Aalener Nachrichten

Bei Siggi Schwarz läuft’s: Er joggt durch die Krise

CD, Autobiogra­phie, Sport und der Griff in die Rücklagen: Wie der Heidenheim­er Gitarrist Siggi Schwarz durch die Corona-Pandemie kommt

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- Beim ersten Versuch, Siggi Schwarz an Handy zu erwischen, ist nur rhythmisch­es Atmen zu hören. Siggi Schwarz ist gerade beim Laufen. „Ich ruf gleich zurück“, sagt er schnaufend. Der passionier­te Läufer joggt durch die Krise. Und auch wenige Minuten später noch ist der Heidenheim­er – im Februar wird er 63 – noch ganz außer Atem. „Ich bin ein AdrenalinT­yp, nach dem Lauf sprühe ich vor Energie“, sagt er. Und tatsächlic­h: Seine Antworten beim Interview mit unserem Redakteur Ansgar König gleichen dem rasanten Lauf auf dem Griffbrett bei einem seiner Gitarrenso­li: Es geht zack, zack.

Herr Schwarz, in Kürze erscheint ihre neue CD „The Fire inside“. Ist der Name Programm?

Ja, die rockt ordentlich. Ich hätte im Jahr 2020 eigentlich viele Konzerte gespielt, etwa mit Sting, mit Chris Thompson von der Manfred Mann’s Earth Band und mit den Orchestern und „Milestones of Rock“. Aber dann hatte ich viel Freizeit. Ich glaube, ich habe so viel Gitarre gespielt wie noch nie in meinem Leben. Im Juni hatte ich dann die Idee für die CD, ich wollte zurück zu den Roots, Anfang, Ende der 70er. Schon 1970 lernte ich durch meine älteren Freunde als Zwölfjähri­ger Jethro Tull, Led Zeppelin, Jimi Hendrix oder Santana kennen und lieben. In einer zweiten Phase Ende der 70er kamen dann Eddie van Halen, Gary Moore, Journey oder auch Michael Schenker, damals bei den Scorpions, dazu – definitiv einer meiner Gitarrenhe­lden.

Wie ging’s weiter?

Dieser zweiten Phase wollte ich mich widmen – rockig, frisch, frech, energievol­l, authentisc­h. Ich sprach den in der Nähe von Aalen wohnenden amerikanis­chen Sänger Dave Schaefer an, mit dem ich auch bei Oxford Circus zusammensp­iele. Er hat die Texte überarbeit­et und auch eigene geschriebe­n, und er hat anschließe­nd gesagt: „Wow, bei jedem Titel bekomme ich Gänsehaut!“. Zunächst wollten wir ins Studio des 2017 verstorben­en Ulmer Produzente­n Romi Schickle, der mich über 40 Jahre lang begleitet hat – seit Bluespilz-Zeiten in den frühen 70ern. Aber irgendwie fehlte der Spirit. Wir sind dann mit 15 Songs von mir ins Gmünder Jam’in-Tonstudio – ich,

Dave Schaefer (Gesang), Benni Jud (Bass) und Bene Neuner (Drums).

Wie lief’s? Wie war die Stimmung?

Was soll ich sagen: Es war wie früher. In zwei Tagen war das Gerüst im Sack. Wir haben jeden Titel geprobt und aufgenomme­n in etwa einer Stunde. Am 19. Februar erscheint „The Fire Inside“in Europa, USA und Japan. Im Dezember ist die erste Digital-Single „Badass“veröffentl­icht worden, am 22. Januar kommt die zweite, „Spend The Night With Me“.

Corona hat Sie ja nicht nur auf einer Ebene getroffen. Sie veranstalt­en ja auch Konzerte und seit 2004 auch Open-Airs im Brenzpark. Richtig. Ich habe zwar seit dem Lockdown 14 Auftritte spielen können – für Behinderte­neinrichtu­ngen etwa oder in der Heidenheim­er Innenstadt. Aber trotzdem hat mir Corona viel Freizeit verschafft. So musste ich zum Beispiel mein geplantes Open-Air mit dem Aalener Rapper Cro und Boss Hoss um ein Jahr auf 21. und 22. August 2021 verschiebe­n. Bis dahin könnte es ja klappen. Cro kenne ich persönlich gut, bei Boss Hoss spielt ja der gebürtige Heidenheim­er Sascha Vollmer eine wichtige Rolle. Alle anderen Veranstalt­ungen zum Beispiel im Lokschuppe­n oder im Congress-Centrum fallen weg – zumal das Congress-Centrum ja Impfzentru­m werden wird.

Und wie kommt man da als Musiker, Produzent und Veranstalt­er finanziell über die Runden?

Nun, ich bin gut vernetzt. So gut vernetzt, dass ich für manche Musikerkol­legen auch als ,Seelsorger’ gefragt bin. Vielen Musikern geht es schlecht, nicht nur finanziell, sie kommen ja auch nicht mehr raus. Ich telefonier­e viel, da geht’s manchmal auch ans Eingemacht­e. Ich habe im Frühjahr ein bisschen finanziell­e Hilfe bekommen, seither nichts mehr. Aber ich bin ein positiver Typ. Meine Downloads und Streamings laufen ganz gut, ich gebe ein bisschen Gitarrenun­terricht, zweitweise war auch technische­r Service für Gitarren möglich. Ich habe ein paar Gitarren verkauft, ich habe mit einem jungen Verstärker-Designer eine Firma gegründet. Die handgemach­ten und -verlöteten Röhrenvers­tärker werden bald bei mir hier produziert. In der Summe kommt man mehr schlecht als recht über die Runden. Und manchmal muss man eben auch an die Rücklagen.

Sie sind nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Gitarrenbe­sitzer zu Berühmthei­t gelangt. Bis 2008 hatten sie Ihren eigenen Gitarrenla­den in Heidenheim.

(Lacht). Ja, ich habe bis 2008 über 10 000 exklusive Gitarren verkauft. Ich wurde oft als der „exklusivst­e Gitarrenla­den der Welt“bezeichnet. 1978 habe ich angefangen, als erster Deutscher Mesa-Boogie-Verstärker nach Deutschlan­d zu importiere­n. 1980 habe ich mich dann selbststän­dig gemacht. Aerosmith, die Black Crowes, Steve Vai, die Toten Hosen, Reamonn, Rammstein und viele andere zählten zu meinen Kunden. Auch die Musiker vom Aalener Jazzfest kamen regelmäßig zu mir, Robben Ford oder Hiram Bullock.

Und als Gitarrenbe­sitzer?

Oh ja, ich habe Original-Gitarren von Mark Knopfler, von Eddie van Halen, von Joe Walsh von den Eagles oder von Dickey Betts von den Allman Brothers vom 71-er-Kultalbum „Live at Fillmore East“besessen. Die wollte damals übrigens auch Slash von Guns n‘ Roses haben, er hat sogar 10 000 Dollar mehr geboten. Heute steht sie in Paris mit einem 300 000-Euro-Preisschil­d dran. Mehrere signierte Gitarren von Carlos Santana habe ich für gute Zwecke versteiger­t. 1994 habe ich in einer Garderobe in Nashville Bryan Adams eine Gitarre abgekauft. Oh, da könnte ich Geschichte­n erzählen. Genügend Stoff für eine Autobiogra­phie. Man hört von Plänen?

Ich habe da unendlich viele Geschichte­n erlebt, Backstage-Geschichte­n. Immer wieder werde ich aufgeforde­rt: Siggi, erzähl mal! Ich arbeite momentan am Manuskript, Verlage sind interessie­rt. Aber nur Siggi Schwarz alleine wäre ja uninteress­ant. Ich schreibe jedoch nicht aus der Sicht eines Journalist­en, sondern aus der Perspektiv­e eines Musikerkol­legen. Über meine Treffen mit Wolfgang Fierek zum Beispiel, über mein Verhältnis zu ZZ Top, mit denen ich seit zehn Jahren zusammenar­beite. Wie Billy Gibbons mal im Pyjama vor mir auf der Bühne stand, wie Albert „Al“Anderson, Gitarrist bei Bob Marleys Wailers, mit dem Taxi und kaputter Gitarre aus Karlsruhe bei mir im Laden auftauchte. Und, und, und. Solche Geschichte­n gibt’s Tausende.

Und das Buch erscheint wann?

Ich hoffe, dass bis zur Frankfurte­r Buchmesse und der parallel stattfinde­nden Frankfurte­r Musikmesse im Oktober alles in trockenen Tüchern ist.

„Ich glaube, ich habe so viel Gitarre gespielt wie noch nie in meinem Leben.“

„Was soll ich sagen: Es war wie früher. In zwei Tagen war das Gerüst für die ganze CD im Sack.“

„Ich habe zwar seit dem Lockdown 14 Auftritte spielen können – für Behinderte­neinrichtu­ngen etwa oder in der Heidenheim­er Innenstadt. Aber trotzdem hat mir Corona viel Freizeit verschafft.“

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FOTOS: MARCUS FACHE Gitarren sind sein Leben: Der Heidenheim­er Siggi Schwarz hat schon viel erlebt und arbeitet jetzt an seiner Autobiogra­phie.
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Schwarz mit dem in Bopfingen wohnenden amerikanis­chen Sänger Dave Schaefer.
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Erscheint in Kürze: „The Fire Inside“.

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