut begreifliche Bibelübersetzung zu bekommen, sie sollte auch den Lesegewohnheiten der Digital Natives angepasst sein. Hannelore Jahr, Theologin und Germanistin sowie langjährige Leiterin für Lektorat und Bibelübersetzungen bei der Deutschen Bibelgesellschaft, meint heute rückblickend: „Die Jugendverbände zeigten schon vor 20 Jahren viel Gespür für kommende digitale Entwicklungen, auf jeden Fall mehr als Personen im klassischen Buchverlag.“Und Dieter Braun, Fachlicher Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg, legt selbstbewusst nach: „Jugendarbeit ist immer Aufbruch ins Neuland.“
Vorausschauend war das Bibelprojekt allemal, weil die Übersetzung von Anfang an für das Lesen am Bildschirm und Display konzipiert wurde, obwohl beim Start die weitere Entwicklung im Computerzeitalter noch nicht klar war. „Als wir uns vor 17 Jahren an die Arbeit machten und uns schon sicher waren, dass sich das Leseverhalten durch die Digitalisierung verändern würde, stießen wir noch auf große Skepsis“, sagt Lektorin Jahr. Dessen ungeachtet hielt man sich streng an die Übersetzungsleitlinie: Die Sätze mussten verständlich sein, ohne verschachtelte Konstruktionen auskommen und durften nicht mehr als 16 Wörter umfassen.
Das entsprach auch der Erfahrung mit Texten in verschiedenen OnlineMedien. Diese sind bekanntlich kurz und knapp gehalten, damit Inhalte angesichts der enormen Informationsflut schnell erfasst werden können. Natürlich drängt sich bei solchen Vorgaben für die Übersetzung der Heiligen Schrift der Verdacht auf, damit werde einer simplen Sprache Vorschub geleistet. Das verneint Germanistin Jahr aber entschieden. Im Gegenteil. „Die Texte haben ihre eigene Ästhetik, die Möglichkeiten der deutschen Grammatik wurden durchaus ausgenützt“, versichert sie.
Eine neue Übersetzung der Heiligen Schrift ist eine Mammutaufgabe und braucht Zeit. Aber immerhin gab es bereits 2006 eine erste Kostprobe mit der Ausgabe des Markus-Evangeliums. Seit 2010 liegt das Neue Testament vor. 2012 kamen die Psalmen dazu. Diese Teilausgaben wurden vor allem in der Jugendarbeit bereits eingesetzt, wie Braun betont. Er schätzt die klare Sprache und die Begriffserklärungen in den Randspalten. Denn anders als bei Bibelübersetzungen wie der „Guten Nachricht“widerstand das Übersetzerteam der Versuchung, heute eventuell fremdartig klingende Begriffe in eine moderne Sprache zu übersetzen. Man ließ sie meist stehen, hob sie aber farblich hervor und lieferte auf der Randspalte die Erklärung gleich mit. Als Leser oder Leserin soll man also nicht erst lange in einem angehängten Index nachsuchen müssen, sondern kann neben dem Text sofort die Erläuterung finden – wobei diese Randnotizen recht ausführlich geraten sind, zum Teil fast überinstrumentiert, wie man bei einer ersten kurzen Lektüre feststellen kann.
Beim Online-Lesen reicht sogar nur ein Mauseclick und das Erklärstück zum gesuchten Begriff ploppt auf – inklusive Fotos, Videos und Landkarten. Mit Erscheinen der Printausgabe gibt es auch die Online-Bibel und eine Übersetzung in der App DieBibel.de. Diese kostenlosen digitalen Angebote stehen allerdings zunächst nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung, sollen aber in den kommenden Monaten und Jahren stetig ausgebaut zu werden.
Bislang konnte die BasisBibel nur bedingt in der Konfirmandenarbeit benutzt werden, weil eben das Alte Testament fehlte. Dieses Manko ist jetzt behoben und damit steht ihrem Einsatz im kirchlichen und schulischen Unterricht eigentlich nichts mehr im Wege. Fragt sich nur noch, welche Ausgabe gewählt wird: die Kompakt-Edition oder die KomfortEdition?
Beim Begriff Komfort mag man stutzen, denn was hat Bibellesen mit Komfort zu tun? Germanistin Jahr liefert dafür eine gute Erklärung: „In der Komfort-Ausgabe sind die Texte vorportioniert. Jede Zeile ist eine Sinneinheit.“Damit könne der Inhalt leichter erfasst werden und vor allem beim Vorlesen biete das auch Ungeübten Sicherheit. In der Kompaktausgabe wiederum sind die Texte fortlaufend gesetzt – wie in einem normalen Buch. Die Drucktechniken schlagen sich natürlich in der Seitenzahl nieder. Während die Kompakte rund 2000 Seiten umfasst und 25 Euro kostet, bringt es die Komfortable auf 3000 Seiten und kostet 49 Euro.
Und wie kommt die crossmediale Mammutarbeit in Kirchenkreisen an? Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) empfiehlt die neue Bibelübersetzung in Ergänzung zur Lutherbibel. Diese Einschätzung könnte auch für die Pfarrerinnen und Pfarrer hilfreich sein, denn es gibt im deutschsprachigen Raum rund 50 verschiedene Bibelübersetzungen – inklusive der Mundartvarianten.
Pfarrer Oliver Helmers von der Evangelischen Kirchengemeinde Aldingen im Kreis Tuttlingen hat sich jedenfalls schon mit der BasisBibel vertraut gemacht und sie im Gottesdienst verwandt. Anfang des Jahres war es im Predigttext um den 12-jährigen Jesus im Tempel gegangen. In der Lutherbibel heißt es dazu: „Wusstet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“Dem 38jährigen Pfarrer kam das zu sperrig vor. So ein Satz müssten seine „Konfis“erst zweimal lesen, um ihn zu verstehen. Im Gottesdienst würden sie ihn aber nur einmal hören. Da erschien ihm die BasisBibel-Übersetzung viel eingängiger: „Habt Ihr nicht gewusst, dass ich im Haus meines Vaters sein muss.“Pfarrer Helmers jedenfalls gefällt an der BasisBibel, dass sie nah am Ausgangstext bleibt und dennoch verständlich ist.
Trotz alledem bleibt die Stellung der Lutherbibel unangefochten. Die revidierte Ausgabe, erschienen zum Lutherjahr 2017, ist der offizielle von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) empfohlene Bibeltext, den treue Kirchgänger auch nicht missen möchten. So schätzt Friedrich Langsam, Dekan des Evangelischen Kirchenbezirks Ravensburg, durchaus die BasisBibel mit ihrer Brückenfunktion zwischen Gesellschaft und kirchlicher Binnensprache. Er freue sich, dass das Projekt auf breite Zustimmung stoße, und erhoffe sich damit auch mehr Vereinheitlichung angesichts der Vielzahl an Bibelübersetzungen. Dessen ungeachtet hält er die Lutherbibel in Übereinstimmung mit der EKD für nicht ersetzbar, weil es den einen verbindlichen Bibeltext brauche. Er selbst liebt die Lutherbibel, nicht zuletzt wegen ihrer Sprachgewalt: „Luther – das ist Poesie“. Da würde ihm auch die Germanistin Jahr sofort zustimmen.