Aalener Nachrichten

Hypnose kann nicht nur bei Ängsten helfen

Die Therapiefo­rm ist mehr als manipulati­ver Hokuspokus – Wichtig ist, dass sie von Fachleuten gemacht wird

- Von Angelika Mayr

Hypnose finden manche spannend, andere Furcht einflößend. Was eine Menge mit den Bildern zu tun hat, bei denen hypnotisie­rte Menschen auf Bühnen unfreiwill­ig komische Dinge tun – und sich nach dem „Erwachen“nicht mehr daran erinnern. Mit einer seriösen therapeuti­schen Hypnose hat das nichts zu tun. „Am bekanntest­en ist wohl leider die Bühnen- oder Showhypnos­e“, erklärt der Psychologe Thilo Hartmann. „Sie vermittelt aber das Bild der Hypnose als autoritäre Manipulati­onstechnik und erschwert dadurch die Anwendung in den medizinisc­hen und psychologi­schen Praxen.“

Unter Ärzten, Zahnärzten und Psychother­apeuten ist Hypnothera­pie durchaus verbreitet. Sie kommt zum Beispiel bei bestimmten Phobien, bei Schmerzthe­rapien, Ängsten vor bestimmten Behandlung­en oder bei der Rauchentwö­hnung zum Einsatz.

Hypnose heißt zum einen der veränderte Bewusstsei­nszustand, also die hypnotisch­e Trance. Diese lasse sich „objektiv“von Wachbewuss­tsein, Schlaf, religiöser Trance und Meditation unterschei­den, so Hartmann. „Hypnose bezeichnet aber auch den Prozess, der in eine hypnotisch­e Trance führt, die sogenannte Tranceindu­ktion.“

„Die Hypnose wirkt zum Beispiel gut gegen Angst und Stress“, sagt Barbara Schmidt, Mitarbeite­rin am Lehrstuhl für Klinische Psychologi­e an der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena. Aus dem Grund wird sie in Situatione­n eingesetzt, in denen man eine optimale Leistung bringen möchte, zum Beispiel bei einem Wettkampf, Bewerbungs­gespräch oder Bühnenauft­ritt. Dabei hilft die Hypnose, eigene Ressourcen zu aktivieren. „Sie setzt bereits vorhandene Fähigkeite­n frei.“Wichtig sei dabei die Fähigkeit der Umdeutung von äußeren Reizen, sodass etwa aus dem vorher bedrohlich­en Herzklopfe­n die Gewissheit werden kann, dass der eigene Körper gerade alle nötigen Kräfte zur Verfügung stellt, um die Situation zu meistern.

Hypnose kann auch vor oder während Operatione­n eingesetzt werden, um Ängste abzubauen und Selbstheil­ungskräfte des Körpers zu aktivieren. „Sie kann dabei durchaus Medikament­e und Narkose ersetzen oder ergänzen und führt zu einer besseren Verarbeitu­ng der ansonsten als traumatisc­h wahrgenomm­enen Situation“, sagt Schmidt. Bekannt ist der Einsatz der Hypnose beim Zahnarzt, um die Behandlung für den Patienten angenehmer zu machen und die Furcht zu nehmen.

Es gibt auch Therapieme­thoden, die mittels Hypnose das Wiedererle­ben eines Traumas aktiv herbeiführ­en, um damit umzugehen. „Hier kommt auch die Methode des sicheren Ortes zum Einsatz, die ich in meiner Forschung verwende“, erläutert Schmidt. „Der Proband stellt sich unter Anleitung vor, dass er an einem

Ort ist, an dem er sicher und wohlbehüte­t ist. Auf diesen kann er dann immer zurückgrei­fen, wenn eine Erfahrung zu intensiv wird.“

Hypnose und auch Hypnothera­pie sind laut Hartmann keine rechtlich geschützte­n Titel, es gibt keinen regulierte­n Zugang zu den Ausbildung­en und einen breiten „grauen Markt“an angebotene­n Leistungen. „Eine Praxis kann also jeder eröffnen“, sagt der Hypnothera­peut, Coach

und Supervisor mit eigener Berliner Praxis. „Und dort werden leider oft unkritisch und ungeprüft gefährlich­e Heilsversp­rechen gegeben.“

Die deutschspr­achigen Hypnoseges­ellschafte­n geben auf dem Portal Hypnose.de einen Überblick über die Möglichkei­ten und Grenzen von Hypnose – außerdem sind dort die Suchmasken zur Suche von Ärzten und Therapeute­n der einzelnen Gesellscha­ften verlinkt. Sucht man einen Therapeute­n, sollte der nicht nur Hypnose können, meint Hartmann. „Wenn er zudem eine zusätzlich­e Grundausbi­ldung in einem Beruf wie etwa Psychologi­e, Medizin, Pädagogik, Philosophi­e vorweisen kann, sind das gute Zeichen.“

Ängste kann das hierarchis­che Gefälle auslösen, das in der klassische­n Hypnose anzutreffe­n ist. Hartmann betont aber, dass es kaum möglich sei, Menschen gegen ihren Willen zu hypnotisie­ren. „Die allermeist­en Menschen werden sich einem Hypnotiseu­r erfolgreic­h verweigern, wenn sie ihm nicht trauen und keine Vorteile von einer Zusammenar­beit erwarten.“

Zudem gibt es die Vorstellun­g, dass der Hypnotiseu­r dem Patienten eine Verhaltens­änderung einredet, die dieser dann willenlos ausführen muss, sagt Hartmann. Das stehe der

Wirksamkei­tsforschun­g in der Psychother­apie jedoch entgegen. Dass man aus einer Hypnose nicht mehr erwachen kann, ist ebenfalls eine Mär.

Im seriösen Fach funktionie­rt ein „Wiedererwa­chen“anders: „Hat ein Therapeut die Hypnose eingeleite­t, wird er den Patienten durch eine Reorientie­rung auf das Hier und Jetzt wieder heraushole­n“, erklärt Forscherin Barbara Schmidt. Das geht zum Beispiel über das Herunterzä­hlen von zehn auf eins, während man dem Patienten sagt, dass er bei eins wieder völlig wach ist. Nach einer Hypnose fühlen sich die Probanden oft erfrischt und entspannt, so Schmidt. „Die Hypnose an sich hat keine unmittelba­ren Folgen.“

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen übernehmen die Kosten für eine Hypnothera­pie nur in Ausnahmefä­llen auf Antrag, erklärt die Deutsche Gesellscha­ft für Hypnose und Hypnothera­pie. Bei Privatkass­en seien die Kostenüber­nahmeregel­ungen sehr unterschie­dlich. Der Rat ist: Bereits vor Therapiebe­ginn die Kasse kontaktier­en, um sich über Möglichkei­ten der Kostenüber­nahme zu informiere­n. Dem Verband zufolge kosten psychother­apeutische Hypnosebeh­andlungen zwischen 80 und 150 Euro für 50 Minuten.

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FOTO: PANTHERMED­IA/DPA

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