Merkel vor Kretschmann und Söder
Die Kanzlerin ist laut Politbarometer weiterhin die beliebteste Politikerin – Laschet in Umfragen weit zurück
(dpa/sz) - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist nach dem neuesten ZDF-Politbarometer hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bundesweit der beliebteste Politiker und liegt somit direkt vor seinem bayerischen Amtskollegen Markus Söder (CSU). Gut einen Monat nach dem historischen Erfolg der Grünen bei der Landtagswahl landete der 72-Jährige erstmals seit Längerem wieder auf der Liste der zehn wichtigsten Politiker im Land. Spannend ist die repräsentative Umfrage auch in Bezug auf die Kanzlerkandidatur: Söder liegt dort weit vor CDU-Chef Armin Laschet und den Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Dem ZDF zufolge liegt Merkel bei der Beurteilung nach Sympathie und Leistung („Was halten Sie von …?“) weiterhin auf Platz eins mit einem Durchschnitt von 1,9 auf der Skala von plus 5 bis minus 5. Kretschmann kommt als Neueinsteiger auf 1,6, es folgt CSU-Chef Söder mit 1,3. Auf Platz vier liegt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (0,9), danach folgen Habeck (0,8), SPDKanzlerkandidat Olaf Scholz (0,7) und Baerbock (0,6). NordrheinWestfalens Regierungschef Laschet kommt auf 0,1 vor Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/-0,1) und FDP-Chef Christian Lindner (-0,2).
Bei der Frage nach der Eignung für die Kanzlerschaft liegt Söder ebenfalls vorne: Den CSU-Vorsitzenden halten in der ZDF-Umfrage 63 Prozent aller Befragten und 84 Prozent der Unionsanhänger für kanzlertauglich. Laschet trauen das Amt nur 29 Prozent zu, in den eigenen Reihen 43 Prozent. Auch bei den Grünen ist die Besetzung der Spitzenposition noch offen. Eine Mehrheit spricht indes sowohl Habeck (ja: 29 Prozent; nein: 54 Prozent) als auch Baerbock (ja: 24 Prozent; nein: 57 Prozent) die Eignung für das Kanzleramt ab. In den eigenen Reihen erfahren beide jedoch klare Zustimmung: Habeck von 61 Prozent und Baerbock von 57 Prozent der Grünen-Anhänger.
In der Union ging der interne Machtkampf derweil auch am Freitag weiter.
- In Moskau betrachtet man die neuen US-Sanktionen auch als persönliche Beleidigung für Präsident Wladimir Putin. Aber heftige Gegenschläge sind fraglich.
Ein Großteil der Moskauer Wirtschaftsexperten atmete auf. Die Sanktionen, die die USA am Donnerstag gegen Russland verhängten, erschienen ihnen glimpflicher als erwartet. Zwar werden zehn russische Diplomaten ausgewiesen. Und unter anderem droht Personen und Unternehmen, die mit Hightech- und Rüstungsbranche in Russland zusammenarbeiten, das Einfrieren ihres Besitzes, auch namentlich genannten russischen Firmen, die russische Geheimdienste unterstützen.
Doch die USA haben Russland nicht aus dem internationalen Zahlungssystem Swift geworfen. Und die recht umstrittene Gasleitung Nord Stream 2 blieb unbehelligt. Die Sanktionen verbieten US-Investoren zwar, neu aufgelegte russische Staatsobligationen zu kaufen. Aber das gilt nicht für schon im Handel befindliche Wertpapiere. „Kein besonders schwerer Schlag für die russische Wirtschaft“, urteilt Dmitri Trawin, Politökonom der Europäischen Universität Sankt Petersburg gegenüber unserer Zeitung. Auch der Rubelkurs, der auf die Nachricht von den Sanktionen mit Verlusten von über 1,5 Prozent reagierte, erholte sich gestern wieder.
Das politische Russland aber reagierte erbost. Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, umschrieb die US-Sanktionen als „das, was sie da angerichtet haben“. Die russische Antwort werde „unabwendbar“
sein. In der staatlichen TVTalkshow „Abend mit Solowjow“diskutierten die Studiogäste, ob man Steve Segal, dem Wladimir Putin einen russischen Pass geschenkt hat, anstelle des Staatschefs zum Weltklimagipfel kommende Woche entsenden solle. Und ob man ein paar Panzer in Bewegung setzen müsse, um das Nachbarland Ukraine zu „befreien“.
Moskaus Establishment betrachtet Bidens neue Sanktionen vor allem als Affront, weil der US-Präsident seinem russischen Amtskollegen erst am Dienstag ein persönliches Treffen vorgeschlagen hatte. Überraschend, wenige Wochen vorher hatte er Putin noch als Mörder bezeichnet.
Und am Mittwoch wurde der amerikanische Botschafter in den Kreml zitiert, wo man ihm entschiedenste Reaktionen Russlands androhte, falls Biden doch noch Sanktionen erlassen werde.
Die Antwort kam prompt, ein direkter Schlag auch für Putins Ego. Um Bidens Gemeinheit deutlich zu machen, erklärte das Massenblatt „Moskowski Komsomolez“seiner Leserschaft eigens eine neue angelsächsische Vokabel: „Gaslighting“. Das sei eine Art Psychoterror, die das Opfer durch Hohn und Anschuldigungen dazu bringen solle, sich selbst für alles schuldig zu fühlen.
Aber Biden begründete seine Sanktionen auch mit den außenpolitischen Methoden Moskaus, das seit Jahren ganze Bataillone von Propagandisten, Internettrollen und Hackern einsetzt, um westliche Bürger und Wähler zu verunsichern. Während Putin öffentlich den USA und ihren Verbündeten die Gesamtschuld für die Verschlechterung der Beziehungen zuschiebt.
Jetzt ist er plötzlich selbst der Getrollte. Wie wird Moskau reagieren? Politökonom Trawin erwartet keinen heftigen Konter: „Maria Sacharowa hat schon mit vielen beleidigenden Worten über die Amerikaner geantwortet.“
Symmetrische Reaktionen wie ein Kaufverbot für amerikanische Staatsobligationen, in die Russland knapp 5,8 Milliarden Dollar investiert hat, werden den US-Markt kaum erschüttern. Allein Japan und China halten dort Staatsanleihen in Höhe von fast 2,4 Billionen Dollar. Mit dem militärischen Aufmarsch an der ukrainischen Grenze scheinen auch asymmetrische Drohgebärden ausgereizt, ein Schritt weiter bedeutete schon Krieg.
„Biden spielt exakt. Auf die schrecklichsten Sanktionen hat er verzichtet, dabei aber Moskau signalisiert, es könne noch viel schlimmer kommen“, sagt der russische Sicherheitsexperte Alexander Golz. Er glaubt, Moskau habe die Kriegsgefahr in der Ostukraine aufgebaut, um sich gegenüber dem Westen neuen Verhandlungsraum zu schaffen. Bidens Vorgehen sei zwar für Russland unangenehm, werde dort aber schon als Teil dieser Verhandlungen betrachtet. Kremlsprecher Dmitri Peskow ließ offen, ob und wann Putin Biden treffen wolle. Aber man stelle keine Vorbedingungen dafür.