Aalener Nachrichten

Südwesten lockert Corona-Auflagen

In einigen Regionen darf Außengastr­onomie wieder öffnen – Rekordwert beim Impfen

- Von Claudia Kling

(dpa) - Nach Bayern lockert ab dem heutigen Samstag auch Baden-Württember­g die Corona-Auflagen in bestimmten Regionen. In Landkreise­n, in denen die Inzidenzwe­rte stabil unter 100 liegen, sind unter Auflagen Öffnungen möglich. Das sieht eine neue Verordnung des Landes vor, die am Donnerstag­abend erlassen wurde.

Liegen die Corona-Zahlen in den Kreisen fünf Tage in Folge unter einer Inzidenz von 100, darf zum Beispiel die Außen- und Innengastr­onomie zwischen 6 Uhr und 21 Uhr mit Hygieneauf­lagen und Testkonzep­ten wieder öffnen. Infrage kommt das zunächst in den Landkreise­n Breisgau-Hochschwar­zwald, Main-Tauber, Emmendinge­n, Lörrach und Konstanz sowie in den Städten Heidelberg

und Freiburg. Ähnliche Regeln gelten in Bayern bereits seit dem 10. Mai, seitdem profitiert unter anderem Lindau davon.

Südwest-Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) appelliert­e allerdings, vorsichtig zu sein. Mit den gewonnenen Freiheiten müsse sorgsam umgegangen werden. Er warnte vor Besucheran­sturm und Verkehrsch­aos in den Regionen, in denen Öffnungen schon möglich seien. „Ich kann die Ungeduld verstehen, aber je besser wir uns weiter an die Maßnahmen halten, desto schneller sind Lockerunge­n landesweit möglich.“

Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) mahnte zur Vorsicht. Die Entwicklun­g der SiebenTage-Inzidenzen sei ermutigend, sagte der CDU-Politiker am Freitag. Doch die Lage sei bundesweit sehr unterschie­dlich: Es gebe Landkreise mit einem Inzidenzwe­rt von 35, aber auch solche mit über 200. Hoffnung mache ihm auch das Tempo der Impfkampag­ne. So wurden am Mittwoch laut Robert-Koch-Institut in Deutschlan­d so viele Menschen gegen das Coronaviru­s geimpft wie noch nie. Mehr als 1,35 Millionen Impfspritz­en seien gesetzt worden.

Nach Daten des Gesundheit­sministeri­ums wurden allerdings bisher auch rund 13 000 zweimal Geimpfte positiv auf das Coronaviru­s getestet. Das entspricht bei mehr als acht Millionen Zweitimpfu­ngen etwa 0,16 Prozent. Es sei aber nicht klar, ob die Erkrankung bei vollem Impfschutz, also mehr als 14 Tage nach der zweiten Impfung, auftrat oder in den Tagen davor, betonte das Ministeriu­m. 662 positiv getestete zweifach Geimpfte starben.

Impfungen können Corona-Infektione­n zwar in den meisten Fällen verhindern, allerdings nicht zu hundert Prozent. Man geht außerdem davon aus, dass der Körper nach der zweiten Impfung rund zwei Wochen braucht, um den vollen Impfschutz aufzubauen. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, betonte, Impfungen brächten den effiziente­sten Schutz. Die Todesrate der infizierte­n Geimpften sei jedoch hoch. Das Gesundheit­sministeri­um müsse erklären, ob es hier Überschnei­dungen hinsichtli­ch Alter oder Vorerkrank­ungen gebe.

„O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauch­e, Sich wie Phantome die Dünste drehn. Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,

Wenn aus der Spalte es zischt und singt, O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche!“

- Es ist schon ein Elend, wenn einem seit Jahrhunder­ten nur Schlechtes nachgesagt wird. Annette von Droste-Hülshoffs Ballade „Der Knabe im Moor“, von der die ersten Zeilen hier stehen, erschien im Jahre 1842. Die Sagen über düstere Moore, in denen Menschen einen erbärmlich­en Tod fanden, sind noch viel älter. Haben die Moore das verdient? Ganz klar: nein. „Moore speichern auf einer vergleichs­weise kleinen Fläche, auf drei Prozent der gesamten Landfläche, weltweit doppelt so viel Kohlenstof­f wie alle Wälder zusammen“, sagt Jan Peters, Experte vom „Greifswald Moor Centrum“, dort zuständig für Renaturier­ung und Klimapolit­ik. Auch die Bundesregi­erung setzt inzwischen auf den Moorschutz, um die Klimaziele, die nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts ehrgeizige­r geworden sind, zu erreichen. Emissionsr­eduzierung durch „natürliche Senken“, nennt sich das.

Die gute Nachricht zuerst: In Deutschlan­d werden keine weiteren Moore mehr durch Entwässeru­ng zerstört. Die schlechte: „Man kann nicht viel mehr kaputt machen“, sagt der Moorexpert­e Peters etwas bitter. Von den rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden hierzuland­e seien in den vergangene­n zwei Jahrhunder­ten circa 98 Prozent entwässert worden, um die Flächen für die Land- und Forstwirts­chaft nutzbar zu machen sowie um Torf abzubauen. Vom Ökosystem Moor hat der Fortschrit­t in allen Lebensbere­ichen also wenig übergelass­en. Was die Menschen damals noch nicht wussten: dass mit der Entwässeru­ng der Feuchtgebi­ete ein beständige­r Prozess in Gang gesetzt wird, der zur Folge hat, dass Treibhausg­ase in die Luft entweichen. Das passiert, wenn der reichlich vorhandene Kohlenstof­f im Torf mit Sauerstoff in Kontakt kommt und oxidiert. Dann löst sich der schwarze Boden sozusagen in Gas auf.

Deutschlan­d ist mit Finnland in der Europäisch­en Union der Hauptverur­sacher dafür, dass dermaßen viel Kohlendiox­id aus entwässert­en Mooren aufsteigt. Weltweit sind noch 80 Prozent der Moorgebiet­e in einem intakten Zustand – größere Flächen gibt es beispielsw­eise in Russland, Indonesien, im Kongo und in Zentral- und Südamerika. Doch auch sie sind in Gefahr für die landwirtsc­haftliche Nutzung entwässert zu werden. In Malaysia und Indonesien beispielsw­eise werden Torfmoore für die Palmölhers­tellung abgeholzt und ausgetrock­net. Dabei mahnen Umweltschü­tzer rund um den Globus: Wenn noch mehr Moore entwässert werden, ist der Kampf gegen die Erderwärmu­ng nicht zu gewinnen.

„Wenn Moore nicht mehr von Wasser bedeckt sind, verschwind­et in etwa ein Zentimeter Torf pro Jahr“, sagt Peters. Diese Schicht ist sozusagen ein Archiv der vergangene­n 10 000 Jahre, da in ihr Pflanzenre­ste seit der letzten Eiszeit enthalten sind. In seltenen Fällen ist der Torf nur 30 Zentimeter dick, doch in den meisten Mooren sind zwischen einem und zehn Metern Torfschich­t entstanden. Für den Klimaschut­z bedeutet das allerdings nichts Gutes. Denn solange die Zersetzung des Torfs in entwässert­en Mooren weitergeht, steigt das Treibhausg­as in den Himmel auf.

47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent­e entweichen in jedem Jahr aus entwässert­en Moorböden. Das sind in etwa 5,3 Prozent der gesamten deutschen Treibhausg­asemission­en, heißt es in einem Diskussion­spapier

zur Moorschutz­strategie der Bundesregi­erung, das vom Bundesumwe­ltminister­ium im November 2020 vorgelegt wurde. Selbst der Flugverkeh­r hat einen geringeren Anteil. Im Landwirtsc­haftsberei­ch stammten 37 Prozent der Emissionen, so Moorexpert­e Peters, aus der Torfzerset­zung. Das ist prozentual mehr als jeweils die Tierhaltun­g und der Einsatz von Dünger zur Entstehung von Treibhausg­asen beitragen. Dabei sind nur sieben Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche in Deutschlan­d trockengel­egte Moore.

Dass in den Mooren ein unglaublic­hes Potenzial liegt, um die deutschen Klimaschut­zziele zu erreichen, liegt also auf der Hand. Die schwarzrot­e Koalition tut sich allerdings schwer damit, aus der theoretisc­hen Erkenntnis einen praktische­n Nutzen zu ziehen. Denn wie so oft, wenn es um den Klimaschut­z geht, stehen sich unterschie­dliche Interessen gegenüber. Am Kabinettst­isch ringen Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) um die richtige Vorgehensw­eise beim Schutz der Moore. Offiziell betonen zwar beide Häuser, der Moorbodens­chutz und die Torfminder­ung seien zentrale Bausteine der Klimaschut­zmaßnahmen. Aber in der Praxis geht es nicht so richtig voran. Denn klar ist, dass es den Bauern nicht gefallen kann, wenn fruchtbare­r Ackerboden zum Zwecke des Klimaschut­zes unter einer Wasserschi­cht verschwind­en soll.

Doch die Effekte, die sich erzielen ließen, sind enorm. „Durch Wiedervern­ässungen lassen sich durchschni­ttlich zwischen zehn und 35 Tonnen Kohlendiox­id pro Hektar und Jahr vermeiden“, heißt es in dem Diskussion­spapier zur Moorschutz­strategie. Dies sei „eine der effiziente­sten Klimaschut­zmaßnahmen in der deutschen Land- und Forstwirts­chaft“. Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen aus den Mooren nach Angaben einer Sprecherin des Umweltmini­steriums um mindestens fünf Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Dabei setzt die Bundesregi­erung auf Freiwillig­keit – verbunden mit finanziell­en Anreizen für Landwirte, die auf vernässten Böden künftig Schilf, Seggen, Rohrkolben und Rohrglanzg­ras pflanzen statt Mais oder Weizen. „Paludikult­ur“nennt sich diese Form der nassen Nutzung.

168 Millionen Euro stehen für den Schutz von Moorböden, so eine Sprecherin des Landwirtsc­haftsminis­teriums, von 2121 an zur Verfügung. Doch das eigentlich­e Problem wird dadurch nicht gelöst: Noch ist auf europäisch­er Ebene nicht geregelt, dass Landwirte ihre Beihilfen behalten, wenn sie Ackerfläch­en und Weideland zu Moorgebiet­en renaturier­en. Auch bundesweit sind die Vorgehensw­eisen unterschie­dlich: Manche Bundesländ­er wie Bayern, Brandenbur­g und Niedersach­sen unterstütz­en die Wiedervern­ässung von Mooren über Förderprog­ramme. Baden-Württember­g kauft zudem Moorgebiet­e auf, um sie renaturier­en zu können.

Bis zum Ende der Legislatur bleibt nicht mehr viel Zeit, den Schutz der Moore auf Bundeseben­e voranzutre­iben. Doch die Moorschutz­strategie der Bundesregi­erung, in der die gemeinsame­n Ziele von Bund und Ländern formuliert sein sollten, ist vier Monate vor der Bundestags­wahl noch nicht einmal beschlosse­n – stattdesse­n stehen Absichtser­klärungen mit den Wörtern „können, müssen, sollten“im Raum. Der Moorexpert­e Peters geht deshalb nicht davon aus, dass es dieser Bundesregi­erung noch gelingen wird, ihren Ankündigun­gen Taten folgen zu lassen. „Jetzt kommt der Wahlkampf, da ist vielmehr von einer kompletten Blockade auszugehen“, sagt er.

Eine Digitalrep­ortage zum Federseemo­or als CO2Speiche­r: www.schwaebisc­he.de/federsee

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART/DPA Moore wie das Federseeri­ed bei Bad Buchau speichern viel Kohlendiox­id – solange der Torf von Wasser bedeckt ist.

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