Corona-Stimmung gespalten
Umfrage zur Zukunft nach der Pandemie
(sz) - Corona bestimmt den Alltag seit mehr als einem Jahr. Doch irgendwann ist die Pandemie vorbei – und dann? Die Meinungen darüber gehen auseinander, wie eine exklusive Umfrage der „Schwäbischen Zeitung“zeigt. Bei der Frage „Sind Sie zuversichtlich, dass nach der Corona-Pandemie ein Alltag wie vor der Pandemie möglich sein wird?“gab sich gut die Hälfte der Befragten optimistisch. Aber 41,8 Prozent sehen der Zukunft eher pessimistisch entgegen. Wobei sich vor allem ältere Menschen und speziell Frauen Sorgen machen. Interessanterweise gibt es in Bayern laut der Umfrage mehr Optimisten als in Baden-Württemberg. Der Unterschied beträgt fünf Prozentpunkte.
- Es sollte eigentlich ein freundliches Kennenlerntreffen zwischen Josef Schuster und Georg Bätzing werden. Doch am Mittwoch sind die Gesichter des Präsidenten des Zentralrats der Juden und des Vorsitzenden der Katholischen Bischofskonferenz ernst. Die Lage in Israel und die Berichte über Steinwürfe auf eine Synagoge in Nordrhein-Westfalen überschatteten den jüdisch-katholischen Dialog kurz vor Beginn des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt, das auch das Zuhause einer der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands ist.
„Ich habe schon ein sehr ungutes Gefühl – ich habe Verwandtschaft in Israel, da ist man noch emotionaler beschäftigt mit der Situation“, so Schuster. „Jede Stunde, die der Konflikt eher zu Ende ist, ist eine gewonnene Stunde.“
„Das kann nicht die Zukunft sein“, betont auch Bätzing angesichts der Eskalation im Nahen Osten. „Die Zukunft wird sein, dass beide Seiten an den Tisch des Verhandelns zurückkehren. Das ist mein dringender Wunsch. Dieser Tisch ist schon viel zu lange leer geblieben. Nur so kann Frieden hergestellt werden, nur so kann die Situation für Juden und Palästinenser befriedet werden.“
„Es ist in keiner Weise zu billigen, wenn der Konflikt aus Israel nach Deutschland übertragen wird. Angriffe auf Synagogen sind reinster Antisemitismus, das werden wir niemals zulassen“, sagt Bätzing. Das sei etwas, was auch die Zukunft hierzulande gefährde. „Ein Angriff auf eine Synagoge hat nichts mit einer politischen Meinungsäußerung zu tun, es ist reiner Antisemitismus“, ergänzt Schuster.
Doch es geht nicht nur um Solidarität mit den Opfern der Gewalt, sondern auch um konkrete Sorgen, welche Wellen der Konflikt in Israel in Deutschland schlägt.
Denn in den vergangenen Tagen verzeichneten die Behörden zahlreiche, teilweise gewaltsam vorgetragene Übergriffe. Nach der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten waren bereits in der Nacht zu Mittwoch vor den Synagogen in Bonn und Münster israelische Flaggen angezündet worden. Ebenfalls am Mittwoch wurde in Gelsenkirchen eine nicht angemeldete antiisraelische Demonstration von der Polizei gestoppt. Etwa 180 Personen seien vom Bahnhof Richtung Synagoge gezogen und hätten antiisraelische Parolen gerufen, teilte die Polizei mit. Auch in Hannover musste die Polizei bei einer AntiIsrael-Demonstration einschreiten. „Es kam zu konkreten Feindseligkeiten“, berichteten die Beamten über die Versammlung am Mittwochabend, an der über 500 Menschen teilgenommen haben sollen. In Mannheim scheiterte in der Nacht zu Donnerstag offenbar ein Einzeltäter bei dem Versuch, ein Fenster der Synagoge einzuschlagen. Es blieb beim Sachschaden.
In Ulm stellten Unbekannte vor der Synagoge Schilder auf: Eines forderte dazu auf, Israel solle nicht weiterhin Unschuldige töten. Ein weiteres Plakat beschuldigte die Juden, dass sie sich ähnlich verhielten wie die Nationalsozialisten während des Holocausts. Rabbi Shneur Trebnik sagt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, die Stimmung in der Ulmer jüdischen Gemeinde habe sich nicht verändert: „Verändert aber hat sich die Stimmung in der Ulmer Stadtgesellschaft, die bei Facebook kontrovers diskutiert.“Dort wird zum
Teil heftige Kritik am Vorgehen Israels geübt. „Ich erwarte keine Solidarität, aber wenigstens Verständnis für die Politik Israels“, sagt Trebnik, „vor allem aber erwarte ich, dass sich erwachsene Menschen informieren, bevor sie auf Fake News hereinfallen.“
Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) erklärt: „Man mag mit der israelischen Politik nicht immer einverstanden sein, doch die hier in Deutschland und Europa lebenden Juden sind für die Kritik am Staat Israel nun wirklich die falsche Adresse.“Denn sie seien in erster Linie Bürger eines europäischen Staates.
Dieser nimmt die Angriffe ernst: Derzeit dürften deutschlandweit Synagogen und andere jüdische oder israelische Einrichtungen und Vereine unter zusätzlichem Schutz stehen. Nach den Angriffen reagieren beispielweise die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg mit erhöhter Wachsamkeit. Einem Sprecher des Innenministeriums zufolge, gibt es zunächst keine Erkenntnisse über eine konkrete Gefahr für jüdische Gotteshäuser oder andere Einrichtungen. Gleichwohl seien die für den Objektschutz eingesetzten Kräfte sensibilisiert worden. Auch habe man Sicherheitsvorkehrungen an
„relevanten Örtlichkeiten“angepasst. Zudem stehe die Polizei in engem Kontakt mit den jüdischen Gemeinden.
Doch der Konflikt geht weiter: „Wenn die aktuellen Spannungen in Israel weiter steigen, gehe ich davon aus, dass das erneut auch Auswirkungen auf die Straftaten hierzulande hat“, sagt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. „Wir als Gesellschaft und vor allem Polizei und Justiz, müssen darauf reagieren. Wir dürfen das nicht dulden.“Es sei „leider ein klassisches Muster, Juden in Deutschland dafür verantwortlich zu machen, was die israelische Regierung tut – eine Regierung auf deren Handeln sie ja keinen Einfluss haben“.
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sieht die erneute Zuspitzung des Konflikts auch als Folge der innerpalästinensischen Lage. „Solange die Palästinenser nicht mit sich und ihrer eigenen Gesellschaft ins Reine kommen und zum Beispiel Rechte von Frauen oder Homosexuelle respektieren, wird es erst recht immer wieder Gewaltausbrüche gegen die liberale Gesellschaft Israels und die Juden geben“, sagte Joffe. „Es geht im Grunde um einen Krieg der Werte.“