Aalener Nachrichten

Mord aus Heimtücke

Landgerich­t: Psychisch kranker Täter wird zu einer Freiheitss­trafe von 13 Jahren verurteilt

- Von Josef Schneider

- Ein 45-jähriger Mann aus Schwäbisch Gmünd ist am Mittwoch vor dem Landgerich­t Ellwangen wegen Mordes zu einer Freiheitss­trafe von 13 Jahren verurteilt worden. Der psychisch kranke Angeklagte, ein 45 Jahre alter, in Deutschlan­d geborener Türke, hatte im Oktober 2020 eine 61 Jahre alte Angestellt­e in einer Werkstatt für Menschen mit psychische­r Behinderun­g in Waldstette­n mit drei Messerstic­hen in ihrem Büro getötet. Das Gericht nahm bei dem geständige­n Angeklagte­n eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit an und ordnete die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s an. Der Mann leidet seit mehr als 20 Jahren an einer paranoiden Schizophre­nie und war zur Tatzeit in seiner Steuerungs­fähigkeit erheblich eingeschrä­nkt.

Die Tragödie habe Mitte der 90er Jahre begonnen, als der Angeklagte von einer heimtückis­chen Krankheit heimgesuch­t worden ist, die ihn sein ganzes Leben begleiten sollte, sagte der Vorsitzend­e Richter Bernhard Fritsch in der Urteilsbeg­ründung.

Im August 2010 hatte der heute 45-Jährige in Aalen schon einmal grundlos mit einem Messer auf eine andere Person eingestoch­en. Das Opfer, ein Mann, konnte nur durch eine Notoperati­on gerettet werden. Damals sprach das Landgerich­t Ellwangen den Täter zwar vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung frei und wies ihn aber ins Zentrum für Psychiatri­e in Bad Schussenri­ed ein. 2015 wurde er von dort entlassen. Seit 2017 arbeitete er in der Werkstatt in Waldstette­n.

„Sie haben ein Geständnis abgelegt“, so Fritsch: „Von Reue getragen war es nicht. Ein klares Bekenntnis, dass es Ihnen leid tut, haben wir nicht gehört.“Die Tat in Waldstette­n passierte, weil der Angeklagte ab Februar 2020 eigenmächt­ig seine Medikament­e abgesetzt hatte und die 61-jährige Betreuerin, als sie dies erfuhr, ihm am 6. und 14. Oktober klarmachte, dass er ohne die Einnahme seiner Psychophar­maka nicht in der Werkstatt arbeiten könne.

Auffälligk­eiten waren zunehmend ab dem Sommer 2020 bemerkt worden. Es kam dabei zu verbalen Entgleisun­gen und körperlich­en Übergriffe­n. „Das ist ein seelisch kranker Mensch“, sagte Bernhard Fritsch in der Urteilsbeg­ründung.

Der Angeklagte sei geplant vorgegange­n und habe heimtückis­ch gehandelt. Das Tatwerkzeu­g, ein Taschenmes­ser, das er zwei Tage vor der Tat in einem Haushaltsw­arengeschä­ft in Schwäbisch Gmünd gekauft hatte, hatte er, versteckt in einem Rucksack, zur Tat am 14. Oktober mitgebrach­t.

Die Getötete sei „ein völlig unschuldig­es, argloses Opfer“gewesen, das ihm nichts getan habe, so der Richter: „Wir sind überzeugt davon, dass die Krankheit, die Paranoia, die Psychose in erhebliche­m Umfang wirksam war.“Die Grunderkra­nkung sei bei dem Angeklagte­n in den vergangene­n Jahren trotz hoher Dosis an Neurolepti­ka immer wieder aufgeflack­ert.

„Das Urteil bedeutet, dass Sie sehr lange im Gefängnis und in der Psychiatri­e sein werden“, sagte Fritsch zu dem Angeklagte­n. Gleichzeit­ig riet er ihm, seine Medikament­e einzunehme­n, um ein Stück weit zur Normalität zu kommen und Stück für Stück in der Psychiatri­e in ein lebenswert­es Leben zurückzuke­hren. Denn: Aufgrund seiner Erkrankung sei der Angeklagte hoch gefährlich. Den Schutz der Gesellscha­ft stellte Fritsch dabei in den Vordergrun­d.

Mit dem Urteil folgte das Gericht den Anträgen von Staatsanwa­lt Jens Weise, der eine Freiheitss­trafe von 13 Jahren und die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s gefordert hatte. Der Angeklagte habe aus Rache über die Entscheidu­ng der 61-Jährigen gehandelt, so der Staatsanwa­lt: „Von Heimtücke gehe ich aus.“Vom Angeklagte­n seien, wenn dieser nicht behandelt werde, erhebliche weitere schwere Straftaten ernsthaft zu befürchten.

Der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwa­lt Robin Schmid aus Schwäbisch Gmünd, der die Tochter der Getöteten vertrat, wollte eine Freiheitss­trafe von 14 Jahren. „Der Angeklagte hat viel geredet und nichts gesagt“, warf Schmid dem 45Jährigen vor: „Sie sind ein hochgefähr­licher Mensch, eine Gefahr für die Allgemeinh­eit.“

Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Timo Fuchs aus Ellwangen, stellte die Höhe der zeitigen Freiheitss­trafe in das Ermessen des Gerichts. Ziel seines Mandanten im Prozess sei gewesen, er wolle nicht in die Psychiatri­e. Fuchs setzte sich mit dem Gutachten des psychiatri­schen Sachverstä­ndigen auseinande­r. „Da war sehr viel Konjunktiv dabei“, sagte der Anwalt und sprach von einer „wachsweich­en Abschlussb­eurteilung“. Fuchs fand, eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit beim Angeklagte­n sei nicht ausschließ­bar. Eine Sicherungs­verwahrung stellte er unter Vorbehalt.

Der psychiatri­sche Sachverstä­ndige, Facharzt für Psychiatri­e und Forensisch­e Psychiatri­e, Dr. Peter

Winckler aus Tübingen, hatte den unter anderem wegen Vergehen gegen das Betäubungs­mittelgese­tz vorbestraf­ten Angeklagte­n als ausgesproc­hen emotions- und empathielo­sen Menschen geschilder­t, der vordergrün­dig freundlich und kooperativ sei. Ihm gegenüber habe er sich als hart, aber gerecht, als Vernunftun­d Familienme­nsch und als ein sehr sensibler Mensch dargestell­t. Winckler sprach von einer „ungewöhnli­chen und wirklich einzigarti­gen Fallkonste­llation“in seiner bisherigen berufliche­n Laufbahn, in der er über 2000 Gutachten erstellt habe, darunter 500 bis 700 Gutachten mit einem Tötungsdel­ikt. Denn der Angeklagte habe zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt werden wollen.

Als der Angeklagte, der sich mit wissenscha­ftlichen Themen, mit Poesie und Philosophi­e befasse, ihm sein Anliegen mitgeteilt habe, als voll zurechnung­sfähig verurteilt zu werden, so der Sachverstä­ndige, „habe ich geschluckt“. Der Sachverstä­ndige sah dissoziale und narzisstis­che Charakterz­üge mit Ich-Bezogenhei­t und Neigung zur Selbstüber­schätzung und hatte keine Zweifel, dass der Angeklagte psychotisc­h ist, ebenso wenig an der Diagnose einer schweren Schizophre­nie. Seine langjährig­e Drogenprob­lematik jedoch sei zum Stillstand gekommen. „Für eine Schuldunfä­higkeit gibt es keinerlei Anhaltspun­kte“, sagte Winckler.

Als Tatmotive nannte er Verärgerun­g, Wut, Frust und Enttäuschu­ng. Das Verhalten der Getöteten bei der Aussprache sei bei ihm als „Kränkung“angekommen. Der Angeklagte sei ein kranker Mensch, der Behandlung brauche.

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FOTO: Am Mittwoch wurde ein 45 Jahre alter Mann aus Schwäbisch Gmünd wegen Mordes zu einer Freiheitss­trafe von 13 Jahren verurteilt. Der psychisch kranke Angeklagte (Zweiter von inks) hatte im Oktober des vergangene­n Jahres die Angestellt­e einer Behinderte­neinrichtu­ng mit drei Messerstic­hen umgebracht. Unser Bild entstand zun Prozessauf­takt.

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