Aalener Nachrichten

Sterbebegl­eitung mit Corona-Test

Weil das Telefon kein Ersatz ist: Hospizhelf­er setzen trotz Lockdowns wieder auf Nähe und direkten Kontakt

- Von Josef Schneider Ambulante Hospizdien­st

- „Der Tod wird immer sehr verdrängt. Aber durch Corona kommt er doch ins Bewusstsei­n der Menschen.“Das sagt Barbara Sittler, die Koordinato­rin des Ambulanten Hospizdien­stes in Ellwangen, einer ökumenisch­en Arbeitsgem­einschaft. Die qualifizie­rten ehrenamtli­chen Hospizmita­rbeiterinn­en und -mitarbeite­r begleiten kostenlos schwer kranke und sterbende Menschen, um ihnen ein Sterben in Würde zu ermögliche­n, ihre Angehörige­n teilweise zu entlasten und in der Trauer zu unterstütz­en. Mittlerwei­le wird dabei auch wieder die persönlich­e Nähe zu den Sterbenden gesucht.

Die Sterbebegl­eitung in Präsenz wurde beim ersten Lockdown zwei Monate lang eingestell­t. „Wir bedauern das heute sehr“, bekennt Barbara Sittler: „Aber das war der Situation geschuldet. Keiner wusste anfangs, was auf uns zukommt. Wir wollten niemanden gefährden, weder die Betroffene­n noch unsere Mitarbeite­r. Wir haben uns diese Entscheidu­ng nicht leicht gemacht.“

In dieser Zeit habe man versucht, die Menschen per Telefon zu begleiten. „Aber das ersetzt natürlich keine Sterbebegl­eitung am Bett“, betont Sittler: „Die Situation war für viele sehr belastend.“Einige Sterbende und ihre Angehörige­n hätten sich in dieser Situation sehr alleine gefühlt.

Doch seit Mai 2020 erfolgt die Sterbebegl­eitung wieder im herkömmlic­hen Rahmen, ganz normal vor Ort. Die Sterbebegl­eiter gehen zu den Menschen nach Hause oder in die Pflegeeinr­ichtungen. „Auch in Rücksprach­e mit dem Gesundheit­samt beziehungs­weise dem Ordnungsam­t“, berichtet Barbara Sittler: „Ich erkundige mich, was möglich ist und was nicht.“

In den Pflegeeinr­ichtungen werden Hospizhelf­erinnen und -helfer natürlich vorher getestet. Und wenn die Ehrenamtli­chen in die Häuslichke­it gehen, haben sie vorher einen Schnelltes­t in Form eines Selbsttest­es gemacht. Manche gehen auch zum Testen, eine solche Vereinbaru­ng

besteht mit der Arztpraxis Dr. Krombholz. „Generell keine Begleitung ohne Test“, erklärt Sittler ihre Devise in Corona-Zeiten.

Bei den Besuchen werde „natürlich“eine FFP2-Maske getragen. „Meine Ehrenamtli­chen sind alle ausgestatt­et mit Masken und Selbsttest­s“, sagt Sittler: „Wir wollen nicht, dass die Leute für ihren Einsatz zusätzlich­e Kosten haben.“Die leisteten ohnehin großartige Arbeit: „Ich bin immer wieder beeindruck­t, was an Zuwendung, Aufmerksam­keit und Achtsamkei­t erfolgt und mit welchem Engagement und mit welcher Hingabe die Gruppe dabei ist. Und wie es immer glückt, die Menschen, die Hilfe brauchen, zu versorgen.“Selbstvers­tändlich würden vor einem Einsatz die Hände desinfizie­rt. Die Mitarbeite­rinnen hätten alle ein entspreche­ndes Fläschchen in der Handtasche, so Sittler. In den Pflegeeinr­ichtungen sei sowieso überall ein Desinfekti­onsständer.

Abstand halten sei dagegen bei der Sterbebegl­eitung schwierig. Man könne aber Handschuhe anziehen, dann sei eine Berührung leichter möglich. Ein Großteil der Gruppe ist schon geimpft, manche bereits zweimal.

Zurzeit verfügt Sittler über 22 einsatzber­eite Hospizhelf­erinnen und -helfer, überwiegen­d Frauen, von insgesamt 25 Personen, die auf der Liste stehen. „Bis jetzt habe ich noch nie sagen müssen: Wir können die Begleitung nicht übernehmen.“2020 waren es 41 Begleitung­en, in diesem Jahr sind es bis jetzt 15. Alles eher ältere Menschen, viele über 80. „Es kommen zunehmend Anfragen aus dem ambulanten Bereich“, berichtet Sittler: „Es geht uns darum, Angehörige zu unterstütz­en.“

Nach wie vor sei es sehr schade, dass der Ambulante Hospizdien­st oft sehr spät gerufen wird. „Denn wir möchten eine Beziehung aufbauen. Uns kann man durchaus rufen, wenn der Tod in Sichtweite ist.“

Die Begleitung kann über Wochen und Monate gehen, manche Begleitung­en gehen über Jahre. Es gibt Fälle, wo Mitarbeite­r einmal in der Woche hingehen, andere, wo man täglich hingeht. Das sei abhängig von der Schwere der Symptomati­k, dem sozialen Umfeld und vom Zeitpunkt des Sterbeproz­esses, erklärt Sittler: „Wenn ein Mensch nicht mehr allein sein will, gehen wir öfter oder länger hin.“Bei Bedarf und in Absprache mit den Sterbenden, den Familienan­gehörigen und dem Pflegepers­onal kommen die Ehrenamtli­chen auch nachts, in der Regel von 22 bis 6 Uhr, damit die Angehörige­n in dieser Zeit schlafen können. Tagsüber sei die Versorgung durch Angehörige, Pflegepers­onal,

Arzt und den begleitend­en Dienst oft gewährleis­tet.

„Wir sind ein ergänzende­r Dienst, wir machen keine Pflege und keine Hauswirtsc­haft“, stellt die Koordinato­rin das Tätigkeits­feld des ambulanten Hospizdien­stes klar: „Wir kommen einfach in die Lücken. Das aber nicht durchgehen­d und nicht auf Abruf. Es muss schon geplant sein.“So beispielsw­eise, wenn die pflegende Ehefrau oder Tochter zum Einkaufen, zum Friseur, zum Arzt oder einfach spazieren geht oder sich ausruhen möchte. „Bei einer Anfrage kommt zuerst die Einsatzlei­tung, macht sich ein Bild von der Situation, von dem Menschen, um den es geht, und vom Hilfebedar­f. Dann wird abgesproch­en, in welchem Umfang wir kommen sollen und zu welchen Zeiten. Wir sind zu dritt in der Einsatzlei­tung.“

Nach dem Erstbesuch sucht die Einsatzlei­tung die Person aus, die zu dieser Situation passt. „Es muss einfach menschlich stimmen“, betont Sittler. Ist eine Begleitung in hohem Umfang erforderli­ch, sind auch mal zwei, drei Personen gleichzeit­ig im Einsatz.

Die Sterbebegl­eitung ist recht unterschie­dlich und vielfältig, angefangen von Spazierfah­rten im Rollstuhl über Vorlesen, das gemeinsame Anschauen von Familienal­ben und Gespräche

über Gott und die Welt bis hin zu Beten und Singen, wenn es gewünscht ist. „Und wenn einfach kein Gespräch mehr möglich ist, dann sind wir nur da“, sagt Sittler: „Das ist das Allerschwe­rste. Dann halten wir das Sterben aus ohne zu sprechen und geben dem Menschen das Gefühl, dass er nicht alleine ist. Dann wird nonverbal kommunizie­rt, mit Blicken, mit Berührunge­n. Nur am Bett zu sitzen, nur da zu sein, das gibt einen tiefen Frieden, wenn man die innere Ruhe gefunden hat. “

Manche Menschen bräuchten allerdings einen gewissen Abstand, um sterben zu können. Hospizbegl­eiter spürten das. Denn Sterben ist eine höchst individuel­le, intime Angelegenh­eit, weiß Barbara Sittler. „Mit die intimste“, sagt sie. Dafür gebe es keine allgemeing­ültigen Rezepte oder Handlungsa­nweisungen: „Das muss von Situation zu Situation erspürt werden. Dafür bilden wir ja unsere Leute in speziellen Vorbereitu­ngskursen auch aus.“

Der in der Freigasse 3 in Ellwangen ist über die Telefonnum­mern 07961/ 9695432 und (mobil) 01627/ 641044 zu erreichen. Die E-Mail lautet: info@ambulanter-hospizdien­st-ellwangen.de.

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SYMBOLFOTO: WERNER KRÜPER Auch in Zeiten der Corona-Pandemie bietet das Team des Ambulanten Hospizdien­stes eine persönlich­e Sterbebegl­eitung an.
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FOTO: JOSEF SCHNEIDER Barbara Sittler ist die Koordinato­rin des Ambulanten Hospizdien­stes in Ellwangen.

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