Sterbebegleitung mit Corona-Test
Weil das Telefon kein Ersatz ist: Hospizhelfer setzen trotz Lockdowns wieder auf Nähe und direkten Kontakt
- „Der Tod wird immer sehr verdrängt. Aber durch Corona kommt er doch ins Bewusstsein der Menschen.“Das sagt Barbara Sittler, die Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes in Ellwangen, einer ökumenischen Arbeitsgemeinschaft. Die qualifizierten ehrenamtlichen Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter begleiten kostenlos schwer kranke und sterbende Menschen, um ihnen ein Sterben in Würde zu ermöglichen, ihre Angehörigen teilweise zu entlasten und in der Trauer zu unterstützen. Mittlerweile wird dabei auch wieder die persönliche Nähe zu den Sterbenden gesucht.
Die Sterbebegleitung in Präsenz wurde beim ersten Lockdown zwei Monate lang eingestellt. „Wir bedauern das heute sehr“, bekennt Barbara Sittler: „Aber das war der Situation geschuldet. Keiner wusste anfangs, was auf uns zukommt. Wir wollten niemanden gefährden, weder die Betroffenen noch unsere Mitarbeiter. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht.“
In dieser Zeit habe man versucht, die Menschen per Telefon zu begleiten. „Aber das ersetzt natürlich keine Sterbebegleitung am Bett“, betont Sittler: „Die Situation war für viele sehr belastend.“Einige Sterbende und ihre Angehörigen hätten sich in dieser Situation sehr alleine gefühlt.
Doch seit Mai 2020 erfolgt die Sterbebegleitung wieder im herkömmlichen Rahmen, ganz normal vor Ort. Die Sterbebegleiter gehen zu den Menschen nach Hause oder in die Pflegeeinrichtungen. „Auch in Rücksprache mit dem Gesundheitsamt beziehungsweise dem Ordnungsamt“, berichtet Barbara Sittler: „Ich erkundige mich, was möglich ist und was nicht.“
In den Pflegeeinrichtungen werden Hospizhelferinnen und -helfer natürlich vorher getestet. Und wenn die Ehrenamtlichen in die Häuslichkeit gehen, haben sie vorher einen Schnelltest in Form eines Selbsttestes gemacht. Manche gehen auch zum Testen, eine solche Vereinbarung
besteht mit der Arztpraxis Dr. Krombholz. „Generell keine Begleitung ohne Test“, erklärt Sittler ihre Devise in Corona-Zeiten.
Bei den Besuchen werde „natürlich“eine FFP2-Maske getragen. „Meine Ehrenamtlichen sind alle ausgestattet mit Masken und Selbsttests“, sagt Sittler: „Wir wollen nicht, dass die Leute für ihren Einsatz zusätzliche Kosten haben.“Die leisteten ohnehin großartige Arbeit: „Ich bin immer wieder beeindruckt, was an Zuwendung, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erfolgt und mit welchem Engagement und mit welcher Hingabe die Gruppe dabei ist. Und wie es immer glückt, die Menschen, die Hilfe brauchen, zu versorgen.“Selbstverständlich würden vor einem Einsatz die Hände desinfiziert. Die Mitarbeiterinnen hätten alle ein entsprechendes Fläschchen in der Handtasche, so Sittler. In den Pflegeeinrichtungen sei sowieso überall ein Desinfektionsständer.
Abstand halten sei dagegen bei der Sterbebegleitung schwierig. Man könne aber Handschuhe anziehen, dann sei eine Berührung leichter möglich. Ein Großteil der Gruppe ist schon geimpft, manche bereits zweimal.
Zurzeit verfügt Sittler über 22 einsatzbereite Hospizhelferinnen und -helfer, überwiegend Frauen, von insgesamt 25 Personen, die auf der Liste stehen. „Bis jetzt habe ich noch nie sagen müssen: Wir können die Begleitung nicht übernehmen.“2020 waren es 41 Begleitungen, in diesem Jahr sind es bis jetzt 15. Alles eher ältere Menschen, viele über 80. „Es kommen zunehmend Anfragen aus dem ambulanten Bereich“, berichtet Sittler: „Es geht uns darum, Angehörige zu unterstützen.“
Nach wie vor sei es sehr schade, dass der Ambulante Hospizdienst oft sehr spät gerufen wird. „Denn wir möchten eine Beziehung aufbauen. Uns kann man durchaus rufen, wenn der Tod in Sichtweite ist.“
Die Begleitung kann über Wochen und Monate gehen, manche Begleitungen gehen über Jahre. Es gibt Fälle, wo Mitarbeiter einmal in der Woche hingehen, andere, wo man täglich hingeht. Das sei abhängig von der Schwere der Symptomatik, dem sozialen Umfeld und vom Zeitpunkt des Sterbeprozesses, erklärt Sittler: „Wenn ein Mensch nicht mehr allein sein will, gehen wir öfter oder länger hin.“Bei Bedarf und in Absprache mit den Sterbenden, den Familienangehörigen und dem Pflegepersonal kommen die Ehrenamtlichen auch nachts, in der Regel von 22 bis 6 Uhr, damit die Angehörigen in dieser Zeit schlafen können. Tagsüber sei die Versorgung durch Angehörige, Pflegepersonal,
Arzt und den begleitenden Dienst oft gewährleistet.
„Wir sind ein ergänzender Dienst, wir machen keine Pflege und keine Hauswirtschaft“, stellt die Koordinatorin das Tätigkeitsfeld des ambulanten Hospizdienstes klar: „Wir kommen einfach in die Lücken. Das aber nicht durchgehend und nicht auf Abruf. Es muss schon geplant sein.“So beispielsweise, wenn die pflegende Ehefrau oder Tochter zum Einkaufen, zum Friseur, zum Arzt oder einfach spazieren geht oder sich ausruhen möchte. „Bei einer Anfrage kommt zuerst die Einsatzleitung, macht sich ein Bild von der Situation, von dem Menschen, um den es geht, und vom Hilfebedarf. Dann wird abgesprochen, in welchem Umfang wir kommen sollen und zu welchen Zeiten. Wir sind zu dritt in der Einsatzleitung.“
Nach dem Erstbesuch sucht die Einsatzleitung die Person aus, die zu dieser Situation passt. „Es muss einfach menschlich stimmen“, betont Sittler. Ist eine Begleitung in hohem Umfang erforderlich, sind auch mal zwei, drei Personen gleichzeitig im Einsatz.
Die Sterbebegleitung ist recht unterschiedlich und vielfältig, angefangen von Spazierfahrten im Rollstuhl über Vorlesen, das gemeinsame Anschauen von Familienalben und Gespräche
über Gott und die Welt bis hin zu Beten und Singen, wenn es gewünscht ist. „Und wenn einfach kein Gespräch mehr möglich ist, dann sind wir nur da“, sagt Sittler: „Das ist das Allerschwerste. Dann halten wir das Sterben aus ohne zu sprechen und geben dem Menschen das Gefühl, dass er nicht alleine ist. Dann wird nonverbal kommuniziert, mit Blicken, mit Berührungen. Nur am Bett zu sitzen, nur da zu sein, das gibt einen tiefen Frieden, wenn man die innere Ruhe gefunden hat. “
Manche Menschen bräuchten allerdings einen gewissen Abstand, um sterben zu können. Hospizbegleiter spürten das. Denn Sterben ist eine höchst individuelle, intime Angelegenheit, weiß Barbara Sittler. „Mit die intimste“, sagt sie. Dafür gebe es keine allgemeingültigen Rezepte oder Handlungsanweisungen: „Das muss von Situation zu Situation erspürt werden. Dafür bilden wir ja unsere Leute in speziellen Vorbereitungskursen auch aus.“
Der in der Freigasse 3 in Ellwangen ist über die Telefonnummern 07961/ 9695432 und (mobil) 01627/ 641044 zu erreichen. Die E-Mail lautet: info@ambulanter-hospizdienst-ellwangen.de.