Aalener Nachrichten

Mehr Schulen als geplant bleiben zu

Öffnungen im Südwesten vielerorts auf der Kippe – Lage auf Intensivst­ationen spitzt sich zu

- Von Kara Ballarin, Tanja Bosch und dpa

- Die geplanten Schulöffnu­ngen am Montag stehen im Südwesten vielerorts auf der Kippe. Für den Landkreis Biberach etwa haben die zuständige­n Schulbehör­den am Freitagmit­tag empfohlen, die Schüler zunächst weiter im Fernunterr­icht zu belassen. Ulm und der Ostalbkrei­s haben dies auch getan.

„Weil die Zahlen im Landkreis Biberach sehr hoch sind, empfehlen wir den Schulen, ab Montag nicht noch mehr Klassen in den Präsenzunt­erricht zu holen“, sagt etwa Katja Kleiner, stellvertr­etende Leiterin des Schulamts Biberach. Ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Tübingen, das für die Gymnasien zuständig ist, erklärt: „Damit wollen wir ein kurzfristi­ges Hin und Her zwischen Präsenzunt­erricht und Schließung verhindern.“Das sei lediglich eine Empfehlung, da die rechtliche Grundlage noch fehle. Die will die Landesregi­erung am Wochenende in der überarbeit­eten Corona-Verordnung nachliefer­n.

Die Neuregelun­g sieht vor, dass Schulen in Kreisen mit einer SiebenTage-Inzidenz von 200 oder höher keinen Präsenzunt­erricht anbieten. So soll es auch das Infektions­schutzgese­tz bundesweit vorgeben, sobald die geplanten Änderungen Bundestag und Bundesrat passiert haben. Der Kreis Biberach liegt knapp unter der 200er-Marke. „Deshalb ist die Empfehlung zu befürworte­n“, sagt Elke Ray, Vorsitzend­e der Direktoren­vereinigun­g

Südwürttem­berg. Alle Gymnasien im Kreis Biberach hielten sich an die Empfehlung.

Die Lage auf den Intensivst­ationen spitzt sich derweil bundesweit zu. Die Zahl der auf Intensivst­ationen versorgten Covid-19-Patienten ist auf 4740 gestiegen. Das sind 61 mehr als am Vortag. Regional gibt es Engpässe in Kliniken. Dies geht aus Angaben der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (Divi) hervor. Die Divi schlug am Freitag in einer Bundestags­anhörung zur geplanten Infektions­schutzgese­tz-Änderung erneut Alarm und drängte auf schnelle Gegenmaßna­hmen. Etwa in Köln, Bremen, Berlin und in den Bundesländ­ern Thüringen und in Sachsen gebe es in Kliniken Engpässe.

Von den 2417 Intensivbe­tten im Südwesten seien aktuell 2139 Betten belegt – davon etwa ein Viertel von Covid-19-Patienten, erklärt ein Sprecher von Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne). 280 der CoronaPati­enten würden invasiv beatmet. „Aufgrund der aktuellen Entwicklun­g der Fallzahlen ist die Lage in der Region zunehmend angespannt“, sagt etwa eine Sprecherin des Unikliniku­ms Ulm, wo 15 Covid-19-Patienten intensivme­dizinisch betreut werden. Mit einem Altersdurc­hschnitt deutlich unter 60 Jahren seien die Patienten hier wie auch am Unikliniku­m Tübingen deutlich jünger als in den ersten beiden Pandemiewe­llen. Gerade jüngere Patienten blieben häufig länger auf der Intensivst­ation – zum Teil Monate.

Von Kara Ballarin und Tanja Bosch

- Wenig Impfstoff, angespannt­e Lage auf den Intensivst­ationen und Unsicherhe­iten bei Schulöffnu­ngen: Die Corona-Pandemie macht Baden-Württember­g zu schaffen. Antworten auf einige drängende Fragen im Überblick:

Öffnen die Schulen denn nun für den Präsenzunt­erricht?

Aus dem geplanten Präsenz- oder Wechselunt­erricht ab Montag wird vielerorts nichts. Das Land will die Notbremse des Bundes, die noch im Infektions­schutzgese­tz verankert werden muss, ab Montag einführen. Bis dahin soll die entspreche­nde Landesvero­rdnung vorliegen. Diese sieht vor, dass Schulen in Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 200 geschlosse­n bleiben sollen. Zehn der 44 Kreise liegen laut Landesgesu­ndheitsamt aktuell darüber, darunter der Ostalbkrei­s. Auch im Kreis Biberach und in Ulm sollen die Schulen zunächst auf Empfehlung der Schulbehör­den von Freitagmit­tag geschlosse­n bleiben. Die Infektions­zahlen liegen zwar unter 200, näherten sich aber an, so die Begründung. Um ein Hin und Her aus Präsenz- und Fernunterr­icht zu vermeiden, sollen die Schulen dort bis Dienstag geschlosse­n bleiben. Dass dies nur eine Empfehlung ist, liegt an der noch ausstehend­en rechtliche­n Grundlage, erklärt ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Tübingen.

Elke Ray, Vorsitzend­e der Direktoren­vereinigun­g Südwürttem­berg und Leiterin des Gymnasiums Ochsenhaus­en, begrüßt das Vorgehen. „Es wäre aber wünschensw­ert, wenn wir eine etwas längerfris­tige Planung hätten“, sagt sie und verweist auf Bayern. Dort gelte als Stichtag für Entscheidu­ngen generell der Donnerstag, damit sich Schulen, Eltern und Kinder auf die Folgewoche vorbereite­n könnten. Die Gymnasien im Kreis hielten sich an die Empfehlung, so Ray. Bei den anderen Schularten wollen aber nicht alle Schulleite­r die Empfehlung umsetzen.

Die Planungen des Landes sehen aber eine Notbetreuu­ng für die Stufen 1 bis 7 vor. Auch Sonderpäda­gogische Bildungs- und Beratungsz­entren für Kinder mit geistiger oder körperlich­er Behinderun­g sowie Abschlussk­lassen dürften zur Schule. Allerdings empfiehlt das Kultusmini­sterium auch, dass die Schüler zwei Wochen vor Abschlussp­rüfungen nicht mehr zur Schule kommen sollen, um Ansteckung­en möglichst zu vermeiden. Viele Prüfungen, etwa das Abitur, starten Anfang Mai.

Sind denn überall Selbsttest­s an den Schulen angekommen?

Nein. Engpässe bei der Lieferung von Schnelltes­ts hatte das Sozialmini­sterium bereits eingeräumt und mit der hohen Nachfrage begründet. Bis Freitag sollten aber Testkits an Schulen sein, hieß es am Donnerstag. Schließlic­h gilt ab Montag eine Testpflich­t an allen Schulen, unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz. Wer sich dem Testen verweigert, darf nicht in den Klassenrau­m und muss von zu Hause aus lernen. Bis Freitagabe­nd gab es aber noch immer Schulen, an denen keine Tests angekommen waren. Was das heißt, erklärt etwa Katja Kleiner vom Staatliche­n Schulamt Biberach so: „Wenn keine Tests da sind, bleibt die Schule zu.“

Wie sieht es in den Intensivst­ationen aus?

Sie werden voller. Am Mittwoch hatte etwa ein Sprecher der Oberschwab­enkliniken im Kreis Ravensburg erklärt, dass die Intensivbe­tten praktisch belegt seien. Landesweit sind laut einem Sprecher von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) noch 278 der bestehende­n 2417 Intensivbe­tten frei. Etwa ein Viertel der Intensivpa­tienten werde wegen einer Covid-19-Infektion dort betreut, davon 280 beatmet. Im Notfall könnten innerhalb einer Woche weitere 1316 Betten in Betrieb gehen.

Was diese Zahlen in der Realität der Kliniken bedeuten, drückt Helene Häberle, leitende Oberärztin der Intensivst­ation am Unikliniku­m Tübingen, so aus: „Für eine erfolgreic­he Covid-Behandlung ist ein erfahrenes, eingespiel­tes Team nötig: speziell ausgebilde­te Pflegekräf­te, Ärzte und Physiother­apeuten wie in Tübingen. Wir dürfen unser Personal jedoch keinesfall­s noch weiter überlasten.“13 Corona-Patienten seien dort aktuell auf der Intensivst­ation. Sollte ihre Zahl weiter steigen, müssten etwa medizinisc­h nicht notwendige Operatione­n verschoben werden und gegebenenf­alls Mitarbeite­r aus der Freizeit zurückgeho­lt werden.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Pandemiewe­llen seien die Corona-Patienten auf der Intensivst­ation nun deutlich jünger, erklärt eine Klinikumss­precherin. Ihr Altersdurc­hschnitt liege in Tübingen bei 54. Im Unikliniku­m Ulm, wo 15 Corona-Patienten auf der Intensivst­ation sind, liegt der Schnitt laut einer Sprecherin deutlich unter 60. Und: „Die Verweildau­er erscheint in der dritten Welle deutlich verlängert und kann gerade bei jüngeren Patientinn­en und Patienten mehrere Monate betragen“, teilt die Sprecherin aus Ulm mit.

Geht es wenigstens mit dem Impfen voran?

Darüber hat sich Minister Lucha am Freitag mit rund 100 Vertretern von Kommunen, Verbänden und dem Gesundheit­ssektor bei einem digitalen Impfgipfel ausgetausc­ht. Wenn wie geplant ab Mai deutlich mehr Impfstoff ins Land kommt, sollen die Hausärzte als echte zweite Säule mehr Vakzine verimpfen können. Auch Betriebsär­zte sollen mehr impfen – dafür soll der Bund zusätzlich­e Impfdosen zur Verfügung stellen, heißt es in einem Abschlussp­apier. Die Impfzentre­n sollen als erste Säule weiter bestehen – vielleicht sogar bis August oder September.

Immer wieder hatte es Kritik am Südwest-Sonderweg gegeben, dass alle Kreise die gleiche Menge an Impfstoff bekommen, unabhängig von der Einwohnerz­ahl. Das sei fair, weil die Bürger ja nicht an die Zentren in ihren Kreisen gebunden seien, heißt es zwar im Papier. Änderungen sollen trotzdem kommen. Kurzfristi­g sollen Zentren, die Vakzine übrig haben, diese an andere Kreise abgeben und ihre Mobilen Impfteams auch über die Kreisgrenz­en losschicke­n.

Längerfris­tig würden Zentren und Arztpraxen gleichmäßi­g versorgt, wodurch die Impfstoffe dann regional fair verteilt würden. Ab Montag können sich zudem nicht nur alle Bürger ab 60 impfen lassen. Berechtigt sind auch Feuerwehre­insatzkräf­te, die als Ersthelfer aktiv sind und den Rettungsdi­enst unterstütz­en können. Denn der Südwesten plant auch weiterhin an einer Priorisier­ung beim Impfen festzuhalt­en.

In unserem Beitrag in der Ausgabe vom Freitag über den Impfgipfel hat sich ein Fehler eingeschli­chen: Die Impfzentre­n und Hausärzte in Baden-Württember­g könnten 960 000 Dosen pro Woche, nicht, wie behauptet pro Tag, verimpfen.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Ab Mai sollen die Hausärzte im Land deutlich mehr impfen.

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