München darf sich nicht erpressen lassen
Obwohl die Aussichten immer schlechter stehen, verbreitet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) demonstrativ Zuversicht. „Wir wollen dabei sein, wir werden dabei sein – und ich bin sehr optimistisch, dass wir am 19. April auch eine entsprechende Bestätigung bekommen“, antwortete DFB-Generalsekretär
Friedrich Curtius gelassen auf die Frage, ob München als EM-Standort trotz des erhöhten Drucks durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) noch zu retten ist. „Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir müssen dranbleiben und arbeiten dafür“, sagte auch der Ex-Nationalspieler und DFB-Organisationsboss Philipp Lahm und konkretisierte das Vorhaben: „100 Prozent Auslastung wird nicht möglich sein. Deswegen planen wir von null Zuschauern bis zu 50 Prozent Zuschauern.“
Der größte Einzelsportverband der Welt droht nun also auch vor der mächtigen UEFA einzuknicken. Am Freitagabend hatte der europäische Verband dem Wackelkandidaten München endgültig die Pistole auf die Brust gesetzt. Wie auch Rom, Dublin und Bilbao muss die bayerische Landeshauptstadt ihre Zuschauerkonzepte bis zum 19. April nachbessern, um nicht die drei Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft sowie ein Viertelfinale zu verlieren. Dabei zielt die UEFA mit ihrem Präsidenten
Aleksander Ceferin vor allem auf die Politik, die letztlich über eine Zulassung von Zuschauern entscheiden muss. Ausgerechnet der Profifußball, der in den vergangenen Monaten so viele Freiheiten genießen durfte wie keine andere Branche, fordert nun also noch mehr Sonderbehandlungen.
Dass die UEFA und der DFB nach Kalkül vorgehen und nach dem größtmöglichen Gewinn streben, dürfte keinen überraschen. Dass aber die Politik diesem Druck nachgeben könnte, darf nicht sein. Allerdings haben acht der zwölf geplanten Ausrichterstädte den Willen der UEFA bereits erfüllt. St. Petersburg und Baku planen mit einer Stadionauslastung zur Hälfte, Budapest will die Puskas-Arena sogar komplett füllen. Und auch Bayerns Regierungschef Markus Söder scheint einer Öffnung der AllianzArena für Fans nicht mehr endgültig abgeneigt, um München trotz der fehlenden Zuschauer-Garantie im Kreis der Gastgeber bei der ersten paneuropäische Endrunde (11. Juni bis 11. Juli) zu belassen. „Je nach der Gesundheitslage“, sagte er nach seinem Treffen mit Ceferin in der vergangenen Woche, könne man über Zuschauer bei den Spielen sprechen.
Natürlich: Jeder, der den Fußball liebt, wünscht sich endlich wieder Fans in den Stadien. Und es spricht nichts gegen eine – zumindest teilweise – Rückkehr im Juni, sollten ein entsprechender Impffortschritt und eine gesunkene Inzidenz dies bis dahin zulassen. Doch muss der Infektionsschutz an oberster Stelle stehen. Kein Sportereignis der Welt ist es Wert, dass sich die Situation erneut verschlechtert.
München darf sich von UEFA nicht erpressen lassen. Weder die Stadt, noch der DFB haben bei einem Entzug der Spiele etwas zu verlieren. Selbst wenn das politische Zeichen nicht reicht und die bayrische Landeshauptstadt als Gastgeber ausscheidet, würde vor allem die UEFA für ihre Zuschauer-Forderung zur Unzeit in der Kritik stehen. Und auch sonst würde sich der Schaden in Grenzen halten. Der sonst bei sportlichen Großereignissen erhoffte Mehrwert für Wirtschaft, Gastronomie und Tourismus ist schon jetzt ausgeschlossen. Selbst im optimistischen Fall, dass in der Arena ein Fünftel bis ein Drittel der Kapazität genutzt werden darf, wird es in zwei Monaten kein klassisches Fußballfest in der Stadt geben.
München verliert nicht gerne, das ist verständlich. Doch ein Rückzug oder eine Streichung wäre keine Schmach. Deutschland hat die EM 2024 sicher, München ist dabei. Wenn man sich Rückgrat gegenüber der UEFA leisten kann, dann jetzt.