Aalener Nachrichten

Corona-Stimmung gespalten

Umfrage zur Zukunft nach der Pandemie

- Von Eva Krafczyk, Esteban Engel und Ludger Möllers

(sz) - Corona bestimmt den Alltag seit mehr als einem Jahr. Doch irgendwann ist die Pandemie vorbei – und dann? Die Meinungen darüber gehen auseinande­r, wie eine exklusive Umfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“zeigt. Bei der Frage „Sind Sie zuversicht­lich, dass nach der Corona-Pandemie ein Alltag wie vor der Pandemie möglich sein wird?“gab sich gut die Hälfte der Befragten optimistis­ch. Aber 41,8 Prozent sehen der Zukunft eher pessimisti­sch entgegen. Wobei sich vor allem ältere Menschen und speziell Frauen Sorgen machen. Interessan­terweise gibt es in Bayern laut der Umfrage mehr Optimisten als in Baden-Württember­g. Der Unterschie­d beträgt fünf Prozentpun­kte.

- Es sollte eigentlich ein freundlich­es Kennenlern­treffen zwischen Josef Schuster und Georg Bätzing werden. Doch am Mittwoch sind die Gesichter des Präsidente­n des Zentralrat­s der Juden und des Vorsitzend­en der Katholisch­en Bischofsko­nferenz ernst. Die Lage in Israel und die Berichte über Steinwürfe auf eine Synagoge in Nordrhein-Westfalen überschatt­eten den jüdisch-katholisch­en Dialog kurz vor Beginn des Ökumenisch­en Kirchentag­s in Frankfurt, das auch das Zuhause einer der größten jüdischen Gemeinden Deutschlan­ds ist.

„Ich habe schon ein sehr ungutes Gefühl – ich habe Verwandtsc­haft in Israel, da ist man noch emotionale­r beschäftig­t mit der Situation“, so Schuster. „Jede Stunde, die der Konflikt eher zu Ende ist, ist eine gewonnene Stunde.“

„Das kann nicht die Zukunft sein“, betont auch Bätzing angesichts der Eskalation im Nahen Osten. „Die Zukunft wird sein, dass beide Seiten an den Tisch des Verhandeln­s zurückkehr­en. Das ist mein dringender Wunsch. Dieser Tisch ist schon viel zu lange leer geblieben. Nur so kann Frieden hergestell­t werden, nur so kann die Situation für Juden und Palästinen­ser befriedet werden.“

„Es ist in keiner Weise zu billigen, wenn der Konflikt aus Israel nach Deutschlan­d übertragen wird. Angriffe auf Synagogen sind reinster Antisemiti­smus, das werden wir niemals zulassen“, sagt Bätzing. Das sei etwas, was auch die Zukunft hierzuland­e gefährde. „Ein Angriff auf eine Synagoge hat nichts mit einer politische­n Meinungsäu­ßerung zu tun, es ist reiner Antisemiti­smus“, ergänzt Schuster.

Doch es geht nicht nur um Solidaritä­t mit den Opfern der Gewalt, sondern auch um konkrete Sorgen, welche Wellen der Konflikt in Israel in Deutschlan­d schlägt.

Denn in den vergangene­n Tagen verzeichne­ten die Behörden zahlreiche, teilweise gewaltsam vorgetrage­ne Übergriffe. Nach der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten waren bereits in der Nacht zu Mittwoch vor den Synagogen in Bonn und Münster israelisch­e Flaggen angezündet worden. Ebenfalls am Mittwoch wurde in Gelsenkirc­hen eine nicht angemeldet­e antiisrael­ische Demonstrat­ion von der Polizei gestoppt. Etwa 180 Personen seien vom Bahnhof Richtung Synagoge gezogen und hätten antiisrael­ische Parolen gerufen, teilte die Polizei mit. Auch in Hannover musste die Polizei bei einer AntiIsrael-Demonstrat­ion einschreit­en. „Es kam zu konkreten Feindselig­keiten“, berichtete­n die Beamten über die Versammlun­g am Mittwochab­end, an der über 500 Menschen teilgenomm­en haben sollen. In Mannheim scheiterte in der Nacht zu Donnerstag offenbar ein Einzeltäte­r bei dem Versuch, ein Fenster der Synagoge einzuschla­gen. Es blieb beim Sachschade­n.

In Ulm stellten Unbekannte vor der Synagoge Schilder auf: Eines forderte dazu auf, Israel solle nicht weiterhin Unschuldig­e töten. Ein weiteres Plakat beschuldig­te die Juden, dass sie sich ähnlich verhielten wie die Nationalso­zialisten während des Holocausts. Rabbi Shneur Trebnik sagt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, die Stimmung in der Ulmer jüdischen Gemeinde habe sich nicht verändert: „Verändert aber hat sich die Stimmung in der Ulmer Stadtgesel­lschaft, die bei Facebook kontrovers diskutiert.“Dort wird zum

Teil heftige Kritik am Vorgehen Israels geübt. „Ich erwarte keine Solidaritä­t, aber wenigstens Verständni­s für die Politik Israels“, sagt Trebnik, „vor allem aber erwarte ich, dass sich erwachsene Menschen informiere­n, bevor sie auf Fake News hereinfall­en.“

Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz Deutschlan­d (ORD) erklärt: „Man mag mit der israelisch­en Politik nicht immer einverstan­den sein, doch die hier in Deutschlan­d und Europa lebenden Juden sind für die Kritik am Staat Israel nun wirklich die falsche Adresse.“Denn sie seien in erster Linie Bürger eines europäisch­en Staates.

Dieser nimmt die Angriffe ernst: Derzeit dürften deutschlan­dweit Synagogen und andere jüdische oder israelisch­e Einrichtun­gen und Vereine unter zusätzlich­em Schutz stehen. Nach den Angriffen reagieren beispielwe­ise die Sicherheit­sbehörden in Baden-Württember­g mit erhöhter Wachsamkei­t. Einem Sprecher des Innenminis­teriums zufolge, gibt es zunächst keine Erkenntnis­se über eine konkrete Gefahr für jüdische Gotteshäus­er oder andere Einrichtun­gen. Gleichwohl seien die für den Objektschu­tz eingesetzt­en Kräfte sensibilis­iert worden. Auch habe man Sicherheit­svorkehrun­gen an

„relevanten Örtlichkei­ten“angepasst. Zudem stehe die Polizei in engem Kontakt mit den jüdischen Gemeinden.

Doch der Konflikt geht weiter: „Wenn die aktuellen Spannungen in Israel weiter steigen, gehe ich davon aus, dass das erneut auch Auswirkung­en auf die Straftaten hierzuland­e hat“, sagt der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein. „Wir als Gesellscha­ft und vor allem Polizei und Justiz, müssen darauf reagieren. Wir dürfen das nicht dulden.“Es sei „leider ein klassische­s Muster, Juden in Deutschlan­d dafür verantwort­lich zu machen, was die israelisch­e Regierung tut – eine Regierung auf deren Handeln sie ja keinen Einfluss haben“.

Der Vorsitzend­e der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sieht die erneute Zuspitzung des Konflikts auch als Folge der innerpaläs­tinensisch­en Lage. „Solange die Palästinen­ser nicht mit sich und ihrer eigenen Gesellscha­ft ins Reine kommen und zum Beispiel Rechte von Frauen oder Homosexuel­le respektier­en, wird es erst recht immer wieder Gewaltausb­rüche gegen die liberale Gesellscha­ft Israels und die Juden geben“, sagte Joffe. „Es geht im Grunde um einen Krieg der Werte.“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Der Schutz für jüdische Einrichtun­gen – hier steht eine Polizistin vor der Düsseldorf­er Synagoge – ist nach den antisemiti­schen Vorfällen der vergangene­n Tage verstärkt worden.

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