Höchste Zeit für den Krisenmodus
Zu spät, halbherzig und ohne wirkliches Konzept: Wenn das Kabinett am Dienstag mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes die sogenannte Notbremse gegen die Corona-Pandemie auf Bundesebene auf den Weg bringen will, dann ist der erste Schritt in Richtung einheitlicher, strenger, verbindlicher Regelungen zwar getan. Aber Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten hätten diesen Weg viel früher beschreiten müssen – spätestens im Herbst vergangenen Jahres, als die zweite Welle absehbar war.
Warum fragen die Verantwortlichen in Bund und Land nicht selbstkritisch, was sie im Kampf gegen die Pandemie jetzt – ja, jetzt! – effektiv und konsequent tun müssen? Die Frage, welche harten Maßnahmen wirklich angesagt sind, wurde und wird gar nicht gestellt. Hätten die Politiker von Beginn an auf Virologen gehört, wären viele Tausend CoronaOpfer noch am Leben.
Zeit wird verschwendet, als gäbe es keine Katastrophe: Am 28. März, vor zwei Wochen, kündigte Kanzlerin Merkel an, mehr Kompetenzen für den Bund schaffen zu wollen. Bis zur Umsetzung braucht Deutschland drei Wochen. Unterdessen diskutiert man über die Öffnung von Campingplätzen oder, wie im Saarland, über Lockerungen. Dass auf Intensivstationen womöglich demnächst kein Bett mehr frei ist: egal.
Statt im Krisenmodus fühlen sich die Verantwortlichen offenbar im Wahlkampfmodus wohl. Der Blick auf Landtags- und Bundestagswahlen wie auch die Kür des jeweiligen schwarzen oder grünen Kanzlerkandidaten verstellen die dringend notwendige Fokussierung auf wichtige Maßnahmen und wesentliche Fragen. Ein Beispiel: Hat jemand schon von Lösungen für den Präsenzschulunterricht nach den großen Ferien gehört, wenn die vierte Corona-Welle rollen wird? Es ist höchste Zeit für einen Hallo-Wach-Ruf nach Berlin und in die Landeshauptstädte: Wechseln Sie in den richtigen Modus, den Krisenmodus – und zwar jetzt.
Keine Angst vor „Otto Normalverbraucher“. Die Hälfte der Bevölkerung trüge einen härteren Kurs mit: In einer aktuellen YouGov-Umfrage sprachen sich 47 Prozent für einen schärferen Lockdown aus.