Boom in der Fußballjugend trotz Corona-Pandemie
„Was macht eigentlich mein Verein?“: Interview mit Achim Pfeifer, dem Vorsitzenden der TSG Hofherrnweiler-Unterrombach
– Lange Jahre war die TSG Hofherrnweiler-Unterrombach der größte Verein im Raum Aalen. Nach der Gründung der Sportallianz Aalen ist dieser Status Geschichte – rund 1800 Mitglieder hat die TSG aber nach wie vor. Mit solch einer Zahl muss man sich natürlich ebenfalls nicht verstecken, im Gegenteil. Timo Lämmerhirt hat Achim Pfeifer, den Vorsitzenden der TSG, am verwaisten Gelände am Sauerbach getroffen und wollte von ihm unter anderem wissen, wie man einen solch großen Verein in dieser Jahrhundert-Krise zusammenhalten kann.
Über ein Jahr mittlerweile leben wir mit der Corona-Pandemie. Wie kann man als Verein, speziell Sie als Vorsitzender, mit solch einer Jahrhundertkrise umgehen? Anders: Wie hält sich die TSG über Wasser?
Das Schlechteste wäre doch in der jetzigen Zeit, einen Stillstand zu produzieren. Der Blick muss nach vorne gerichtet werden, denn es kommen auch wieder andere Zeiten. Wenn man diese Zeit nun verschläft, dann würde man sich das hinterher vorwerfen müssen. Es gibt genügend, was man im Hintergrund verbessern, was man für die Zukunft vorbereiten kann.
Sie sagen, dass es mit Stillstand nicht funktioniert. Was aber kann man denn machen? Was passiert in der aktuellen Zeit? Wie kann man die Mitglieder bei Laune halten? Vieles liegt natürlich an den Trainern selbst. Unser Arm reicht ja nicht in jede Übungsgruppe rein. Da sind wir ganz klar auf die Impulse der Übungsleiter angewiesen, die den Kontakt zu ihren Mitgliedern halten. Es gibt natürlich mittlerweile die neuen Möglichkeiten der Onlinetrainings, auch das wird bei uns angeboten.
Was hat die Pandemie mit Ihnen persönlich angestellt? Wie verläuft Ihr Leben aktuell? Wie geht man als Vorsitzender mit dieser Pandemie um?
Na klar, der Betrieb ruht, aber wir bereiten uns auf die Zeit vor, die kommt und da wollen wir dann möglichst optimal aufgestellt sein. Das heißt natürlich, dass man den Übungsgruppen die Möglichkeit gibt, sobald es möglich ist, wieder zu starten. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass man von null auf hundert startet. Wir haben uns beispielsweise Luftfiltergeräte angeschafft in unserem Cycling-Bereich. Denn das ist sicherlich eine Sportart, die als eine der letzten drankommen wird. Dazu gibt es in sämtlichen Räumlichkeiten mittlerweile Luftmessgeräte. Auch hier werden wir prüfen müssen, ob Onlinetrainings möglich sind. Die Radsportbegeisterten haben häufig auch zuhause Trainingsgeräte.
Sie sprachen die Luftreinigungsgeräte an. Die kosten natürlich eine Menge Geld. Das scheint schwierig in einer Zeit, in der kein Geld verdient wird.
Wir haben aktuell gar keine Einnahmen. Letztlich ist es so, dass die TSG sehr stark von seiner Eigeninitiative lebt. Ein florierendes Vereinsleben spiegelt sich natürlich in Vereinsveranstaltungen wieder, die natürlich auch einen wirtschaftlichen Hintergrund haben. Das fällt komplett weg. Unsere Gaststätte ist in Vereinshand, ein großer Einnahmepunkt und auch die liegt seit November brach. Und 2020 auch schon zu weiten Teilen. Das sind Bereiche, die schmerzen. Natürlich gibt es noch die staatlichen Hilfsschirme und die versuchen wir natürlich, über uns zu spannen.
Hat das Aufspannen denn geklappt?
(überlegt kurz) Ja, wir sind da schon rührig, was das angeht. Es ist aber auch nicht immer ganz einfach in der Umsetzung. Im Großen und Ganzen sind wir aber gut aufgestellt, wenn es wieder weitergeht.
Mit anderen Worten erschwert in diesem Fall die deutsche Bürokratie wieder so manches?
Ja, aber das ist auch ein Stück weit verständlich, weil damit eine Menge Schindluder getrieben wurde. Ich möchte das gar nicht verurteilen, da geht es anderen sicherlich schlechter als unserem Verein, der immer noch ehrenamtlich geführt wird. Wenn ich aber an Betriebe denke, bei denen es an die essenziellen Belange geht, wie man beispielsweise seine Mitarbeiter bezahlen kann, sehe ich das Problem der Zeitverschleppung natürlich wesentlich heftiger als bei uns.
Statistisch gesehen haben die Vereine rund zehn Prozent Mitgliederschwund zu verzeichnen, seitdem die Corona-Pandemie durch die Welt zieht. Ist das bei der TSG auch so?
Ja, auch wir haben einen Mitgliederschwund zu verzeichnen, fast durchgängig in allen Abteilungen. Es ist aber noch nicht dramatisch. Auf 19 Abteilungen runtergebrochen summiert sich diese Zahl dann aber. Seltsamerweise haben wir dieses Problem im Fußball überhaupt nicht.
Wie meinen Sie das? Wieso gibt es beim Fußball keine Probleme? Wir haben unglaublich viele neue Fußballer in unseren Nachwuchsmannschaften dazugewinnen können. Das kann ich selbst nicht nachvollziehen (lacht). Aber schon vor Corona hatten wir ja schon vier aktive Mannschaften. Nun geht es auch im Jugendbereich richtig stark voran. Das ist natürlich der Akribie der handelnden Personen zuzuschreiben. Das geht sogar so weit, dass wir uns überlegen müssen, wieder eine U 18 anzumelden.
Sie erleben einen regelrechten Boom an Neuzugängen im Jugendfußball und können sich das nicht erklären?
(lacht) Ja, genau. Vielleicht ist es dann doch die Attraktivität, die wir uns in den vergangenen Jahren in diesem Bereich erarbeitet haben. Die Entwicklung geht eindeutig nach oben. Ich denke schon, dass wir da in den kommenden Jahren eine Menge bewegen können.
Jetzt sind Sie ja selbst auch Vater und haben nach elf Jahren als Vorsitzender täglich mit Jugendlichen zu tun. Wie schwierig ist es aktuell vor allem für die Kinder und Jugendlichen, nicht in ihrer Sportart trainieren oder spielen zu können?
Das ist die Hauptproblematik. Wir müssen weniger über die Erwachsenen-Sportler sprechen, wenn es denen natürlich ebenfalls wehtut. Aber ein Erwachsener kann natürlich nach vorne schauen und solch eine Zeit leichter überbrücken. Wenn aber die sozialen Kontakte und die Bewegungsmöglichkeiten für die Jugendlichen wegbrechen, wenn die Pädagogik und die sozialen Strukturen im Umfeld der Kinder nicht da sind, dann ist das sehr schmerzhaft. Ich glaube auch, dass man diesen Bereich zu wenig betrachtet.
Hat man da Ihrer Meinung nach etwas verpasst seitens der Regierung?
Ich sehe beispielsweise bei all den Diskussionen der Einschnitte für jeden einzelnen die Sportvereine gar nicht groß erwähnt. Das wundert mich, weil ich immer dachte, dass die Vereine eine ganz wesentliche Säule in unserer Gesellschaft darstellen. Von den Sportvereinen ist da doch kaum die Rede.
Springen wir kurz in den Fußballbereich. Neulich sagte ein Verbandsligaspieler, dass er sich gar nicht vorstellen könne, wie hoch das aktuelle Niveau bei den Mannschaften sei nach über einem halben Jahr Fußballpause. Wie stark ist Eure TSG? Kann man das überhaupt seriös beantworten?
Das glaube ich nicht. Ich habe aber sehr viel Vertrauen in Mannschaft und Trainer, so dass ich glaube, dass sie gut gerüstet sein werden, wenn es wieder losgehen sollte. Letztlich weiß aber doch aktuell niemand, wo er steht. Nicht umsonst gibt es ja auch immer eine Vorbereitung. Da spielt man sich dann ein. Aber wie möchte man nach über sechs Monaten beurteilen, wo man letztlich steht?
Die Saison wird abgebrochen und annuliert. Was sagen Sie dazu?
Es war mir schon länger klar, dass die Saison abgebrochen und annuliert wird. Sehr schade, weil ich glaube, dass wir es sportlich geschafft hätten, die Klasse zu halten. Unser Trend im Herbst stimmte, daran hätten wir sicherlich anknüpfen können.
Wir sprachen vorhin schon von den 19 Abteilungen. Gibt es eine, die es besonders schwer erwischt hat?
Ich glaube nicht, dass es bei uns eine Abteilung geben wird, die sich nach dem Lockdown nicht mehr wiederfinden wird. Wir werden sie sicherlich alle wieder bei uns begrüßen können, müssen uns dann aber sicherlich neu sortieren.
Wie hält man die Sportler als Vorsitzender bei Laune? Führt man mehr Telefonate, trifft man sich häufiger via Video, also online? Wie kann man sich das vorstellen? Diese Verantwortlichkeit sehe ich eher bei den Abteilungsleitern und Trainern. Die haben den näheren Kontakt zu den Mitgliedern. Wir versuchen gerade eher, in der Infrastruktur weiterzukommen, dazu sind immer wieder auch Renovierungsarbeiten zu tätigen. Wir können durchaus ein intaktes Vereinsgelände präsentieren. Lediglich die Fußballplätze reichen unseren Ansprüchen weder quantitativ noch qualitativ.
Jetzt haben wir April. Wann geht das Vereinsleben wieder los? 2020 war es ja so, dass mit den steigenden Temperaturen auch die Inzidenzen gesunken sind. Dazu hoffe ich, dass wir es mit dem Impfen politisch hinbekommen, was die Bürger erwarten. So sollten wir dann im Sommer doch eine Menge überbrückt haben, um im Herbst nicht wieder in dasselbe Schlamassel hineinzulaufen wie im vergangenen Jahr. Ich glaube aber, dass Vieles schon 2020 verschlafen wurde. Diese ganze Situation kommt ja nicht überraschend.
Zusammengefasst: Um die Zukunft der TSG muss man keine Sorgen machen?
Man muss sich um die Zukunft der TSG sicherlich keine Sorgen machen, was aber auch dem Verständnis der Mitglieder zuzuschreiben ist, die beispielsweise mit viel Verständnis auf den Einzug der Mitgliedsbeiträge 2021 reagiert haben.