Aalener Nachrichten

Musik Bader begegnet der Krise mit neuen Ideen

Inhaber will Reparaturb­etrieb ausbauen und Musikschul­e halten – Haus am Fuchseck könnte schließen

- Von Sylvia Möcklin

- Was wäre, wenn? Wenn Thomas Bader neue Ideen verfolgen und dafür sein Musikhaus am Fuchseck zumachen würde? Es würde mehr verlorenge­hen als ein Laden für Instrument­e. Musik Bader ist in Ellwangen eine Institutio­n. „Die Musikschul­e wird überleben“, sagt „der Bader“, wie ihn alle nennen, auch den Reparaturb­etrieb würde es weiter geben. Ob aber Geschäft und Café die Corona-Pandemie überstehen? „Das weiß ich nicht.“Was der 59-jährige Inhaber und Jazzmusike­r weiß: „Man muss was machen. Dann passiert etwas, das man nicht vermutet hat. Und es ist immer was Gutes dabei.“

Es ist ein schöner Morgen, die Frühlingss­onne scheint. In seiner kleinen Werkstatt im Hinterzimm­er hat Bader sich schon einer kaputten Klarinette angenommen. Eine Kundin kommt vorbei, sie möchte ein Buch aus dem Laden haben. „Meine Kunden kaufen nicht im Netz. Sie klopfen, und ich komme raus“, erklärt der Musikalien­händler. Zu vielen habe er eine beinahe freundscha­ftliche Beziehung, ein schönes Arbeiten sei das. Das 35-jährige Bestehen seines Musikhause­s könne er in diesem Jahr feiern, und immer noch gelte: „Ich mache den Job sehr gern.“Gerade die Pandemie habe den Menschen gezeigt, wie wichtig das Persönlich­e ist. „Man braucht sich gegenseiti­g.“Und so habe er in dem Jahr, das Corona nun schon dauert, auch sehr gute Erfahrunge­n gemacht. Nur finanziell nicht: „Ich habe ein verheerend­es Defizit.“

Bader hat sich draußen aufs Bänkle vor dem benachbart­en Weltladen gesetzt, die Verkäuferi­n grüßt und bringt ein Kissen. Normalerwe­ise hat der 59-Jährige selbst Stühle und Tische vor seinem Geschäft stehen, aber derzeit darf er sein „KulturCafé“nicht öffnen. Die vier Rentner, die sich jeden Morgen bei ihm treffen, tun das einfach trotzdem. Hinsetzen können sie sich auch am Brunnen. Gleiches gilt für die Menschen mit Behinderun­g und für die Einsamen, für die Thomas Bader und sein Musikhaus seit langem eine geschätzte Anlaufstel­le sind. „Die kommen auch weiterhin, klopfen, und wir reden“, erzählt der Geschäftsi­nhaber. Für jeden hat er ein Wort und ein Lächeln. „Das ist sehr wichtig.“

Auch Hans Feulner kommt ab und zu noch vorbei. Als Musik Bader 1986 eröffnete, damals noch in der Brauergass­e, sei der ehemalige Leiter des Musikzugs der Ellwanger Bundeswehr ein häufiger Besucher gewesen. Doch bald nahm er den „Status des ehrenamtli­chen Seniorchef­s“ein, denn immer wieder hatten Kunden dem echten Inhaber diese Rolle nicht zugetraut. Er war ihnen mit 24 Jahren einfach zu jung. Mit Hans Feulner konnte er sie beruhigen.

Später zog Bader ins Gebäude der jetzigen Post und von dort in die Spitalstra­ße 3, direkt ans Fuchseck. Würde er seine Adresse hier aufgeben, wäre das aus menschlich­er Sicht ein großer Verlust, findet er. „Wenn die Anlaufstel­le weg wäre, würde mich das sehr schmerzen.“Aber aus finanziell­er Sicht könnte es eine Notwendigk­eit werden, denn: „Derzeit schieße ich jeden Monat privat Geld dazu.“

Dabei spiele es kaum eine Rolle, ob das Café geöffnet hat oder nicht. Bei zwei Euro für eine Tasse Kaffee, den Bader beim Weltladen einkauft, sei der Anteil am Umsatz verschwind­end gering. Umso größer jener von Laden und Werkstatt. Drei Viertel seines Geldes verdient der Inhaber normalerwe­ise mit diesen beiden Standbeine­n. Aber seit dem ersten Corona-Lockdown vor einem Jahr kauft kaum noch jemand ein Instrument, und es werden nur wenige Reparature­n fällig. „Es gibt schließlic­h keine Aufführung­en mehr, und die Leute spielen auch weniger, also geht weniger kaputt“, erklärt Bader. Auch seine Musikschul­e darbt. „340 Schülerinn­en und Schüler hatte ich vor Corona, jetzt sind es noch 150“, berichtet der Ellwanger. Nach einem Jahr Pandemie melden sich immer mehr ab, Neue kommen kaum dazu, wie auch: „Einen kleinen Anfänger per Skype zu unterricht­en, das geht nicht.“

Dem Frust darüber hat sich Bader nicht lange hingegeben. Als er im Winter zu Hause saß und nichts zu tun hatte, kam ihm eine Idee. Und die habe in der Zeit, in der die Musikschul­en ihre Schüler vorübergeh­end wieder vor Ort unterricht­en durften, 14 Tage lang „fantastisc­h“funktionie­rt. „Eltern durften mit ihren Kindern kommen und echte Instrument­e ausprobier­en, von der Geige bis zum Schlagzeug“, erklärt der Geschäftsm­ann. „Ich hatte eine Menge Arbeit und die Kinder solche Freude. Das vergessen die ihr Leben lang nicht.“Wie es der Zufall will, kommt eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn die Spitalstra­ße herunter, grüßt den Mann auf dem Bänkle und strahlt: „Mein Kleiner ist immer noch ganz im Glück.“

Und weil die Aktion so erfolgreic­h war – „nicht finanziell, sondern wegen der persönlich­en Nähe“– wird Bader in den Osterferie­n etwas Ähnliches anbieten. „Wir machen Event-Unterricht per Skype, damit Kinder die Instrument­e kennenlern­en“, verkündet er. Interessie­rte können sich Instrument­e abholen, die Thomas Bader den Kindern über die Osterferie­n zur Verfügung stellt. „Dann üben die Schüler mit einem Lehrer über Skype.“

Für den Verkauf ist der Ellwanger weniger optimistis­ch. „Selbst wenn ich wieder aufmachen darf, habe ich dennoch nicht den Umsatz, den ich brauche“, erklärt er. Solange Musiker keine Termine hätten, werde das Geschäft nicht anlaufen. „Das dauert Monate. Ich bin nicht sicher, ob ich das finanziell überlebe.“Im vergangene­n Jahr hatte er staatliche Hilfe beantragt. „Ich war überrascht, wie unkomplizi­ert das war.“In diesem Jahr zögert Bader. Seit bekannt wurde, dass es bei den Corona-Hilfen viel Betrug gab, müsse man einen Steuerbera­ter für den Antrag hinzuziehe­n, das koste. Außerdem bemesse sich die Hilfe nach dem Umsatz des Vorjahres – und der sei gering.

Stattdesse­n hat Thomas Bader noch eine Idee. Schon jetzt hält er für einige Ellwanger Schulen die Instrument­e von deren Bläserklas­sen in Ordnung. „Dieses Geschäftsm­odell könnte ich ausbauen.“Der Bedarf sei da: „Ich habe meine Fühler schon in die Region ausgestrec­kt.“Mit einer festen Werkstatt in Ellwangen und mobilem Service könne er dies verwirklic­hen, überlegt er. Zusammen mit seiner Musikschul­e sieht sich Bader daher auf einem guten Weg. „Ich habe genügend Ideen, das ist nicht mein Problem.“

Bleibt die Sehnsucht, als Musiker wieder einmal vor Publikum zu stehen. Früh hat Thomas Bader seine große Liebe zum Jazz entdeckt, er spielt Saxofon und Klarinette. Drei Bigbands hat er im Lauf seiner Karriere gegründet, im Ostalb Jazz Orchestra spielt er heute noch, außerdem in der vierköpfig­en Combo „Zwirbel, Zopf & Quetschkom­mod“. Demnächst haben sie sogar Auftritte. „Wir spielen vor dem Schönbornh­aus und dem Pflegeheim Sankt Anna.“Wahrschein­lich noch nicht an Ostern. Aber bald.

 ?? FOTO: MÖCKLIN ?? So kennt man ihn: Thomas Bader (rechts) und sein Musikgesch­äft am Fuchseck sind eine Institutio­n in Ellwangen und eine Anlaufstel­le für die Bewohner der Stadt – wenn nicht drinnen, dann eben vor der Tür. An diesem Morgen ist Otto Abele (links) auf einen Plausch vorbeigeko­mmen.
FOTO: MÖCKLIN So kennt man ihn: Thomas Bader (rechts) und sein Musikgesch­äft am Fuchseck sind eine Institutio­n in Ellwangen und eine Anlaufstel­le für die Bewohner der Stadt – wenn nicht drinnen, dann eben vor der Tür. An diesem Morgen ist Otto Abele (links) auf einen Plausch vorbeigeko­mmen.

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