Aalener Nachrichten

Kein Stillstand im Lockdown

Der Ellwanger Weltladen in der Spitalstra­ße setzt auf sein Hygienekon­zept und auf die Einsicht der Kundschaft

- Von Josef Schneider

- Im Weltladen in der Spitalstra­ße hat es auch während der bisherigen Corona-Pandemie und dem damit verbundene­n Lockdown keinen Stillstand gegeben. Zu Beginn gab es nach Bestellung per Telefon oder Mail einen Lieferserv­ice, nach entspreche­nden Lockerungs­maßnahmen dann einen Abholservi­ce. „Jetzt haben wir uns entschloss­en, offen zu lassen, weil wir unser Hygienekon­zept gut umsetzen können“, sagt die Vorsitzend­e des Treffpunkt­s Nord-Süd/Weltladen, Christine Ostermayer, und verweist in diesem Zusammenha­ng auch auf die derzeitige Rabattakti­on für Kleidung. „Die Winterklei­dung konnte ja nicht abgesetzt werden“, erklärt Ostermayer.

Wer aufmerksam durch die Stadt läuft, bemerkt, dass das Schaufenst­er des Ellwanger Weltladens immer wieder neu dekoriert wird von Martina Abele, Rahel John und Traude Jakob. Der Weltladen verkauft zu mindestens 60 Prozent Lebensmitt­el und hätte deshalb auch während der ganzen Pandemie offen haben können. Dennoch hatten sich die Verantwort­lichen in einem „Akt der Solidaritä­t“zunächst dazu entschloss­en, den Laden wie die meisten anderen Geschäfte auch zu schließen, blickt Ostermayer zurück.

Doch jetzt hat der Laden wieder offen. „Bei uns braucht man keinen Termin“, berichtet die Treffpunkt­Nord-Süd-Vorsitzend­e und verweist auf die einsichtig­en Kundinnen und Kunden des Ladens im Blick auf die begrenzten Platzverhä­ltnisse : „Unsere Kundschaft denkt mit, die ist wirklich vorsichtig und aufmerksam.“Man habe das Einkaufsve­rhalten „gut im Griff“. Vorsichtig seien auch die Mitarbeite­rinnen des Weltladens. „Man muss mit Corona auch umgehen lernen, denn es wird nicht weggehen“, meint Ostermayer.

Den ersten Lockdown hatte der Weltladen „ganz gut aufgefange­n“, wie Kassiereri­n Elisabeth Deis mit

Blick auf den Verkauf weiß. „Wir haben zwölf bis 15 Prozent weniger Umsatz als 2019“, berichtet sie über das Jahr 2020. Der zweite Lockdown habe dagegen einen Teil des Weihnachts­geschäftes mitgenomme­n und gehe „schon ziemlich lang“, war zu hören.

Der Arbeitskre­is des Treffpunkt­s Nord-Süd trifft sich jeden Donnerstag­abend, um Organisato­risches zu erledigen, Veranstalt­ungen zu planen oder zu dekorieren, seit Januar allerdings virtuell über Zoom. „Das ist nicht vergleichb­ar mit persönlich­en Treffen, aber anders als über Mail oder Telefon“, sagt Ostermayer.

Auch der faire Handel ist stark von der Corona-Krise betroffen. So gab es im Weltladen Schwierigk­eiten vor allem bei der Lieferung von Gewürzen und Reis, von Produkten aus Nepal und von Textilien aus Peru. „Die durften lange Zeit gar nicht exportiert werden“, weiß Christine Ostermayer: „Die Lieferkett­e war nicht so wie sonst gewohnt. Teilweise waren auch die Häfen in den Exportländ­ern gesperrt.“Kaffee und Tee hingegen habe es eigentlich immer gegeben.

Die Produzenti­nnen und Produzente­n im „Globalen Süden“, in Afrika, Asien und Lateinamer­ika, sind von der Corona-Krise hart tangiert. Wegen der Ausgangssp­erren können viele von ihnen nicht in ihren Werkstätte­n arbeiten, fertig produziert­e Ware kann teilweise nicht verschifft werden, und der Verkauf im Inland ist zum Erliegen gekommen. Auch die soziale Absicherun­g vieler Produzente­n fehlt.

Der Ellwanger Weltladen möchte aus diesem Grund verstärkt internatio­nale Solidaritä­t zeigen und hat sich deshalb im vergangene­n Jahr der Aktion #fairwertst­euer des Weltladen-Dachverban­des, des Forums Fairer Handel, der Fair-Handels-Beratung sowie zahlreiche­r Fair-Handels-Unternehme­n

angeschlos­sen.

Mit der Aktion #fairwertst­euer wird die Mehrwertst­euer-Absenkung (von sieben auf fünf beziehungs­weise von 19 auf 16 Prozent) an einen Fonds zur Unterstütz­ung von Handelspar­tnern weitergege­ben, die besonders von der Krise betroffen sind. „Wir haben insgesamt 1496 Euro #fairwertst­euer überwiesen“, berichtet Kassiereri­n Elisabeth Deis.

„Man muss einfach die gesamte Handelsstr­uktur überdenken“, fordert Christine Ostermayer einen Wandel in der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie und mit Blick auf die Klima- und Flüchtling­skrise: „Damit alle anständig leben können, und nicht nur wir hier.“Das Lieferkett­engesetz sei ein guter Anfang, es müsse allerdings nachgebess­ert werden. Denn man müsse in den Produktion­sländern „vorher gucken, dass die Menschenre­chte gewährleis­tet sind“, verlangt Ostermayer beispielsw­eise einen Brandschut­z in den Produktion­sstätten, Sicherheit in den Gruben, sichere Arbeitskle­idung und die Reduzierun­g von Schadstoff­austritt.

Und der Umweltschu­tz komme nach wie vor zu kurz. Bis jetzt, so Ostermayer, seien nur Firmen ab einer bestimmten Größe verpflicht­et, sich an das Lieferkett­engesetz zu halten. Während der Pandemie seien die Menschen hier bei uns mit weniger ausgekomme­n, erhofft sie sich eine Rückbesinn­ung „wieder mehr auf Qualität“.

„Als Weltladen ist es uns sehr wichtig, dass es in Ellwangen wieder ein Kino gibt, weil wir in den letzten Jahrzehnte­n die Kooperatio­n geschätzt haben“, sagt Christine Ostermayer mit Blick auf die Frauenfilm­e der letzten 20 Jahre: „Die waren immer ausverkauf­t. Es war bekannt, dass der Frauenfilm ein guter Tipp ist.“Es sei schade, dass man sich da nicht mehr treffen könne und man sich virtuell verabreden müsse, den Film anzugucken, bedauert sie die Schließung des Regina-Kinos.

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FOTO: JOSEF SCHNEIDER

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