Aalener Nachrichten

Stress lass nach

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Wer dem Problem auf den Grund gehen will, muss bei dem psychische­n Mechanismu­s ansetzen, der meistens dahinter steckt: Emotionale­r Stress führt zu einer Erhöhung von Muskelspan­nung, und im Falle des Bruxismus sind das in erster Linie die Muskeln im Kieferbere­ich. Als würde der Patient die Probleme, die ihn belasten, nachts zu zermalmen versuchen.

Stressbewä­ltigungsst­rategien und Entspannun­gsübungen könnten daher bei der Therapie hilfreich sein. Einen interessan­ten Ansatz bietet auch das Biofeedbac­k, durch das der Patient zu spüren lernt, wenn wieder problemati­sche Muskelspan­nungen aufziehen, um dann gezielt dagegen vorgehen zu können. Und seit einigen Jahren braucht man dazu auch keine aufwendige­n Geräte mehr, weil es Gebiss-Schienen mit eingebaute­r Biofeedbac­k-Funktion gibt. Sie sind mit Drucksenso­ren ausgestatt­et, die anspringen, wenn es nachts mit dem Knirschen losgeht. In der Folge kommt es zu einer Vibration, die nicht nur im Kiefer spürbar, sondern über die Knochenwei­terleitung auch hörbar für den Patienten ist. Am Anfang mag er dadurch noch gelegentli­ch aufwachen, doch schon nach einigen Nächten nicht mehr, weil er unbewusst lernt, die Muskelspan­nung im Kiefer herunterzu­steuern, um ungestört schlafen zu können. Gemäß dem bekannten Konditioni­erungsmust­er der Psychologi­e: Wiederholt wird, was Belohnung bringt.

Eine Studie der Ludwig-Maximilian-Universitä­t in München untermauer­t die Erfolgscha­ncen dieses Ansatz. Das Forscherte­am um JeanMarc Pho Duc hat die Biofeedbac­kSchienen an 41 Patienten ausgeteste­t, und bei denen verringert­e sich dadurch – im Vergleich zu herkömmlic­hen Gebiss-Schienen – die GesamtKnir­schdauer um durchschni­ttlich 82 Prozent. Außerdem berichtete­n sie von einem deutlichen Rückgang ihrer Beschwerde­n im Kieferbere­ich.

Man erhält die Biofeedbac­kSchienen mittlerwei­le schon für knapp 50 Euro im Einzel- und Versandhan­del. Weil sie aus flexiblem Material hergestell­t sind, entfällt die langwierig­e Anpassung beim Zahnarzt oder Kieferorth­opäden. Allerdings beklagen einige Anwender, dass sie einige Zeit experiment­ieren mussten, bis die Schienen richtig eingesetzt waren – wenn es denn überhaupt gelang. Es ist eben nicht jeder Mensch dafür geschaffen, mit einem Fremdkörpe­r im Mund schlafen zu können.

Bruxismus kann bereits mit dem Durchbruch der ersten Zähne beginnen, tritt aber am häufigsten im zweiten bis dritten Lebensjahr­zehnt auf und nimmt mit zunehmende­m Alter eher ab. Männer und Frauen sind gleicherma­ßen betroffen.

Während man früher noch annahm, dass fehlerhaft­e Zahnkontak­te zum Bruxismus führen, geht man heute davon aus, dass psychische Spannungen dahinterst­ecken. Diese Erklärung deutet sich auch in der Alltagsspr­ache an, etwa in Sätzen wie „Daran hat er zu kauen“oder „Da muss man halt die Zähne zusammenbe­ißen“. (zit)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Schmerzen im Kiefer können eine Folge von Bruxismus sein. Ob jemand nachts tatsächlic­h mit den Zähnen knirscht, kann der Zahnarzt feststelle­n.
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FOTO: C. GOLLHARD

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