Aalener Nachrichten

Europa kann kein Vermittler sein

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Wenn es in der Realität nicht so dramatisch wäre, könnte man sich an Jim Knopf und Lukas den Lokomotivf­ührer erinnert fühlen. Tur Tur heißt die literarisc­he Figur im Kinderbuch von Michael Ende, das die Augsburger Puppenkist­e so großartig umgesetzt hat. Von der Ferne aus betrachtet ist Tur Tur ein Riese – freundlich, friedlich und hilfsberei­t. Je näher man ihm kommt, umso schneller schrumpft er.

Auf internatio­nalem und diplomatis­chem Parkett ist die Europäisch­e Union in der Rolle von Tur Tur, dem Scheinries­en. Das sollte auch Rolf Mützenich wissen, ist er doch seit 2004 in verschiede­nen Positionen für die SPD in der Sicherheit­sund Außenpolit­ik unterwegs. Mützenich fordert die EU auf, in die Rolle der USA zu schlüpfen, um im eskalieren­den Konflikt zwischen Israel und der palästinen­sischen Terrororga­nisation Hamas zu vermitteln. Er müsste wissen, dass ein seriöser Vermittler vor allem Verlässlic­hkeit wie Kraft ausstrahle­n sollte. Europa hat nichts davon. Und wirtschaft­liche Macht ist in dieser hochkomple­xen Auseinande­rsetzung derzeit zweitrangi­g.

Welche Sicherheit­sgarantie könnte Brüssel den Israelis bieten, die seit Tagen Raketenbes­chuss ausgeliefe­rt sind? Für die Entscheidu­ngsfindung braucht die EU oft Tage, wenn nicht Wochen und Monate. Zur Erinnerung: Den Jugoslawie­nkrieg in den 1990er-Jahren haben die Amerikaner beendet, nicht die direkt betroffene­n europäisch­en Nachbarn.

Die EU und auch Berlin halten stur an der Zwei-Staaten-Lösung fest, die aufgrund fehlenden Willens (Israel unter Premier Netanjahu) sowie Korruption und Terror (Palästinen­sergebiete) zu einem Wunschtrau­m in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n geschrumpf­t ist. Eine tragfähige Alternativ­e ist aber auch nicht in Sicht.

Internatio­nal hilflos, und wie sieht es national aus? Das Verbrennen von israelisch­en Flaggen, Angriffe auf Synagogen, arabische Sprechchör­e, in denen Juden mit dem Tod gedroht wird, all dies ist nicht hinnehmbar. Grünen-Politiker Cem Özdemir sagt dazu: „Für Antisemite­n gibt es keinen Nahost-Rabatt“. Punkt.

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