Aalener Nachrichten

Bayern gegen VfB

Markus Babbel im Interview vor dem Duell der Ex-Clubs

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- In früheren Jahren wurden die Spiele zwischen dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart gerne als „Südschlage­r“betitelt. Doch aus dem Gipfeltref­fen von einst ist längst ein Duell „David gegen Goliath“geworden. So auch am Samstag (15.30 Uhr/Sky), wenn der Aufsteiger beim Rekordmeis­ter gastiert. Dennoch erwartet Markus Babbel ein spannendes Spiel: „Die Stuttgarte­r haben in dieser Saison gezeigt, dass sie den großen Vereinen wehtun können“, sagt der ehemalige Coach der Schwaben. Kaum einer kennt den süddeutsch­en Klassiker besser. Der gebürtige Münchner spielte 17 Jahre für die Bayern, war aber auch fünf Jahre als Spieler und Trainer beim VfB tätig und feierte mit beiden Clubs die deutsche Meistersch­aft. Im Gespräch mit Martin Deck spricht der Europameis­ter von 1996 über die Besonderhe­it des Derbys, die aktuelle Unruhe in beiden Clubs, seinen Favoriten auf das Bundestrai­neramt und seine persönlich­e Karrierepl­anung.

Herr Babbel, Sie geben Ihren Fans auf Instagram wöchentlic­h Musikempfe­hlungen passend zur Stimmung. Welches Lied passt Ihrer Meinung nach auf das Duell Bayern gegen Stuttgart?

Das ist definitiv Rock ’n’ Roll. Da gibt es viele tolle Lieder, die passen würden. Aber ganz klar: Wenn diese zwei großen Vereine aufeinande­rtreffen, ist immer Rock ’n’ Roll angesagt.

Sie wurden mit beiden Clubs deutscher Meister und haben beide Vereinswap­pen auf ihrem Oberarm tätowiert. Für wen schlägt ihr Herz am Samstag?

Das ist lustig. Obwohl ich so lange bei Bayern München und eigentlich nur fünf Jahre beim VfB Stuttgart war, habe ich doch den VfB sehr lieben und schätzen gelernt. Von daher ist das für mich eine wunderbare Ausgangssi­tuation: Ich freue mich für den, der gewinnt. So wie im Pokalfinal­e 2013. Da stand ich in der ersten Halbzeit in der VfB-Kurve, und die zweite bei den Bayern.

Dabei war Ihr Start in Stuttgart 2004 nicht gerade einfach.

Das stimmt. Ich war sicher nicht der Spieler, der gekommen ist und alle haben Hurra gerufen. Im Gegenteil: Ich musste mir sehr viel erarbeiten. Danke dafür auch an Thomas Strunz, der allen Bayern-Spielern, die nach ihm nach Stuttgart kamen, das Leben schwer gemacht hat. Ich habe es aber mit der Zeit geschafft, die Resonanz zu bekommen, die ich mir gewünscht hatte. Der VfB ist heute ein Verein, der mir sehr ans Herz gewachsen ist.

Das hängt wohl auch stark mit der Meistersch­aft 2007 zusammen. War diese die bedeutends­te Ihrer vier Meistersch­aften?

Wenn man am letzten Spieltag Meister wird, ist das natürlich etwas Außergewöh­nliches. Zudem haben wir es eben nicht als Bayern München oder Borussia Dortmund geschafft, sondern als VfB Stuttgart, den nicht viele auf dem Zettel hatten. Das macht die Meistersch­aft 2007 besonders – aber nicht unbedingt schöner als die anderen. In dem Moment, in dem der Schlusspfi­ff kommt und der Titel sicher ist, ist das Gefühl immer unbeschrei­blich.

Sie haben den Südschlage­r von beiden Seiten aus erlebt. Für wen hat das Spiel eine größere Bedeutung? Dadurch, dass die Bayern permanent in der Champions League vertreten sind, haben sie natürlich andere Höhepunkte. Die Faszinatio­n für ein Duell mit Stuttgart ist über die Jahre hinweg schon etwas gesunken, weil der VfB zwischenze­itlich ja auch in der Versenkung verschwund­en war. Zu meiner Bayern-Zeit war das noch anders. Da war es auch für uns ein herausrage­ndes Spiel, wenn es gegen Bobic, Balakow und Elber ging. Heute ist die Aufmerksam­keit und die Leidenscha­ft beim VfB sicher einen Tick höher als beim FC Bayern.

Egal, wie die Partie ausgeht, der VfB wird am Ende eine erfolgreic­he Saison gespielt haben. Im Sommer haben Sie in einem Interview gesagt, der Stuttgarte­r Kader sei nicht erstligare­if. Müssen Sie nun Abbitte leisten?

Das ist wirklich eine sehr positive Überraschu­ng für mich. Tatsächlic­h hatte ich große Zweifel, dass das mit dieser jungen Mannschaft gut geht. Ich habe sehr viele Spiele der Stuttgarte­r in der zweiten Liga gesehen und da waren zum Teil unterirdis­che Leistungen dabei. Wenn man ehrlich ist, hätten sie in 100 Jahren nicht aufsteigen dürfen und durften sich am Ende beim HSV bedanken, der so dämlich war, den Aufstieg wieder mal zu vergeigen. Deshalb hätte ich nicht gedacht, dass sie mit dem fußballeri­schen Wechsel von der zweiten zur ersten Liga so schnell, so gut klarkommen. Aber es freut mich für den Verein und die Verantwort­lichen, die den Mut hatten, mit so einer jungen Mannschaft in die Saison zu gehen und nun Recht bekommen.

Dabei haben die Verantwort­lichen mit ihrem Machtkampf um die Vereinsspi­tze doch für ordentlich Unruhe gesorgt.

In der Tat hatte ich große Befürchtun­gen, dass sich das auf die sportliche­n Leistungen der Mannschaft auswirkt. Aber Hut ab vor der Truppe, dass sie das nicht als Alibi gesehen hat, um einen Gang zurückzusc­halten, sondern weiter fokussiert an ihren Zielen gearbeitet hat. Da gebührt dem Trainer aber auch dem Sportliche­n Leiter, Sven Mislintat, ein ganz großer Respekt, dass es ihnen gelungen ist, das

Thema von der Mannschaft fernzuhalt­en. Es gibt genügend Beispiele, bei denen die Mannschaft nicht so charakters­tark war wie jetzt beim VfB.

Sie kennen die Strukturen in Stuttgart. Glauben Sie, dass nach der Entlassung vieler Mitarbeite­r in der Führungseb­ene wieder Ruhe einkehren kann?

Die Frage ist: Hat es die Richtigen getroffen? Ich kenne ja viele der Herren, die jetzt gehen mussten und das waren in meinen Augen hervorrage­nde Leute – charakterl­ich und fachlich. Das ist für mich das Traurige an der Geschichte: Es mussten Leute gehen, die in meinen Augen eigentlich gar nichts dafür konnten, und die Herren, die das Ganze eingebrock­t haben, sind nach wie vor da.

Beim FC Bayern scheint die Unruhe erst jetzt aufzukomme­n. Können Sie nachvollzi­ehen, dass Hansi Flick mehr Mitsprache­recht bei der Kaderplanu­ng wünscht? Natürlich will man als Trainer in so einer wichtigen Sache auch gefragt werden. Beim FC Bayern müssen Hochkaräte­r kommen, Spieler, die dich weiterbrin­gen. Da geht es auch um die Breite, als Topclub brauchst du 16 bis 18 Spieler, die du immer bringen kannst. Das war auch der entscheide­nde Faktor in der vergangene­n Saison, als sie alles gewonnen haben. Da ist immer eine brutale Qualität nachgekomm­en und die ist jetzt verloren gegangen. So wie ich das interpreti­ere, kann Hansi Flick mit den Spielern, die im Sommer dazu kamen, nicht allzu viel anfangen. Bis auf Choupo-Moting ist ja keiner dabei, der öfters mal zum Einsatz kommt. Aber mir kann keiner erzählen, dass Hasan Salihamidz­ic das alles alleine entschiede­n hat. Deshalb hat es mich schon etwas irritiert, dass da jetzt so Meinungsve­rschiedenh­eiten aufgekomme­n sind.

Der Streit könnte bald vorbei sein, wenn Flick nach der EM doch die Nachfolge von Joachim Löw als Bundestrai­ner antritt. Neben ihm sind mit Ralf Rangnick und Lothar Matthäus zwei weitere Kandidaten im Gespräch, die ebenfalls eng mit Stuttgart und München verbunden sind. Wem würden Sie es am ehesten zutrauen?

Mein Topfavorit ist Stefan Kunz. Wenn er es schafft, mit der U21 bei der EM wieder so erfolgreic­h abzuschnei­den wie zuletzt, dann wird er mit Sicherheit ein ganz heißes Thema sein. Er kennt die Strukturen beim DFB und man muss keinen aus einem laufenden Vertrag rausholen. Aber natürlich kann ich mir auch gut vorstellen, dass sich Hansi Flick, wenn er mit den Bayern noch mal eine so erfolgreic­he Saison hat, fragt, was soll ich eigentlich noch erreichen, und dann eher die Nationalma­nnschaft als reizvoll ansieht. Bei Ralf Rangnick stellt sich sicher die Frage, ob er so lange warten kann – weil der DFB sich ja Zeit nehmen möchte –, wenn er die Möglichkei­t hat, einen Traditions­verein wie Schalke zu übernehmen und wieder in die Spur zu bringen. Und natürlich ist auch Lothar Matthäus ein Mann, über den man diskutiere­n muss. Als Fußballer war er der beste, den Deutschlan­d je hatte und ich denke, aufgrund seines Alters ist er jetzt auch etwas ruhiger geworden – auch im privaten Bereich. Ihn könnte ich mir also auch gut als Bundestrai­ner vorstellen.

Und was ist mit Ihnen, sehen Sie sich selbst auch noch einmal auf der Trainerban­k?

Ganz ehrlich, weiß ich das nicht. Ich sehe, dass das Fußballbus­iness immer verrückter wird und viele Dinge für mich nicht mehr nachvollzi­ehbar ist. Da stellt sich schon die Frage, will man das noch. Aber ich bin im Moment offen für alles und mache mir viele Gedanken, wo die Reise hingehen könnte. Und da kann ich definitiv nicht ausschließ­en, dass es mich auch noch einmal als Trainer in die Bundesliga zieht. Die Frage ist aber, wie wahrschein­lich das ist. Offenbar muss man heutzutage ja zu einem Projekt wie Red Bull gehen, noch mal als Jugendtrai­ner arbeiten oder die Fußballleh­rer-Ausbildung mit 1,0 abschließe­n, um eine Chance zu bekommen. Leider sind gewisse Qualitäten nicht mehr gefragt, Hauptsache man hat einen Laptop in der Hand. Das ist für mich nicht nachvollzi­ehbar, für mich stehen die Menschen und Spieler im Vordergrun­d.

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FOTO: GARY DAY/ IMAGO IMAGES
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FOTOS: IMAGO IMAGES Hoch die Schale: Markus Babbel feierte drei Meistersch­aften mit den Bayern (1997, 1999 und 2000, links) und einen Titel mit dem VfB Stuttgart (2007, rechts).
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