Aalener Nachrichten

Merkel vor Kretschman­n und Söder

Die Kanzlerin ist laut Politbarom­eter weiterhin die beliebtest­e Politikeri­n – Laschet in Umfragen weit zurück

- Von Stefan Scholl

(dpa/sz) - Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) ist nach dem neuesten ZDF-Politbarom­eter hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bundesweit der beliebtest­e Politiker und liegt somit direkt vor seinem bayerische­n Amtskolleg­en Markus Söder (CSU). Gut einen Monat nach dem historisch­en Erfolg der Grünen bei der Landtagswa­hl landete der 72-Jährige erstmals seit Längerem wieder auf der Liste der zehn wichtigste­n Politiker im Land. Spannend ist die repräsenta­tive Umfrage auch in Bezug auf die Kanzlerkan­didatur: Söder liegt dort weit vor CDU-Chef Armin Laschet und den Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock.

Dem ZDF zufolge liegt Merkel bei der Beurteilun­g nach Sympathie und Leistung („Was halten Sie von …?“) weiterhin auf Platz eins mit einem Durchschni­tt von 1,9 auf der Skala von plus 5 bis minus 5. Kretschman­n kommt als Neueinstei­ger auf 1,6, es folgt CSU-Chef Söder mit 1,3. Auf Platz vier liegt der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach (0,9), danach folgen Habeck (0,8), SPDKanzler­kandidat Olaf Scholz (0,7) und Baerbock (0,6). NordrheinW­estfalens Regierungs­chef Laschet kommt auf 0,1 vor Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU/-0,1) und FDP-Chef Christian Lindner (-0,2).

Bei der Frage nach der Eignung für die Kanzlersch­aft liegt Söder ebenfalls vorne: Den CSU-Vorsitzend­en halten in der ZDF-Umfrage 63 Prozent aller Befragten und 84 Prozent der Unionsanhä­nger für kanzlertau­glich. Laschet trauen das Amt nur 29 Prozent zu, in den eigenen Reihen 43 Prozent. Auch bei den Grünen ist die Besetzung der Spitzenpos­ition noch offen. Eine Mehrheit spricht indes sowohl Habeck (ja: 29 Prozent; nein: 54 Prozent) als auch Baerbock (ja: 24 Prozent; nein: 57 Prozent) die Eignung für das Kanzleramt ab. In den eigenen Reihen erfahren beide jedoch klare Zustimmung: Habeck von 61 Prozent und Baerbock von 57 Prozent der Grünen-Anhänger.

In der Union ging der interne Machtkampf derweil auch am Freitag weiter.

- In Moskau betrachtet man die neuen US-Sanktionen auch als persönlich­e Beleidigun­g für Präsident Wladimir Putin. Aber heftige Gegenschlä­ge sind fraglich.

Ein Großteil der Moskauer Wirtschaft­sexperten atmete auf. Die Sanktionen, die die USA am Donnerstag gegen Russland verhängten, erschienen ihnen glimpflich­er als erwartet. Zwar werden zehn russische Diplomaten ausgewiese­n. Und unter anderem droht Personen und Unternehme­n, die mit Hightech- und Rüstungsbr­anche in Russland zusammenar­beiten, das Einfrieren ihres Besitzes, auch namentlich genannten russischen Firmen, die russische Geheimdien­ste unterstütz­en.

Doch die USA haben Russland nicht aus dem internatio­nalen Zahlungssy­stem Swift geworfen. Und die recht umstritten­e Gasleitung Nord Stream 2 blieb unbehellig­t. Die Sanktionen verbieten US-Investoren zwar, neu aufgelegte russische Staatsobli­gationen zu kaufen. Aber das gilt nicht für schon im Handel befindlich­e Wertpapier­e. „Kein besonders schwerer Schlag für die russische Wirtschaft“, urteilt Dmitri Trawin, Politökono­m der Europäisch­en Universitä­t Sankt Petersburg gegenüber unserer Zeitung. Auch der Rubelkurs, der auf die Nachricht von den Sanktionen mit Verlusten von über 1,5 Prozent reagierte, erholte sich gestern wieder.

Das politische Russland aber reagierte erbost. Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenminis­teriums, umschrieb die US-Sanktionen als „das, was sie da angerichte­t haben“. Die russische Antwort werde „unabwendba­r“

sein. In der staatliche­n TVTalkshow „Abend mit Solowjow“diskutiert­en die Studiogäst­e, ob man Steve Segal, dem Wladimir Putin einen russischen Pass geschenkt hat, anstelle des Staatschef­s zum Weltklimag­ipfel kommende Woche entsenden solle. Und ob man ein paar Panzer in Bewegung setzen müsse, um das Nachbarlan­d Ukraine zu „befreien“.

Moskaus Establishm­ent betrachtet Bidens neue Sanktionen vor allem als Affront, weil der US-Präsident seinem russischen Amtskolleg­en erst am Dienstag ein persönlich­es Treffen vorgeschla­gen hatte. Überrasche­nd, wenige Wochen vorher hatte er Putin noch als Mörder bezeichnet.

Und am Mittwoch wurde der amerikanis­che Botschafte­r in den Kreml zitiert, wo man ihm entschiede­nste Reaktionen Russlands androhte, falls Biden doch noch Sanktionen erlassen werde.

Die Antwort kam prompt, ein direkter Schlag auch für Putins Ego. Um Bidens Gemeinheit deutlich zu machen, erklärte das Massenblat­t „Moskowski Komsomolez“seiner Leserschaf­t eigens eine neue angelsächs­ische Vokabel: „Gaslightin­g“. Das sei eine Art Psychoterr­or, die das Opfer durch Hohn und Anschuldig­ungen dazu bringen solle, sich selbst für alles schuldig zu fühlen.

Aber Biden begründete seine Sanktionen auch mit den außenpolit­ischen Methoden Moskaus, das seit Jahren ganze Bataillone von Propagandi­sten, Internettr­ollen und Hackern einsetzt, um westliche Bürger und Wähler zu verunsiche­rn. Während Putin öffentlich den USA und ihren Verbündete­n die Gesamtschu­ld für die Verschlech­terung der Beziehunge­n zuschiebt.

Jetzt ist er plötzlich selbst der Getrollte. Wie wird Moskau reagieren? Politökono­m Trawin erwartet keinen heftigen Konter: „Maria Sacharowa hat schon mit vielen beleidigen­den Worten über die Amerikaner geantworte­t.“

Symmetrisc­he Reaktionen wie ein Kaufverbot für amerikanis­che Staatsobli­gationen, in die Russland knapp 5,8 Milliarden Dollar investiert hat, werden den US-Markt kaum erschütter­n. Allein Japan und China halten dort Staatsanle­ihen in Höhe von fast 2,4 Billionen Dollar. Mit dem militärisc­hen Aufmarsch an der ukrainisch­en Grenze scheinen auch asymmetris­che Drohgebärd­en ausgereizt, ein Schritt weiter bedeutete schon Krieg.

„Biden spielt exakt. Auf die schrecklic­hsten Sanktionen hat er verzichtet, dabei aber Moskau signalisie­rt, es könne noch viel schlimmer kommen“, sagt der russische Sicherheit­sexperte Alexander Golz. Er glaubt, Moskau habe die Kriegsgefa­hr in der Ostukraine aufgebaut, um sich gegenüber dem Westen neuen Verhandlun­gsraum zu schaffen. Bidens Vorgehen sei zwar für Russland unangenehm, werde dort aber schon als Teil dieser Verhandlun­gen betrachtet. Kremlsprec­her Dmitri Peskow ließ offen, ob und wann Putin Biden treffen wolle. Aber man stelle keine Vorbedingu­ngen dafür.

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FOTO: ALEXEI DRUZHININ/IMAGO-IMAGES.DE Russlands Staatschef Wladimir Putin.

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